Beiträge von craff

    Dann führ ihn halt engmaschiger, wenn er mit allgemeineren Aufgaben schlecht umgehen kann, Texte ergänzen etc., und lob ihn - mündlich - für die Abschreibleistung. Fünf Seiten ist ja echt nicht schlecht. Aber führ keinen Kampf mit den Eltern mittels Zeugnissen und Aufsatzkorrekturen. Wie Du das jetzt beschreibst, scheinen sie ja vor allen Dingen hilflos zu sein. Nicht korrigieren ist halt gewagt, da setzt Du Dich ja selbst ins Unrecht. Würde ich mit schwierigen Eltern eher nicht machen, das könnte sonst gegen Dich verwandt werden.


    craff

    Hallo Luna,


    Lass Dich von den Eltern nicht in einen Kampf um die Deutungshoheit zwingen und das Kind in einen Loyalitätskonflikt zwischen Dir und seinen Eltern hereinziehen. Den kannst Du als Lehrerin nur verlieren. Den Aufsatz würde ich korrigieren - insbesondere die alte Rechtschreibung - und darunter alles ansprechen, was Dich gewundert hat, dabei das Kind direkt anreden à la
    "Liebe .... Ich war überrascht über Deinen so langen ausführlichen sorgfältig formulierten Aufsatz. Könnte es sein, dass du dir bei diesem Aufsatz Hilfe geholt hast?"


    So bringst Du vor allem mal das Kind zum Nachdenken, insbesonders dann, wenn es sich die Hilfe nicht geholt hat, sondern sie ihm aufgezwungen wurde, was Du ja letztendlich nicht weißt.


    Sonst bist Du in Gefahr, genau wie es die Eltern tun, auch über das Kind hinweg zu agieren, das würde ich unbedingt vermeiden!!!


    So signalisierst Du vor allem dem Kind, dass es selber gemeint ist, denn schließlich ist das ja der Sinn der Hausaufgabe und zeigst den Eltern, dass Dir die Hilfe nicht entgangen ist, entlarvst sie aber nicht. Bei einem Elterngespräch würde ich das Thema im Konjunktiv ansprechen. Wenn die Eltern dann das Gegenteil behaupten, kannst Du immer noch in freundlichem Ton sagen, Du hättest Dich wegen der alten Rechtschreibung stark gewundert, weil das Kind aus der Schule nur die neue kennt. Diesen Gesichtsverlust tun sich die Eltern sicher nicht allzu oft an. Und wenn diese Eltern unbedingt mit ihrem Kind zu Hause Aufsätze üben wollen, so what? Kannst Du eh nicht verhindern. Erlaube es Ihnen einfach ausdrücklich. Komm den Eltern nicht mit dem Schulkonzept, wenn sie sich eh anders verhalten. Sag ihnen nur freundlich, sie sollen bitte die Aufsätze kurz kennzeichnen, bei denen sie mitgearbeitet haben, sonst würden sie Dich in Verwirrung stürzen, wenn die Leistung zu Hause so grundverschieden von der in der Schule ist und Du von den Hausaufgaben weniger Hinweise bekommst, wo Stärken und Schwächen des Kindes liegen. So hast Du alles angesprochen, aber startest keinen Krieg mit den Eltern, weil der niemandem nützt.


    Und dem Kind signalisierst Du zugleich, was diesmal mit Hilfe der Eltern schön war, kannst du nächstes Mal gewiss allein. So bleibt Dein Kontakt zum Kind besser und Du Herrin der Situation.




