Beiträge von Meike.

    meike: Jeder darf natürlich zu allem eine Meinung haben, so hab ich das nicht gemeint. Aber worauf ich hinaus wollte, Aleviten bzw. andere Liberale haben verschiedene Ansichten im Gegensatz zu der Mehrheit der Muslime auf dieser Welt. Wenn man jetzt hergeht und die Meinung einzelner als Konsens der Mehrheit verkaufen will, dann ist das schlichtweg falsch. Diskutieren und Mitreden soll und kann natürlich jeder.


    Nunja, aber diese Frauen, die die These vertreten, dass das Kopftuch weniger ein Teil der Identität als einfach eine - meist unüberdachte - innerfamiläre Tradition ist, und sehr wohl abgelegt werden kann, ohne sich vom Glauben zu entfernen, sind ja nicht alle Aleviten. Ich habe davon auch genug in meinen Kursen sitzen. Türkinnen, Afghaninnen, Pakistanerinnen, Marokkanerinnen, Albanerinnen. Alles Muslima. Und ob die Nichtkopftuch-Trägerinnen wirklich eine Minderheit sind, weiß ich auch nicht. Da es sie gibt und sie sich gefühlt (und die Beziehung zu Gott ist ja immer nur eine gefühlte und keine tatsächlich messbare) auch nicht ferner zu Gott befinden, als andere, kann man den Schluss, dass das Kopftuch unerlässlich ist, nicht wirklich ziehen, Es geht offensichtlich auch ohne. Heißt: man muss schon mal darüber nachdenken, ob es nicht in Wirklichkeit doch ein anderes Zeichen ist: ein Zeichen von Abgrenzung oder Besonderheit ... im Prinzip nicht anders als bei den zum fundamentalismus tendierenden Jugendlichen: ich bin was Besonderes.
    Und ob das dann intergrationsfördernd ist...?
    Also ich finde, diese Frauen haben da einen Punkt.

    Zitat

    Ansonsten geb ich dir voll und ganz Recht: Die Dinge sind sehr komplex und JA! Die Radikalisierung ist ein sehr ernst zunehmendes Problem. Die muslimischen Gemeinden wachen auch erst langsam auf. Da ich aus eher ländlicheren Umgebungen komme, und "jeder jeden kennt", kann hier schnell eingeschritten werden. Von daher hab ich gar kein Überblick wie es in den Großstädten zugeht.

    Deswegen regte ich ja an, die Beiträge hier nicht gleich als "ekelhaft" oder abzulehnen zu kategorisieren, und etwas mitzunehmen. Einige der hier Schreibenden leben nämlich in Großstädten und erfahren das, was ich schrieb, hier täglich. Und mich würde dann doch mal deine Meinung zu den Fragen oben interessieren: also was du zum Thema Diskriminierung von Frauen IN der muslimischen community denkst... und wie du, aus der Innensicht, die Fort-Rück-oder anderweitig gerichteten Schritte dort beurteilst. Und: glaubst du, dass gemäßigte Muslime (als liberal scheinst du dich ja nicht zu bezeichnen) sich radikalisierende Jugendliche erreichen können? Wie/mit was?

    Ich frage mich langsam, ob das Satire sein soll? Die katholischen Schulen sind zu nahezu 100% vom Staat gebaut, finanziert, unterhalten und ausgestattet, es ist schnurzegal welcher Bevölerungsanteil da gerade vorherrscht. Für die Reglementierung dieser Schulen durch die katholische (oder igrdendeine) Kirche gäbe es nur dann einen Grund, wenn die auch 100% der Sach&Personalkosten übernähmen.

    einmal Ekin Deligöz: Sie ist "moderne" Alevitin. Aleviten machen nur einen kleinen Teil der Muslime in Deutschland aus. Die meisten sind Sunnitisch. Aleviten haben meist sowieso keine Probleme mit der Integration, da sie sehr liberal sind, und es keine Punkte gibt, wo sie ggf. anecken könnten (kein Kopftuch, meist auch Alkohol, Schweinefleisch etc. etc.).

    Lale Akgün, ich weiß nicht mal ob sie überhaupt Muslimin ist? Welcher Moslem demonstriert gegen einen Moscheebau? Nichtsdestotrotz auch liberal gesinnt.

