Frage zur Lautstärke im Unterricht

  • Liebe Lehr-Profis,


    ich habe eine Frage zu Lautstärke und Aufmerksamkeitslevel in der ersten Klasse im Musikunterricht, vielleicht kann mir jemand ein paar Tipps geben?
    Die Rahmenbedingungen sind folgende: Ein sehr großer Raum, eine wunderbare Musikanlage und wir haben fast vierzig Minuten (ich hole die Klassen aus ihrem Klassenzimmer ab und gehe mit ihnen gemeinsam in den Unterrichtsraum) Zeit zu rhythmischer Bewegungserziehung, zum Tanzen. Traumhaft, oder?
    Jede Stunde besteht aus Gespräch über das Thema, Liedern, spielerischen Bewegungsübungen und dem Erarbeiten einer Tanzchoreografie, passend zur Jahreszeit/ zum Unterrichtsthema/ für eine Aufführung, und Wiederholungen des vorher Gelernten, etc.p.p. Eigentlich toll, den Kindern bereitet das auch große Freude. Nur, ein Teil der Freude besteht wohl auch aus ausgedehntem Austausch verbaler Art mit der Freundin, oder gar körperlicher Art (Balgereien) mit dem besten Freund (oder Feind?), sobald ich den Klassen den Rücken zukehre, um z.B. eine CD zu wechseln, oder rhythmisches Material aus der Tasche zu holen...


    Und das nervt - gelinde gesagt - sehr.


    Nette Klassen sind`s, nette Kinder, aber sie scheinen kein Bedürfnis nach Ruhe für Konzentration zu haben oder im anderen Unterricht vermittelt zu bekommen?


    Oder, im selbstkritischen Modus gedacht, sind meine Ansprüche zu hoch?
    (In meinen Musikschulgruppen klappt das allerdings und übrigens wesentlich besser... Dies nur vorbeugend, ich habe Autorität, kein Durchsetzungsproblem, bin nicht unsicher, nicht ganz unstreng und unterrichte kleine und große Gruppen seit mehr als einer Dekade und das immer vorbereitet. In der Schule habe ich drei Jahre ausgesetzt und nun habe ich fast den Eindruck, die Sitten und Gebräuche hätten sich so sehr geändert? )



    Eure professionelle Meinung, gegebenenfalls auch als Korrektiv wäre mir wichtig und Freude zugleich! Liebe Grüße von der Musikatze

    Musik ist die Stenographie des Gefühls.
    Tolstoi

  • Hallo Musikkatze,
    mir kommt das Problem aus anderen Fächern bekannt vor. Manchmal habe ich daa Ggefühl, daheim erfahren die Kinder keien Erziehung (oder nur eine antiautoritäre?).
    Ich habe mit den Kindern zwei Vereinbarungen. 1. Nachholzeit. Wenn ich vorne stehe und etwas sagen möchte, warte ich, bis es ruhig ist. Dauert des länger als 1 Minute oder muss ich ständig warten, wird am Ende des Tages die verlorene Zeit aufgeschrieben. (Und müsste irgendwann nachgeholt werden, wenn 45 Minuten erreicht sind). Mittlerweile klappt es ganz gut, wenn ich demonstrativ auf die Uhr schaue.
    Das zweite sind :) :/ und :( Solange das :) an der Tafel hängt, ist die Lautstärke und das Benehmen ok. Ändert sich das Verhalten der Klasse, so ändert sich auch das Gesicht. Bei :( gibt es eine Strafe, bei fünf Lachgesichtern einmal Hausaufgabenfrei (allerdings ist das von den Sommerferien bis jetzt erst 2x vorgekommen).
    Ich hoffe, dass ich dir weiterhelfen konnte.
    Viele Grüße
    Lissy

  • Hm ... in der wievielten Stunde hast du diese Musikstunden? Vielleicht ist die Konzentration dann schon nicht mehr die beste?


    Ansonsten: egal, woran es liegt, versuch in jedem Fall, deine Ansprüche runterzuschrauben. 1. weil du dich dann weniger ärgerst, und dies auch überträgst und 2. weil ich denke, dass das für Erstklässler ein Stück weit schon noch 'normal' ist, und im Laufe des Jahres besser werden wird


    'meine' Erstklässler sind einfach ein Traum - zumindest verglichen mit den vorigen, die ich hatte *gg*; sie arbeiten wunderbar frei, und in dieser Zeit ist es wirklich angenehm ruhig und entspannt in der Klasse
    aber wehe, wenn ich versuche, frontal MITEINANDER etwas zu arbeiten - das dauert erst Mal EWIG, bis es ruhig ist; DANN fallen in null komma nix die auffälligen Kinder raus aus dem System und stören mit Kommentaren, rausrufen, rumwetzen, ... - einerseits ärgert mich das, andererseits ist mir natürlich bewusst, dass sie das ja gar nicht gewöhnt sind, und ich ihnen Zeit geben muss, es zu lernen.
    Also, weiterhin 'nicht unstreng' sein ;), aber dabei geduldig bleiben, dann wird das sicher bald gut laufen!