    craff

    Mit einem meiner Kinder bin ich vor zwei Jahren den umgekehrten Weg ggangen, weg von einer reformpädagogisch arbeitenden Schule - allerdings nicht Waldorf - mit jahrgangsübergreifendem Unterricht, Wochenplänen, Lesen durch Schreiben nach Reichen, später Rechtschreibwerkstatt nach Sommer-Stumpenhorst, Werkstattunterricht, fächerübergreifendem Lernen, Projektarbeit, außerschulischem Lernen, Lernentwicklungsgesprächen anstelle von Zeugnisse/Berichten, rhythmisiertem Tagesablauf/Ganztag etc. hin zu einer sehr traditionell arbeitenden Klasse, die ich gar nicht einfach gefunden habe: Halbtagsschule, Jahrgangsklasse, Noten, Fächer, anfangs Fibelunterricht. Das gesamte Klassenklima war viel viel ruhiger und mehr aufs Lernen als aufs Organisieren ausgerichtet. Mein Kind war unglaublich erleichtert. Diese sehr traditionell unterrichtende schon ältere Lehrerin hat selbstverständlich auch das gesamte vorgesehene Evaluationsprogramm abgeleistet, aber ohne viel Aufsehens, eher nebenher, und hat es wohl auch genauso verstanden, wie es ursprünglich gemeint war, nämlich als Information über ihre eigene Arbeit, nicht als Folterinstrument für Schüler. Wir Eltern haben erst das Ergebnis, vorher nicht mal den Termin erfahren. Training to the test gabs vorher nicht, auch keinerlei Druck auf die Eltern. Das war übrigens für mich das allertollste, diese unglaubliche Entlastung von dem Druck, der trotz Reformpädagogik doch permanent herrschte und die Erleichterung in der traditionellen Klasse, mein Kind nicht mehr selber unterrichten zu müssen. Die Ergebnisse der Vergleichstests dieser Klasse waren übrigens spitzenmäßig.
    Ich glaube, in Deiner dritten Klasse bricht sich gerade die gesamte Widersprüchlichkeit unseres Bildungssystems. In die Grundschulen werden Verfahren hereingespresst, die einst in Reformschulen entwickelt wurden (in Bielefeld haben bekanntlich die universitären Eltern den Bildungsweg ihrer Sprösslinge in der extrem gut ausgestatteten Reformschule "evaluiert"), ohne jede Untersuchung, was für Auswirkungen diese Verfahren eigentlich auf Normalschulen mit ihrer normalen personellen und Sachausstattung haben. Alles wurde dem Ziel des "eigeninitiierten Lernens" untergeordnete und viel Traditionelles, was interessanterweise, nun wieder das Neueste vom Neuesten der Forschung ist, guck mal hier: http://www.uni-frankfurt.de/fb…fluency_dgls_text.htmlist auf den pädaogischen Müllhaufen gekippt.
    Da die Ergebnisse immer schlechter wurden, wurde dann von oben kompensatorisch der Druck erhöht, damit meine ich höhere Eingangsvoraussetzungen zum Gymnasium, G8, Bologna-Prozess mit Einführung von Bachelor/Master etc.
    Und Euch Grundschullehrern wird jetzt das ganze daraus resultierende Elend vor die Füße gekippt. Eben sollten die Schüler noch völlig selbstgesteuert in freier Begeisterung für die Sache sich Lesen, Schreiben und Rechnen eigeninitiativ aneignen, jetzt sollt ihr evaluieren, was das Zeug hält und jeder weiß, hier gehts in Wirklichkeit um den Endspurt auf die weiterführenden Schulen. Sommer-Stumpenhorst erzielt übrigens laut einer medizinischen Studie weitaus schlechtere Ergebnisse als die Arbeit mit der Lollipop-Fibel. Nach vier Jahren ist der Unterschied ja angeblich nicht mehr stark, aber in diese Zeit fällt ja auch der immense Druck, den Deine Eltern beklagen...


    Nun, soweit man raten kann, versuch den Druck von den Kindern zu nehmen bei gleichzeitig gutem Unterricht. Muss es denn Sommer-Stumpenhorst sein? Ich kenne übrigens etliche Waldorf-Eltern, die sich bitter beklagen, und einmal dort angefangen, sich als Gefangene dieses Systems empfinden. Privatschulen, für die Eltern ordentlich zahlen, haben es halt immer etwas leichter. Das Zurück, wenns dort schlecht läuft, ist halt alles andere als trivial. Zumindest das würde ich Deinen wechselfreudigen Eltern zu bedenken geben. Und für die echten Legastheniekinder gibts ja Notenschutz.

    sarahkatha:


    Offensichtlich scheint Dein Schüler ja extreme Probleme mit der phonologischen Diskriminierung zu haben, daher würde ich diesen so völlig erfolglosen Weg, erst zu hören, und dann zu schreiben sofort verlassen, sondern andersherum arbeiten. Kannst Du mit ihm denn intensiv direkt - also in einer 1:1- Situation arbeiten? Dann biete ihm halt langsam Buchstabe für Buchstabe an und achte darauf, dass Du und er immer simultan mit dem Schreiben eines Buchstabens diesen - und nur diesen - gemeinsam aussprechen. Wichtig ist hier die absolute Simultanität: Buchstabe sehen, nachspuren, gemeinsam aussprechen nicht hintereinander, sondern wirklich gleichzeitig. Und diesen Vorgang in Schleifen immer wiederholen. Danach kannst Du langsam anfangen einfachste Silben und Wörter zusammenzubauen.