    Aha... liberale Muslime dürfen also nicht mitreden bzw eine Meinung zu allen Muslimen haben? Ich finde schon. Auch Minderheitenmeinungen können Wahrheiten enthalten... und ich finde, dass muslimische Frauen durchaus für muslimische Frauen sprechen können. Ihne das abzusprechen ist wie "ihr Muslime könnt in unserer Mehrheitsgesellschaft nicht mitreden, eure Stimme zählt nicht". Du würdest dir das wohl verbitten.. zu Recht. Zumal ich es nicht schätze, die INHALTE eines Beitrags zu ignorieren, indem man der PERSON das Rederecht abspricht.

    Um zur Diskriminierung innerhalb der Muslimischen Familiezu kommen: Ich kann nur von meinem Umfeld reden: In meiner Familie gibt es sehr viele, die kein Kopftuch und auch kein Rock oder sonst was tragen. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit sie zu diskriminieren. Wer seine Religion ernst nimmt, kann nie und nimmer, Familienmitglieder von der Gesellschaft ausschließen / diskriminieren. Das man niemanden in der muslimischen Gemeinschaft ausschließt, beschränkt sich nicht nur auf die Familie. In meiner muslimischen Gemeinde, gibt es sehr viele Frauen, die mit Jeans und ohne Kopftuch zur Moschee kommen und nur fürs Gebet sich kurz umziehen, ansonsten aber rumlaufen, wie sie wollen. Niemand, aber auch wirklich niemand, kann sich das Recht rausnehmen und irgendjemand vorschreiben, wie er sich anzuziehen hat.

    Schön für euch. Prima. Ich erlebe mit den vielen, vielen muslimischen Familien der Schülerinnen, die mit mir sprechen, halt etwas ganz anderes.
    Darf ich jetzt trotzdem nicht mitreden, weil ich keine Muslima bin ;) ? Ich spreche für mich, meine durchaus umfassenden Erfarungen und nenne meine Schlüsse, die ich daraus ziehe. Du kannst mir zuhören, genau wie den liberalen Muslima, oder nicht. Daraus etwas mitnehmen oder nicht. Das ist der Sinn eines solchen Forums. Schließt du anderslautende Stimmen gleich aus, entgeht dir vielleicht etwas.

    Um nun zum Problem zu kommen: viele Moslems kennen ihre eigene Religion nicht. Es fehlt die Bildung. Das bedeutet: Wenn so etwas passiert und grade Jugendliche oder Erwachsene, versuchen ihre "Glaubensschwester" zu etwas zu zwingen. Dann ist das ausdrücklich falsch und zu verurteilen. Das ist nicht nur meine persönliche Meinung. Das ist nach islamischen
    Glauben so festgelegt!

    Tja, unsere hausinterne Scharia-Polizei ist der Meinung, dass DU kein echter Muslim bist. Du bist einer der kuffar, vom Westen verdorben, infiltriert von den dekadenten Werten der Ungläubigen. Du hast den rechten Weg verlassen. Und DIR mangelt es an Bildung. Du könntest in eine unserer beiden 'Radikalen'moscheen gehen und dem endlich mal abhelfen lassen... da lernst du sowas nämlich. Und es ist ein tolles Gefühl, so unter überlegenen Brüdern...
    Warum solten die dir zuhören? Was hast du zu bieten? Die haben etwas gefunden, was ihnen Macht und Überlegenheit ohne Leistung ermöglicht, Instant-Selbstbewusstsein. Toll! Und dann kommst du mit deinen verwestlichten Ideen... ;)

    Ich denke grade hier liegt eine große Verantwortung von Lehrern, welche auch selber muslimischen Glaubens sind. Man muss den Brüdern/Eltern/ Klassenkameraden oder wem auch immer klar machen, das es nicht im Sinne ihrer Religion sein kann, die Menschen unter psychischen oder physischen Druck zu halten.

