Du befindest dich in dem unguten Spannungsverhältnis zwischen nicht-praxisorientierter Ausbildungsanforderung (völlig überzogen vorbereitete "Hochzeitstortenstunden") und mangelnder Routine und Erfahrung, so ziemlich die ätzendste Kombination überhaupt. Wird von erfahrenen Mentoren seit Jahren bemängelt und es ändert sich nix. Eher hat man's verschlimmbessert.
Was du tu kannst, ist dir erstmal klar machen, dass dein "gefühltes Scheitern" möglicherweise aus diesem systemischen Fehler erwächst und nicht unbedingt aus dir. Ob oder ob das nicht so ist, wird die Zeit zeigen. Tatsächlich gibt es Menschen, die dem Ganzen wirklich nicht gewachsen sind, das ahnt man, wenn jemand nach einem Jahr eigenem Unterricht immer noch 10 Stunden für ein Arbeitsblatt braucht oder Fragen der Schüler nicht beantworten kann. Das sollte aber jetzt nicht dein Problem sein, sondern du solltest jetzt erstmal mit den folgenden Gedanken rangehen:
1. Der Beruf ist machbar. Also kann ich ihn auch machen.
2. Menschen, die 26 Stunden unterrichten, können nicht jede Stunde 10 Stunden vorbereiten. Trotzdem funktionieren diese Stunden. Also setze ich mir ein Zeitlimit beim Vorbereiten. Nämlich max. 1 Stunde pro normaler Unterrichtsstunde (UBs sind was anderes). Ich gehe um (gesunde Uhrzeit x) ins Bett. Wenn ich dann nicht fertig bin, ist es halt so. Dann übe ich "Schwellendidaktik", das ist im richtigen Leben auch sehr wichtig, das zu können. Gerade am Berufsanfang mit den ersten 26 Stunden. Da wirst du dir sehr dankbar sein, wenn du das schon kannst. Heißt: ich habe nur einen Text und eine grobe Idee/ungefähren Plan, und damit gehe ich in die Klasse. Das klappt oft besser, als die überfrachteten Stunden mit Sekundenplanung, die einen nervös machen, weil die Schüler eben nicht nach deinem Sekundentakt tanzen und nach einer Weile alles aus'm Ruder läuft.
3. Ich nutze vorhandenes Material, wo immer möglich und erfinde NICHT das Rad andauernd neu. (Die neu erfundenen Räder von Referendaren sind übrigens nicht immer die allerbesten Varianten, Stoff rüberzubringen. Meist benutzen sie sie im richtigen Leben nie wieder!). Lehrbücher sind durchaus von erfahrenene Menschen gemacht worden und inzwischen oft recht gut, sie geben einen durchaus sinnvollen Rahmen. Sog. Buchstunden sind NICHT die schlechstesten Stunden! Die Schüler achten weniger auf das Material als auf den Menschen!!! Ist der ausgechlafen, fit, freundlich und konzentriert, wiegt das ein hypergestyltes Arbeitsblatt UM LÄNGEN auf! (sei ehrlich: welche Lehrer sind dir als "gut" in Erinnerung geblieben - die mit den Arbeitsblättern oder die mit dem Charakter / der Ausstrahlung? )
4. Ich schnorre. Laut Dienstordnung ist jeder Lehrer zur Mitarbeit in der Referendarenausbildung verpflichtet. Ich gehe ständig zu jedem hin und frage "wie machst du das eigentlich? Welches Material benutzt du für X? Kannst du mir das mal leihen?" und ich lasse mich nicht abwimmeln. In den Fachkonferenzen melde ich mich und bitte um Auskunft zu allen meinen offenen Fragen (die ich natürlich vorher aufgeschrieben habe). Ich lese die alten Protokolle, da steht auch viel Hilfreiches drin.
5. Ich mache Fehler und ich drehe deswegen nicht gleich durch. Ein Mensch in der Ausbildung macht halt Fehler. Das verursacht mir keine schlaflose Minute. Aber ich reflektiere meine Fehler und befrage die alten Hasen: "Mir ist das und das passiert - wie kann ich das vermeiden?" Die Schüler kann man ggf. auch befragen: "Was hat euch/Sie an dem Tag daran gehindert, die Aufgabe X zu erfüllen? Woran hat's gelegen?" - die können einem das oft punktgenau sagen.
6. Ich gebe mir Zeit. Im Moment reicht, dass die Unterrichtsstunden einigermaßen zielführend ablaufen und ein Lernergebnis haben. Sie müssen nicht "toll" , "unvergesslich" oder "examenstauglich" sein.
Nächsten Monat möchte ich 2 Stunden halten, die mich wirklich befriedigen. Übernächsten dann 4. Und dann... (in deinem Tempo kannst du auch andere - realistische! - Zahlen einsetzen).
7. Ich fange immer mit dem Lernergebnis an. Ich versuche nicht, "gleich die ganze Stunde zu sehen", mit allen Methoden und Materialien und so. Dann sehe ich nicht mehr, worum es eigentlich geht. Ich plane vom Lernziel zurück. Das geht am schnellsten und macht am meisten Sinn und gibt eine Struktur, die auch gleich in die nächste Stunde mündet.
Also: Was müssen die Schüler als nächstes kapieren? X. Welchen Teil von X können sie in einer Stunde erreichen? Y. Was braucht man um Y zu üben? Einen kurzen Text mit Z drin (im Buch gucken, wenn es geht, die Aufgaben von dort übernehmen und ggf etwas aufpeppen). Mit welcher einfachen (!) Methode geht das am besten? Keinen Schnickschanck, sondern das nehmen, was auf Anhieb sinnvoll erscheint - auch wenns drei Mal hintereinander dasselbe ist. Wie lange dauert das? Zeitplanung machen. Fertig. Wenn du das kannst, kannst du anfangen, den Aufpepopfaktor zu erhöhen. Aber erst dann!!
8. Ich glaube an mich! Rückschläge kompensiere ich durch Sport und Schokolade, Pasta und Kino - nicht durch Depressionen! Falle ich hin, steh ich wieder auf.