    So in etwa geht das Intraactplus-Konzept in seinem Schreibanteil vor. Es ist ein Druckschrift-Lehrgang.


    Allerdings würde ich mir bei diesem Schüler sehr genau überlegen, ob ich nicht statt mit Druckschrift (wie bei Intraactplus) mit der Schreibschrift arbeiten würde. Er hat ja bisher schon sehr viel Zeit verloren. Druckschrift ist dem Schüler schon vom Lesen vertraut, das wäre der einzige Vorteil in meinen Augen. Schreibschrift - wenn Du nicht die verschnörkelte Lateinische Ausgangsschrift, sondern die Schulausgangsschrift verwendest, hat den Vorteil, dass die Bewegungen sehr viel flüssiger laufen können und nicht so abgehackt sind und dass Wortgrenzen viel eindeutiger markiert sind - ein wesentlicher optischer Vorteil bei akustischen Problemen.


    Berichte doch mal, wie Du vorgehst und ob sich etwas bessert!


    craff

    Talida: Offensichtlich scheinst du eine der wenigen zu sein, die so eine Unterrichtsform im Griff haben, wenn bei Dir alle bis auf die Eltern zufrieden sind. Ich hingegen habe auch beim dritten Kind keine echte Besserung erlebt. O-Ton meines Kindes: Und da soll ich neben einem Erstklässler sitzen und nichts tun außer warten, bis der einen Fehler macht, damit ich ihn verbessern kann. So langsam, wie der schreibt, macht der doch fast keine Fehler.


    Es gibt auch in dieser Schule Jahrgangsunterricht, allerdings nie geteilt, sondern zusammengesetzt aus zwei Eingangsklassen. Der dann durchgeführte Lehrgang, um alle Zweitklässler in wenigen Stunden auf Linie zu bringen, ist starr und undifferenziert. Ergebnis: Mein Kind wird oft verdonnert, recht lange still auf seinem Stühlchen zu sitzen und zu warten, wenn es schon fertig ist. Das wird mir als Teil des Konzeptes verkauft. Die Lehrerin argumentiert, dass sie bei den wenigen Stunden für Jahrgangsunterricht nicht auch noch differenzieren kann. Wäre es das erste Mal, dass ich das so oder ähnlich erlebe, würde ich denken, es läge an den Lehrern. Nun ists aber das dritte Mal mit unterschiedlichen Lehrern. Da glaube ich halt an einen Systemfehler. Kleingruppen mit zwölf Kindern, wie Du es beschreibst, gibt es halt nicht.


    Nun haben wir eine Liste mit detaillierten Anweisungen erhalten, wie wir uns Aufgaben selber ausdenken und zu Hause mit den Kindern üben sollen. Ganz normalen Schulstoff übrigens, nicht Anziehen, Schuhezubinden und Händewaschen. Die echte positive Neuerung gegenüber meinen anderen Kindern war, dass wenigstens mal ausgesprochen und nicht verheimlicht wurde, dass die Kinder in der Schule nicht allen Stoff des Jahrgangs lernen. Danke, aber dafür schicke ich das Kind ja eigentlich zur Schule. Und mit vier Kindern und eigenen Schülern gehen mir auch ohne solche Anweisungen die Ideen für nachmittägliche Beschäftigung nicht aus. Nun, zusammengefasst, fühle ich mich dem ganzen ziemlich ohnmächtig ausgeliefert. Zumal ich erlebt habe, dass es auch anders, besser, laufen könnte.


    Daher meine Frage: Wer von Euch hat echte eigene Lehrerfahrungen mit Erst- und Zweitklässlerunterricht in beiden Formen bei gleicher personeller Ausstattung? Anders kann mans ja nicht vergleichen. Und wie beurteilt Ihr das?

    caliope


    Von mir kommt eine Eltern-, keine Lehrerantwort. Von meinen vier Kindern hat eins nur Jahrgangsunterricht erlebt, zwei nur Eingangsstufe, eins ist in der zweiten Klasse von der Eingangsstufe in Jahrgangsunterricht gewechselt.