    Bist du dir sicher, dass man die noch einfangen kann? Ich weiß es manchmal nicht.
    Ich denke zwar auch, dass Bildung und Perspektiven Radikalisierung vorbeugen können, dass materialle Sicherheit und Zufriedenheit den meisten Menschen genug geben, um ein für sie sinnvolles Leben führen zu können. Aber nicht allen. Ich arbeite an einer Oberstufe, den Schülern dort stehen eigentlich Tür und Tor offen. Die machen das nicht aus materiellem Duck und Perspektivlosigkeit. Das ist es etwas Persönliches, ein Defizit im Charakter, dem sie mit Überlegenheits- und Allmachtsfanatsien begegnen. "Wir sind besser als die kuffar, Herr über die Frauen..."
    Und das ist zwar eine kleine Minderheit, aber eine wachsende kleine Minderheit. Vor 10 Jahren hatten wir sie gar nicht. Vor 5 Jahre ein paar. Jetzt bestimmen sie in bestimmten Gruppen den Ton. In 10 Jahren ....? Und ja, wir haben viel unternommen. Aber das ist nicht der Punkt: Das hat sich so als eine Art Subkultur herauskristallisiert, eine Art Protestradikalisierung, vielleicht eine Art Psychotherapie gegen das arme kleine Würstchen in einem selbst... Und die haben Bildung und Chancen und Perspektiven und können argumentieren....

    Das Ganze ist etwas komplizierter als die einfachen Botschaften, die man so in den üblichen Talkshows hört. Und auch komplizierter als die "Wir sind doch eine Religion des Friedens und alles andere sind Ausnahme-Erscheinungen"-Beteuerungen (von Teilen) der muslimischen community. Und natürlich auch komplizierter als die stumpf-doofen "Ausländer raus"-Parolen der rechtsaußen-Hirnis: zumal viele dieser fudamentalistischen Jugendlichen INländer sind. Tatsächlich sind die häufigsten Opfer der radikalisierten oder fundamentalen Gruppen/Personen nicht Deutsche, sondern Muslime, vor allem Frauen...
    Alle Schwarzweißmalerei hilft nix. Die Schwarzmalerei nicht, die Weißmalerei aber auch nicht.

    Was kann man machen? Ich denke, Bildung ist wichtig, reicht aber nicht. Angebote für die Eltern in jedem Stadtteil, vor allem die Mütter. Besondere Förderung und Stärkung muslimischer Mädchen. Verpflichtende Sprachkurse, die auch Werte zum Inhalt haben, für die Neuankömmlinge. Kindergartenpflicht, zumindest ein Jahr. Ausstattung der Schulen wie in Finnland, so dass, wenn möglich, kein Kind ohne Abschluss nach Hause geht. Klare Signale gegen Rechts, klares Willkommen an die Muslime, aber auch klare Signale gegen Abschottung, Salafisten, Radikale und alle, die versuchen, Frauen hier im Land an irgendwas zu hindern. Und diese Signale müssen vor allem von der muslimischen Gemeinde kommen, sowie die Signale gegen Rechts vor allem von uns kommen müssen.

    Vielleicht hilft das was. Vielleicht.

    Aber die muslimischen Frauen in Deutschland, brauchen das Gefühl akzeptiert zu werden, so wie sie sind, damit sie sich integrieren können. Die mittelbare Diskriminierung muss aufhören.


    Wie sehr sind sie denn in den muslimischen Familien vor Diskriminierung geschützt, denkst du? Das würde mich mal interessieren.
    Wenn dem nicht so ist, und wir mit "akzeptieren wie sie sind" ihre durch Familie und internes Umfeld geprägte Rolle mitakzeptieren müssen, haben wir nämlich ein Problem.

    Und dass Kopftuchund Schleier Teil der Identität sind, ist so einfach dahergesagt - darüber streiten sich schon seit Jahren auch die Muslima intern. Es gibt muslimische Frauen, die schon seit Jahren behaupten, dass es schlicht eine Frage des Willens zur Anerkennung der Werte der Bundesrepublik sei, ob man es trüge oder nicht. Und es der Wille der Männer sei, der die Frauen so präge, dass sie es tun.
    Vielleicht haben diese Muslima ja Recht?

    Viele meiner Schülerinnen tragen es der Familie wegen. Ausschließlich. Was aber eine hohe Überzeugungskraft hat, denn ohne Familie leben ist undenkbar.
    Andere tragen es relativ unhinterfragt "ist halt so".
    Das mit der Identität ist für mich eine noch sehr offene Frage.

