Gerade in Mathematik ist es oft nicht wesentlich, was genau man lernt. Das Wesentliche sind die Strukturen, die man dabei erwirbt. Natürlich muss man Grundschulkindern keine vollständige Induktion beibringen, weswegen sich auch erübrigt, zu vermitteln, wie man das vermittelt. Aber vollständige Induktion zu verstehen ist eine Denkleistung. Die zu vollziehen ist, unabhängig davon, ob man das nachher braucht, hilfreich. Oftmals versteht man das aber erst Jahrzehnte später.
Der Ausgang dieser Klausur bestätigt nur, wie wichtig es ist, dass auch Grundschullehrer solide fachliche Grundlagen mitbringen. Denn unsere Mathematikausbildung an den Schulen ist offenbar mangelhaft. Ich kann nicht fassen, welche Lücken Schüler an die Sekundarstufe II mitbringen. Sie haben eine Fachoberschulreife, können aber keine Gleichung aufstellen, wissen nicht, was 10 Prozent Steigung bedeuten, fürchten sich vor Bruchrechnung und sind nicht in der Lage, ihre Abneigung auch nur eine halbe Stunde mal zu vergessen und zuzuhören. Zum Verzweifeln. Wie soll man Schülern die Differentialrechnung beibringen, die immer noch aus Summen kürzen? Diese Verzweiflung ist längst in den Hochschulen angekommen. Ich kann schon in der Sek II viele Schüler nicht mehr da abholen, wo sie stehen, denn dann müsste ich bei den Grundrechenarten anfangen, und die Hochschulen können das erst recht nicht.
Und wenn man mit der Vorstellung heranwächst, dass Mathe nur was für selbstverliebte Spezialisten ist und man für die Grundschule im Wesentlichen mit dem Zahlenraum bis 1000 auskommt, kann es ja nur schiefgehen.
Offenbar fördert die Schule auch die Konsumentenhaltung, die die Studierenden immer noch beibehalten. Natürlich kann man sich auch unabhängig von der Schule auf ein Studium vorbereiten! Es gibt Schnupperkurse, Brückenkurse, Internet, Bücher etc. - klar denkende Menschen nehmen diese Angebote auch wahr. Aber plopp, schon werden wieder die Lehrer beschuldigt. Niemand muss Abitur machen. Aber wer es macht, sollte es auch wollen. Und wer studieren will, kann sich informieren, wie das geht.
Ich sage es meinen Schülern immer wieder, dass ihnen an der Uni keiner mehr ihre Brocken hinterherträgt und dass ich das deshalb auch nicht tue. Natürlich muss man sich immer fragen, woran es liegt, wenn Klausuren schlecht ausfallen. Aber ich muss mir auch nicht jeden Stiefel anziehen.
Es gibt doch Erhebungen, wonach Kinder heute unbeweglicher und ungeschickter sind als früher. Liegt das am Sportunterricht? Wohl kaum!
Was kann man denn nun tun? Bessere Lehrer einstellen? Ja, sicher. Vielleicht heißt das, 94 Prozent auszusieben 