    Ich habe in allen Klassen hospitiert und kann daher einiges zu den Unterrichtsformen sagen. Vorteile der Eingangsstufe für Zweitklässler kann ich nicht erkennen.
    Im direkten Vergleich kann ich sagen, dass Jahrgangskinder in allen Unterrichtsfächern deutlich weiter sind, geübter Stoff besser sitzt, sie sich im Umgang untereinander sozialer verhalten und zufriedener sind, weil mehr altersgleiche Kinder für Freundschaften zur Verfügung stehen. Wenn Eingangsstufenkinder jahrgangsübergreifend enge Freundschaften geschlossen haben, verlieren sie diese nach einem Jahr wieder und müssen sich sozial neu einsortieren. Diese bittere Komponente wird fast nirgendwo benannt, wenn es um die Eingangsstufe geht! Auch müssen sie sich schon früh an neue Lehrer/innen gewöhnen. Sonst gilt in Brandenburg meist 1-3/4-6, die Eingangsstufe hat in der Regel 1+2/3+4/5+6.


    Bei Hospitationen stach mir zuallererst ins Auge, dass Eingangsstufenlehrerinnen weitaus mehr Zeit für organisatorische Dinge aufbringen müssen. Die direkte fachliche Instruktionszeit pro Schüler nimmt deutlich ab. Ich habe die Lehrer fast nur dirigierend erlebt, welches Blatt wo geholt, wo einsortiert werden muss, wo welcher Ordner hinkommt, welches Material wo geholt werden muss etc.


    Die Eingangsstufe zwingt Lehrer dazu, eher indirekte Lehrmethoden anzuwenden, z.B. Wochenpläne, Werkstattarbeit etc. Dies ist mit einer wahren Kopier- und Laminierorgie verbunden. Insbesondere schwächere Schüler bzw. Schüler, die nicht so gut organisiert sind, leiden hierunter erheblich. Wenn nicht genug Personal zur Verfügung steht, die Schüler in kleinen Gruppen klassenstufenweise zusammenzufassen (was im übrigen ja jeder Art von Unterricht positiv zugute kommt) werden Kinder mehrerer Eingangsstufen partiell jahrgangsweise unterrichtet, d. h. dann müssen ständig mehrere Klassen koordiniert werden, ohne besonderen pädagogische Effekt auf die Schüler. Das bringt viel Unruhe. Spontane Reaktionen auf Unterrichtsthemen - z.B. spontane kleine Ausflüge, habe ich daher in Jahrgangsklassen häufiger erlebt. Der Lärmpegel in Eingangsstufenklassen ist höher.


    Jahrgangsweise wird in der Regel so unterrichtet, dass es eine direkte Unterweisung für die ganze Klasse gibt. Dann können alle Kinder anfangen zu arbeiten. Die Lehrerin hat Zeit, sich um die Schwächeren und/oder die Schwierigen in enger direkter Anleitung zu kümmern und kann anschließend Extra-Aufgaben an die Schnellen verteilen. In Eingangsklassen - verbunden mit indirekten Methoden, bei denen jeder nach seinem Tempo arbeitet - erklärt die Lehrerin jedem Kind einzeln alles. Das bedeutet, dass die Gesamtinstruktionszeit pro Kind deutlich reduziert ist und - schlimmer noch - manche Kinder komplett durchs Lehrerraster fallen können. Die Spannbreite - auch innerhalb einer Klassenstufe - wird größer, Lehrer werden eher Wissensverwalter als Wissensvermittler und sie bekommen gleichzeitig eine eigentümliche Diagnostikfunktion zugewiesen.


    Es wird mehr LRS, Dyskalkulie, ADHS etc. festgestellt. Diese Auffälligkeiten werden dann im besten Fall gesondert gefördert, oft aber auch nur individuell als scheinbare Pathologie diagnostiziert. Scheinbar sage ich deshalb, weil ich denke, dass die Methodik einen erheblichen Einfluss hat.
    Und hier meine eigenen ca.-Zahlen, wobei ich dazu sagen muss, dass in den von mir beschriebenen Klassen die Eltern der Eingangstufe tendentiell höheren Einkommens-/Bildungsschichten entstammten als der Jahrgangsklasse und dagegen in der Jahrgangsklasse mehr früher eingeschulte Kinder waren als in der Eingangsstufe.