    Das Hauptproblem dürfte doch sein, dass man als Muslima ohne Kopftuch aus dem EIGENEN Umfeld ausgegrenzt wird, DA liegt mindestens genauso viel, wenn nicht die eigentliche Diskriminierung! Wie viele Fragen wie diese spannende Diskussion müssen die muslimischen Mädchen für sich klären...
    Ich erfahre das auch immer und immer wieder, dass der Druck auf die jungen Mädchen überwiegend nicht von der Mehrheitsgesellschaft kommt, sondern von Brüdern, Eltern, Freunden. Teils sogar von der noch im Heimatland verbliebenen Familie, vor denen die Eltern schlecht da stehen, wenn sie das Kind zu frei lassen.

    Warum wir da als Gesellschaft nicht klar Stellung beziehen sollten, ist mir nicht klar. Mir liegen die jungen Frauen am Herzen, die hier ankommen wollen und von ihren eigenen Familien/traditionen ge/behindert werden. Und davon berate ich genügende jedes Jahr um zu wissen, dass das keine Einzelfälle sind.

    Ich im Laden stehe und keine Ahnung hab, warum.
    Ich im Sekretariat stehe und keine Ahnung hab, warum.
    Ich zu meinem Mann sage "Du sag mal.... " und keine Ahnung hab, was er sagen sollte.
    Ich vor dem Krempel- und Putzzeug-Schrank im Flur stehe und keine Ahnung hab, warum.
    Ich auf die kryptischen Einträge in meinem Kalender starre und keine Ahnung hab, was die heißen.

    Ihre Analyse finde ich gut. Wohlstand, Sicherheit, Bildung und Lebensqualität sind die Türen zu einer aufgeklärten Haltung. Menschen mit Existenzängsten klammern sich häufig an traditionelle Auffassungen von Familie, Religion und Tradition. Die Frage ist also nicht, was wir verbieten sollten, sondern, wie wir soziale Ungleichheit bei Migranten abbauen können.

    Das ist wohl der Punkt. Eine Gesellschaft, die Migranten(kindern) echte Chancen bietet, kann auch echte Kompromisse in der Kultur verlangen, bzw das ergibt sich automatisch. Religiöses Gehabe ist oft auch eine Trotzreaktion. Was für mich aber nichts daran ändert, dass ich nicht alles mitmachen muss, was meinen Grundwerten wirderspricht. Ich finde, man muss da mehrgleisig fahren: Angebote verbessern, Chancen verbessern und parallel den Anspruch an die Umsetzung der Grundgesetzwerte höher hängen.

    Ich glaube schon, dass ökonomische Interessen ein starkes (wenn nicht mit das stärkste) Antriebsmodul für menschliche Handlungen sind. Sprich: wenn Tochter mitverdienen muss/soll und das nur ohne Kopftuch kann, werden Traditionen auch gerne mal über Bord geworfen. Das erlebe ich hier ganz häufig. Die ständig verschleierte junge Frau, die Lehramt studieren will. Sie weiß, dass man in Hessen mit Kopftuch nicht verbeamtet wird - und hat es deshalb im Studium schonmal abgelegt "um mich dran zu gewöhnen". Und, fragte ich, ist es schlimm? Nicht so schlimm, wie ich mir vorgestellt hatte, meinte die junge Frau. Und nach ihrer Beziehung zu Gott/Allah gefragt, befindet sie "die sei ungestört".
    In einer anderen Familie war das Kopftuch nicht mehr so wichtig, als es um einen guten Ausbildungsplatz in einer Bank ging. Oder bei einer anderen jungen Dame, die im Public Relations Bereich arbeiten wollte, wo das nicht erwünscht war. Alle berichten, mit ihrer Entscheidung zufrieden zu sein, und die Familien haben jeweils wegen der erheblich guten Verdienstmöglichkeiten/Berufsaussichten zugestimmt.

    Sicher hat auch Bildung (man muss sich überhaupt im Bereich der Chance auf einen guten Ausbildungsplatz befinden) zu tun. Und sicher klappt das auch nicht bei allen Familien. Aber es ist eine von vielen Wegen in die Hinterfragung der eigenen Traditionen - und ich bin der Auffassung, dass es sich beim Kopftuch nicht um ein religiöses Muss handelt sondern lediglich um ein eher traditionelles Symbol, das mehr oder weniger lose mit der Religion, aber vor allem mit traditionellen Vorstellungen vom Leben von Frauen und Männern verknüpft wird. Es geht auch ohne Kopftuch gläubig zu sein. Da sind schon auch Signale der Gesellschaft wichtig, aber gleichzeitig auch Bildungsangebote, Thematisierung von Frauenrechten im Unterricht, Angebote der Beratung und Frauentreffpunkte im Stadtteil, konsequentes Ansprechen der Problematik, Aufklärung, usw.

    Ich kenne übrigens auch wirklich aufgeklärte, selbstbewusste Kopftuchträgerinnen, eine studiert Architektur und engagiert sich für Frauenrechte, eine wirklich tolle junge Frau - und wird mit Sicherheit mal ihren Weg gehen. Aber sie sind in der Minderheit und können so sehr für die Argumentation dienen, wie Bill Gates für die Lebendigkeit des American Dream. Wobei ich auch nochmal zwischen Kopftuch und Gesichtsschleier unterscheide...

    Ich bin auch nicht der Meinung, dass ich jeden immer genau da abholen muss, wo er steht. Ich verfechte eher das Prinzip des sich in-der-Mitte-Treffens. Wenn ich den nicht sehen darf, der mit mir sprechen will, ist ein Vieraugen(dann ja eher Zweiaugen-) Gespräch ohnehin unnötig. Dann kann man auch gleich telefonieren. Ich habe ein Zeichen gesetzt, die Mutter kannn sich die Informationen holen, die sie braucht. Geht auch schriftlich oder e-schriftlich.

    Der Einzelfall wird nichts ändern - vielleicht. Aber wenn eine Gesellschaft signaisiert, dass "alles geht" und man im Prinzip alles absegnet, wird es auch nie besser. Das ist im Prinzip so die Haltung der Altlinken in den frühen 70igern, von denen einige die These vertraten, bestimmte extreme Grausamkeiten gegen Frauen und Kinder seien halt kulturspezifische Eigenheiten und es sei imperialistische, postkoloniale Arroganz, diese zu kritisieren und zu ächten.

    Wobei ich es aber auch schon anders erlebt habe mit den Einzelfällen. Ich hatte da den Vater, der Frauen keine Hand gibt. Da ich der Meinung bin, dass an meiner Hand nichts Unreineres ist, als an der eines Mannes, habe ich sie immer hingestreckt und richtig peinlich lange so da gestanden. Seine Frau hat sich gewunden und ich hab die 10 unangenehmen Sekunden ausgehalten. Bis er sie beim dritten Elterngespräch nahm und drückte. Und seitdem tut er das immer - wir treffen uns öfter zufällig beim in der Nähe gelegenen orientalischen Markt. Guess what? Allah hat ihn noch nicht mit einem Blitz erschlagen. Und wer weiß, vielleicht hat er was verstanden. Jedenfalls hat er es mir nicht übel genommen und hält gerne ein Schwätzchen nach dem Händedruck.

    Es gab andere, ähnliche Fälle. Manchmal dringt man durch den Nebel aus reflexartigem Handeln und unhinterfragter Tradition.


    Weil mich die übergriffige Anmaßung und Diskriminierung durch die etablierten Religionen zornig macht. Und gegen Diskriminierung und Anmaßung mit deutlichen Worten vorzugehen ist vollkommen statthaft.

    Ja. Die Sonderrechte der Kirchen sind in einem pluralistischen, toleranten Staat hinverbrannter Unsinn, der abgeschafft gehört.

    Nele

    Wer solche treffenden und umfassend durchdachten und informierten Beiträge wie den Post 82 schreibt, hat sich das Recht erworben, sich auch mal aufzuregen. Wenn sich andere dann auf die Ebene der Ablenkung durch "Warum regst du dich denn so auf"-Beiträge begeben, dann weil sie sachlich und argumentativ nix entgegenzusetzen haben.

    Ich weiß das zum Beispiel, weil ich selbst Kinder habe und zufällig aufgeklärte türkische Mütter zu meinem Bekanntenkreis gehören, die mir dann berichten dass Frau XY nicht mit dem Bus fahren, telefonieren, mit Fremden sprechen darf etc. Dass Mutter yz regelmäßig geschlagen wird, wenn sie Widerworte gibt und deutsch lernen möchte etc. Da unsere Kinder im selben Alter sind und ich nicht weit weg wohne, begegnet man sich zwangsläufig.