    Jahrgangsklasse: 1 LRS/25
    2 Dykalkulie/25
    1 ADHS/25
    kein Sitzenbleiben/25
    8 LuBK/25


    Eingangsstufe: 12 LRS/25
    mehr Dyskalkulie/25
    mehr Unruhe/25
    5 drei Jahre Eingangsstufe/25
    1 LuBK/25


    LuBK= Leistungs- und Begabungsklasse, die Möglichkeit in Brandenburg, Schüler ab der 5. Klasse auf ein Gymnasium zu schicken, betrifft, wenn ich mich nicht täusche, ca. 20-25% der Fünftklässler Brandenburgs. Der Aufnahme geht eine landeseinheitliche zusätzliche prognostische Untersuchung voraus. Der LuBK-Schüler der ehemaligen Eingangsstufe wurde von seiner Mutter quasi parallel unterrichtet.


    Der Eingangsklassenunterricht ist stärker als jede andere Unterrichtsform von der Lehrerpersonality abhängig. Wer also in derart heterogenen Klassen für Ruhe und dauernde Arbeitsatmosphäre und ein gutes soziales Klima sorgen kann, jederzeit mitbekommt, wo ein Kind schwächelt und sofort eingreifen kann, die Kinder motivieren kann, sich jederzeit gegenseitig zu helfen und selbst immer die doppelte Vorbereitungszeit pro Thema in Kauf nimmt, der kann - auch in der zweiten Klasse - gute Ergebnisse schaffen. Ich habe das bisher von Zweitklässlereltern einer einzigen Eingangsstufe gehört und weiß von der betreffenden Lehrerin, dass sie privat überhaupt gar nichts anderes mehr gemacht hat, als Unterricht vorzubereiten. Nur: ein solcher Engel würde wahrscheinlich auch jede Jahrgangsklasse zu Höchstleistungen anstiften.


    Die Eingangsstufe macht meiner Meinung nach ausschließlich dort Sinn, wo wegen zu geringer Schülerzahlen Schulen schließen müssten und ansonsten erheblich längere Schulwege in Betracht kämen.


    craff

    Ich finde die ganze Reihe von Axel Scheffler/Julia Donaldson selbst in der deutschen Übersetzung wunderschön. Schau sie Dir mal an. Reine Sahne ist natürlich die englische Originalvariante...Machs einfach später noch mal auf Englisch.

    Meine Empfehlung geht in die gleiche Richtung viel Astrid Lindgren, auch die kleinen Bücher für Erstleser, genial finde ich Philip Ardagh, die ganze "Schlimmes Ende"-Reihe. Nicht vergessen, Bücher für Jungs, in erster Linie Guinness Buch der Rekorde und ähnliches. Comics, z.B. Asterix Sammelband, für ältere Kinder die herzergreifenden Comicgeschichten von Marjane Satrapi. Krabat von Otfried Preußler darf nicht fehlen, für die jüngeren sind Die kleine Hexe und Wanja immer noch nett. Von Cornelia Funke finde ich die größeren Werke ok, "Die wilden Hühner" sind sprachlich sehr schlicht, mögen nicht alle Kinder." Latte Igel" ist auch noch eine gute Empfehlung. Die Kunstbücher von Claire D'Harcourt sind toll. Auch auf Deutsch klasse alles von Axel Scheffler und Julia Donaldson. Für den Englischunterricht würde ich allerdings die ganze Reihe auf Englisch kaufen.


    craff

    Also ich weiß nicht so recht, ob ich das überhaupt machen würde, zumindest ist es ja möglich, dass es eine sehr breite Einkommensdifferenz in der Klasse gibt. Wenn sich die eine ein neues Pferd wünscht und es demnächst auch bekommt und das andere Kind keinen Hamster halten darf, weil dafür kein Raum und Geld da ist, muss das nicht noch lang und breit rausgestrichen werden. Ich finde dieses Thema richtig heikel. Wie mans auch dreht und wendet, unterschiedliche Einkommenssituationen der Elternhäuser werden damit automatisch zum Thema gemacht. Ob das so klug ist...


    craff

    Bei Lichte besehen, hat Fiona ja in Deinem Auftrag gehandelt, schließlich hast Du sie ja nebeneinander gesetzt, damit Daisy Fiona hilft. Wenn Fiona jetzt meint, auf Hilfe einen Anspruch zu haben, den sie mit Karacho durchsetzen kann, so musst Du Dir zumindest klar sein, dass Du das mit ausgelöst hast.