    Ich bin sehr interessiert ob meine türkischen Mädchen später zB. einen Beruf lernen dürfen, oder (Zitat eines Vaters: "die muss nicht rechnen können, die muss Kinder kriegen") nicht. Die Veschleierung und erst recht die Burka symbolisieren ein Rollen- und Frauenbild und wer das nicht wahrhaben will, lebt hinterm Mond. Verschleierung ist nicht nur Kleidung.

    Freiwillig ist auch so ein Schlagwort. Die kleinen Mädchen werden da reinerzogen, die haben keine Wahl.

    Kurze Geschichte:In meiner damals 3. Klasse wurde ein Junge beschnitten. Er wurde nicht vorgewarnt und wurde OHNE örtliche Betäubung von einem Iman und seinem Personal beschnitten. Er hatte massive Schmerzen und erzählte mit mir oft darüber wie furchtbar das war. Ganz oft (bei Ausflügen z.B.) begann er darüber zu sprechen. Irgendwann erwähnte ich mal, dass er das ja mit seinen Söhnen mal nicht so machen muss, zumindest nicht auf diese Art. Seine Antwort: Ach Frau ... das geht nicht, das steht so im Koran, das muss man so machen. Noch Fragen?


    Ich berate seit 12 Jahren in einem Stadtteil mit 60% Familien mit Migrationshintergrund. Und ja, die so genannte Feriwilligkeit ist sehr begrenzt auf ein paar wenige, die wirklich rational und überlegt an ihre Religion herangehen, das nötige Vokabukar und die nötige Bildung überhaupt haben um von einer Metaebene aus über ihre Religion zu denken. Bei allen anderen ist es schlicht Imitation oder Zwang. Beides hat nicht wirklich was mit freiwillig zu tun.
    Wie VIELE muslimische Mädchen ich schon vor mir sitzen hatte, bei denen die Angst da war, dass ihre Karriere in der Q-phase (12,13) abgebrochen wird, weil die Eltern merken, dass die Tochter ihnen intellektuell über den Kopf wächst. Oder eigene Pläne entwickelt. Oder Dinge hinterfragt. Und jedes Jahr wieder und wieder verschwinden welche aus unserer Oberstufe, werden nicht mehr gesehen. Man trifft sie dann vielleicht nach ein paar Monaten mal auf der Straße, tief verschleiert - und sie wenden sich dann beschämt ab. Traurig.
    Ich bin mit so dermaßen vielen meiner muslimischen Jugendlichen gut im Gespräch, dass ich durchaus eine "empirische Datenlage" dazu habe, wie freiwillig das Kopftuch oder der Schleier ist und wie freiwillig die Unterordnung unter andere religiöse Zwänge ist. Ganz klar ist: je höher die Bildung, desto weniger freiwillig ist das. Desto höher der Wunsch der jungen Frauen, ihr Leben individuell und eigenstständig zu gestalten - und desto schwerer die Grätsche zwischen Familie und deren Vorstellung von Religion und der eigenen. Fast immer geht das zu Ungunsten der Mädchen aus.

    Mit weniger Bildung und kognitiver Kapazität fehlt schlicht die Möglichkeit das zu verbalisieren oder auch nur zu erkennen. Dann wird halt die Freiwilligkeit nachgeplappert oder sich selbst vorgegaukelt, weil man ja eh keine andere Wahl hat. Auch das höre ich oft von unseren Schülerinnen über ihre Freundinnen, Schwestern usw. Ich höre es auch von den Beratungsstellen, mit denen ich zusammenarbeite.

    Im Moment haben wir so eine selbsternannte Scharia-Polizei im Haus, derer schwer habhaft zu werden ist, weil es versteckt passiert: Jungs, die Mädchen drängeln und gängeln, ein Kopftuch anzuziehen und sich im Untericht nicht kritisch zu äußern - und die anonym bei Eltern unserer Schülerinnen zu Hause anrufen: "Wissen Sie, dass Ihre Tochter in der Schule das Kopftuch abnimmt?" "Wissen Sie, dass Ihre Tochter in der Cafeteria mit Jungs an einem Tisch sitzt und lacht und sich benimmt wie eine Schlampe?" Die Mädchen haben mich, den Verbindungslehrer und andere aufgesucht und gefragt, ob wir das unterbinden können, der Druck wüchse und wüchse, es sei unerträglich. Nur: wie?

    Mich macht das jedes Jahr etwas wütender. In Deuschland, vor dem Grundgesetz, unter unseren Augen. :(

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