    Du solltest rauskriegen, was genau dahinter steht, ob nicht irgendeine Gewaltandrohung, von der Du noch nichts weißt, noch im Raum steht. Komisch finde ich, dass ein Kind, nur weil es etwas helfen soll, gleich Bauchschmerzen bekommt. Wird sie von zu Hause unter Druck gesetzt, nicht zu helfen?
    Wenn Gewalt im Spiel ist, setz beide sofort auseinander. Ansonsten halte ich das Dilemma, das man als Lehrer mit dem Hilfeauftrag in Gang setzt, für Schüler schwer zu ertragen - helfen ja, aber bloß nicht zu laut, nicht zur falschen Zeit, nicht dem falschen Schüler etc.


    Entlaste die Schüler doch von dem Hilfeauftrag. Ermutige zuerst Fiona, sich an Dich zu wenden, wenn sie etwas nicht versteht, vielleicht ist sie ja davon überzeugt, in der Schule muss man sich Hilfe von Mitschülern erpressen, wenn man sie anders nicht bekommt.


    Und dann ermutige Daisy, dass sie durchaus helfen darf, aber es nicht unbedingt tun muss, denn schließlich bist Du die Lehrerin. Sag ihr, dass sie sich an Dich wenden kann, wenn sie etwas bedrückt.


    Und dann setz Dir eine Zeit - z.B. eine Woche, in der Du schaust, ob sich was zum positiven verändert. Wenn nicht - setz sie auseinander.
    So behältst Du das Heft in der Hand, machst Dich nicht zum Befehlsempfänger von Daisys Mutter und hast Fiona nicht automatisch als ungeliebten Sündenbock und Karusselkind abgestempelt.


    craff

    steffchen:


    Hier solltest Du aber Grundschüler von Jugendlichen trennen. Die Grundschüler mögen es schon sehr, von ihren Lehrern im ganz wörtlichen Sinne "angesehen" und "anerkannt" zu werden. Nicht ohne Grund bedeuten diese Wörter ja Hinwendung, Blick und Wertschätzung zugleich. So funktioniert eben das menschliche Hirn. Und Hinwendung wissen natürlich auch Jugendliche zu schätzen. Im jugendlichen Alter erfährt das Gehirn dann noch einmal eine ziemliche Umstrukturierung und - ganz grob vereinfachend gesprochen - zwischen die unmittelbare Funktion der Spiegelzellen wird im Endeffekt als Kontrollinstanz die Stirnhirnrinde geschaltet. Das ist aber ein langer und schwieriger Weg, wie wir Lehrer von Heranwachsenden wissen.
    Wenn also die Grundschule den Weg der direkten Instruktion nicht genügend genutzt hat und die Schüler nach Übertritt auf die weiterführenden Schulen noch einmal gezwungen werden, eigentlich altersungemäßen Lehrstoff zu bearbeiten, (basale Rechtschreibung, basale Grammatik, Grundrechenarten, ich meine hier nicht ausgefeilte Varianten der Groß- und Kleinschreibung oder des Konjunktivs) fehlt doch die Zeit für altersgemäßere Lehrformen. Jugendliche wollen schließlich die Welt neu erfinden und das sollten sie auch tun dürfen. Wenn aber Grundschüler mit der ja für Jugendliche durchaus tauglichen indirekten Methodik unterrichtet werden und Jugendliche daher anschließend Grundschulfähigkeiten nachholen müssen, wird insgesamt das Pferd von hinten aufgezäumt.


    heloise:


    VERA und IGLU sind ja zwei verschiedene Schuhe. training to the test verzerrt natürlich die Ergebnisse, hat aber auch einen intrinsischen Lerneffekt. Wie das bei IGLU organisiert war, weiß ich nicht. Die veröffentlichten IGLU-Texte fand ich doch so kniffelig, dass nur genaues Lesen in der Situation weiterführen konnte. Eine Verzerrung durch Üben kann dann ja nur Lesenüben bedeutet haben. (Aber IGLU gehört ja wirklich in die Kategorie Lesen und eigentlich nicht in diesen thread, ich habs ja auch nur als Hinweis für eine andere These benutzt.) Bei IGLU wurde ja nahezu ausschließlich die rezeptive Sprache, nicht aber die expressive Sprache überprüft. Meiner Beobachtung nach liegen genau dort aber die allergrößten Probleme.

    caliope:


    Bisschen kurzfristig zu organisieren, aber lass doch die Eltern an ein paar Stationen einfachste Bastelarbeiten anbieten, für Eltern und Geschwister.
    Du brauchst nicht selbst zu basteln,Angebote kommen sowieso nur von den Eltern, die selbst gerne basteln, stachelt aber meist die anderen an, die die Basteleltern auch mal ablösen. Und alle sind beschäftigt.




    craff

    Dave


    auch pädagogisches Allgemeingut kann in der realen Unterrichtspraxis beachtet oder missachtet werden. Und Sommer-Stumpenhorst bedeutet ja gerade nicht: direktes Vormachen und simultanes Nachmachen, kombiniert mit simultanem Sprechen, wie es sowohl Erfahrungswissen älterer Kollegen als auch neueste Hirnforschung nahelegen. Bei Sommer-Stumpenhorst sollen Kinder doch selbstentdeckend lernen, oder habe ich da was falsch verstanden? Ich gebe Dir natürlich völlig recht, dass man einen Fibelunterricht so ätzend gestalten kann, dass keiner dabei was lernt.



    Bei IGLU habe ich wohl etwas verkürzt und unverständlich geantwortet und - hier gehts ja ums Lesen- wollte damit nur darauf hinweisen, dass die Daten meine These der elterlichen Zufütterung der guten Schüler zumindest stützen. Auffällig ist die riesige soziale Diskrepanz, die hierzulande schon in der Grundschule besteht und die durch die schulischen Maßnahmen, die ihr entgegenwirken sollten, Stichwort individualisiertes Lernen, nicht reduziert werden konnte. Anders ausgedrückt, die schlechteren Schüler erreicht man mit schulischen Maßnahmen nicht mehr. Bei den besseren gibt es eine erhebliche stärkere Anstrengung von Eltern, ihre Kinder direkt zu unterweisen. Die vielen für Eltern gemachten Schulbücher schon ab der ersten Klasse, die seit ca. fünf Jahren in jeder Buchhandlung zu haben sind, sprechen doch wohl Bände. Außerdem stöhnen fast alle Schülereltern darüber - vielleicht nicht direkt vor dem Lehrer.


    Zusammengenommen noch mal meine These: Eltern/Nachhilfeinstitute haben Teil am verbesserten IGLU-Durchschnitt. Bei den schlechten Leistungen gibt es kaum Veränderungen, daher das nach unten - nicht nach oben! - verbreiterte Konfidenzintervall. Das jedenfalls lese ich aus den mit Mittelwert und zwei Standardabweichungen veröffentlichten Grafiken. Vertiefenden Text kenne ich noch nicht.


    craff

    Dave:


    habe noch einen weiteren hochinteressanten Artikel des gleichen Autors gefunden. Hier steht der Absatz über Spiegelneurone auf Seite 4.


    http://www.svs.hamburg.de/index.php/file/download/3352


    Begründung: Wenn einem Kind etwas vorgemacht wird, wirkt das Anschauen ansteckend. Die Spiegelneurone bewirken die Aktivierung der korrespondierenden motorischen Hirnareale des Kindes allein beim Zuschauen, noch verstärkt durch Aufforderung zum Nachmachen. Umgangssprachlich nennt man dieses Phänomen Nachahmungstrieb. Gibts schon bei wenigen Tagen alten Säuglingen und ist besonders aktiv bei allen Funktionen, die mit Händen und/oder Sprache zu tun haben. Erwachsene kennen dieses wahrhaft ansteckende Phänomen vom Gähnen oder Lachen, bei Kindern ists erheblich ausgeprägter, weil sie die beim Erwachsenen vorhandenen hemmenden Funktionen noch nicht besitzen. Kommt erst etwa in der Pubertät.


    Wenn diese Grundanlage zum Lernen nun nicht genutzt wird und Grundschüler sich Sprache nun vorzugsweise durch indirekte Methoden aneignen sollen, gehts bei denen besonders gut, die die fehlende direkte Unterweisung in der Schule zu Hause durch Mami nachgeliefert bekommen. Die anderen bleiben viel eher auf der Strecke und werden in der Klasse unruhig. Kommt vielleicht dem einen oder anderen bekannt vor...


    So jedenfalls deute ich die IGLU-Daten.


    craff

    row-k und alle Interessierten:


    Ich habe einen sehr schönen verständlichen Aufsatz über Hirnforschung, Anerkennung - meinst Du das mit Ansehen? - Motivation und Lernen am Vorbild gefunden.


    http://www.seminare-bw.de/serv…6/ssembs_080711_Bauer.pdf


    Hierin, etwas versteckt ein kleiner Hinweis auf die Spiegelneurone - das neuroanatomische Korrelat dessen was man gemeinhin Nachahmungstrieb nennt. Wird heutzutage in der Grundschule entschieden zu wenig fürs Lernen genutzt.


    Schönen Dritten Advent


    craff

    row-k und alle, die es nicht fassen können:


    Im letzten Jahr ist von Jansen/Streit das Werk "Lesen und Rechtschreiben lernen nach dem IntraAct plus Konzept" erschienen. Die Autoren haben nach neuesten Erkenntnissen der Lernforschung unter Zuhilfenahme von Erkenntnissen, die mit funktionellem Neuro-Imaging gewonnen wurden, eine für deutsche Verhältnisse völlig neue Herangehensweise geschaffen, die mich sehr an aktuelle Entwicklungen im Leselernprozess angelsächsischer Länder erinnert und ebenfalls an vieles, was schon seit längerem in Russland (bekannlich IGLU-Sieger) Standard ist.


    Bei diesem Konzept wird zu Beginn das Hauptaugenmerk auf die Automatisierung gelegt. Es wird zwar nicht wie bei Dir an die Tafel geschrieben,es funktioniert am Anfang mit überdimensionierten Lesekarten, aber das Element, im Chor laut zu sprechen, ist neben Einzel- und Gruppenarbeit ebenfalls vorhanden. Erwachsenen kommt dieses Automatisieren langweilig vor, für Kinder, für die ja ohnehin alles neu ist, wenn sie Lesen lernen, ist es ein großes Vergnügen - das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen.
    Ich kann mir vorstellen, dass Dich das auch für Deine Nachhilfeschüler interessiert und Du Deine Methodik vielleicht noch optimieren kannst. Das Werk ist nicht in einem Schulbuchverlag, sondern im renommierten Springer-Wissenschaftsverlag erschienen, hat dort sicher weniger Marketing-Macht als Werke der großen Schulbuchverlage hinter sich, aber ist gewiss, wie alles, was dieser sehr gute Verlag ins Programm aufnimmt, gut evaluiert.
    Mir sind bisher keine - von mir immer so vehement geforderten - Studien bekannt, dafür ist die Methode wohl noch zu kurz erhältlich. Einzelberichte von Schulen, die sie angewandt haben, berichten von einer Lernzeitverkürzung auf die Hälfte. Das kann ich ebenfalls bestätigen. Bei amazon gibts eine recht aufschlussreiche Sammlung von Einzelkommentaren bisheriger Anwender.


    Zusammengefasst: Du befindest Dich mit Deiner Art des "Ei-Lernens" auf dem aktuellen Stand der neurophysiologisch gestützten Lehrmethodik.

    Ja, und ich habe den Eindruck, bei meinen schwächeren Schülern kommt nicht mehr als das von Petersen angestrebte Standardprogramm an. Damit kann man aber heute in einem Lehrberuf nicht mehr bestehen, denn dort sind die Anforderungen - wie auch überall sonst - gestiegen.



    Ich habe nirgends so viel Tabus, Denk- und Kritikverbote erlebt wie im Gespräch mit nach Peter Petersen arbeitenden Kollegen. Stets wurde mir das Gefühl vermittelt ,es mit einer Art Sekte zu tun zu haben, an deren innerer Erleuchtung ich leider nicht teilhaben könne, solange ich noch kritische Fragen stelle. Dazu passt auch, selbst auf dringliche Nachfrage niemals valide positive Studien angeboten zu bekommen. Alles, was kam, erfüllte kein einziges wissenschaftliches Qualitätskriterium, sondern ist schlichtweg Marketing, oder sollte man besser sagen, Propaganda. Niemals hatte ich den fruchtbaren und gewinnbringenden Eindruck, der sich einstellt, wenn man Zaungast bei einer mit offenem Visier geführten wissenschaftlichen Kontroverse sein darf. Und selbst nachdem ich mich selbst aktiv auf die Suche nach positiver Datenlage begeben habe, habe ich nichts entdecken können.

Werbung