    • Offizieller Beitrag

    @Musikkatze


    Ich halte das für eine normale Musikstunde im 1. Schuljahr. Die Kinder haben einen großen Bewegungsdrang, den leben sie dort aus wo es möglich ist: Turnhalle, Pausenhof, Flur, Musikraum etc.
    Und sie haben schon gelernt, dass Lehrer das Balgen nicht gut finden, wenn sie es sehen. Also machen sie es nur, wenn du es nicht siehst. Sie akzeptieren dich also als Lehrerin / Chefin. ;)


    Ich habe im letzten Jahr mal mit Wochenstempeln gearbeitet: Am Ende der Woche gab es einen Stempel fürs Verhalten im Unterricht. Das hat bei einem Teil der Kinder gewirkt.
    Dann hatte ich in Instrumental-Musizierstunden einen Smiley an der Tafel und habe bei jeder Störung einen Teil abgewischt (ein Haar, ein Auge, ein Nasenloch etc. - anfangs hatte ich allerdings 12 Teile). Wenn alle weg waren, wurden die Instrumente eingesammelt. Das war für die Erstklässler eine klare Regelung. Bei den ersten Malen haben sie es oft erst nach dem 6. oder 8. weggewischten Teil mitbekommen, dass ich es ernst meine, dann brauchten sie eine Weile, um sich einzukriegen --> Instrumente wurden eingesammelt. Nachdem wir das ein paar Mal durchgezogen hatten, konnten sie das ganze so dosieren, dass mindestens die Gesichtsumrisse vom Smiley an der Tafel blieben und wir recht viel mit Instrumenten machen konnten.


    Ich hatte im letzten Schuljahr 2mal wöchentlich 5. Stunde Musik, das war sehr anstrengend. A
    ls Klassenleiterin habe ich den Vorteil, dass ich das dosieren kann: Hier mal 15 min, dort mal 30, auch mal eine Unterrichtsstunde, aber doch eher kürzere Phasen zur Auflockerung, das macht sich weitaus besser.


    Den ultimativen Tipp habe ich nicht, aber dein Unterricht hört sich schonmal sehr abwechslungsreich an.


    Conni
    PS: Ein guter Lehrer, wechselt die CDs hinter dem Rücken, während er die Klasse im Blick hat, ein Lied auf der Gitarre begleitet und zum Lied ein künstlerisch ansprechendes Bild an die Tafel zeichnet - selbstverständlich auch ohne hinzuschaun. Ich denke, das sollten wir im Studium / Vorbereitungsdienst alle gelernt haben! :D

    SCHOKOEIS!


    Ich lese und schreibe nach dem Paretoprinzip.

  • Danke für eure Ideen! Gut, aber für mich nicht so richtig umsetzbar, schließlich sind`s Stunden in einem großen Mehrzweckraum ohne Tisch, Stuhl und Tafel, dafür aber sehr viel Platz für rhythmische Bewegungsexperimente, Kreistänze, etc.


    Ich bin noch mal "in mich" gegangen und muss selbstkritisch zugeben, zu anspruchsvoll zu sein... Deshalb, neue Stunde - neues Glück und ein bisserl mehr Nachsicht von meiner Seite.




    Selbstkritische Grüße von der Musikatze (besonders an Conni! Ich werde mal das blinde Ertasten der Anlage üben =)

    Musik ist die Stenographie des Gefühls.
    Tolstoi

  • Ich habe gerade eine sehr interessante Theorie in einem Soziologiebuch von Nave-Herz gelesen, die sehr gut auf die von Dir beschriebene Situation passt. Eventuell können Erfahrenere damit auf eine Idee zur Lösung kommen:
    1. Familien werden kleiner. - Dies ist statistisch erwiesen
    2. Dadurch ändert sich die Interaktion in der Familie - These der Soziologen
    Aus einem Befehlshaushalt (autoritäres Verhalten) wird ein Verhandlungshaushalt (liberaler Erziehungsstil. Dies wird ermöglich und begünstigt durch die kleinere Gruppengröße und die Kindzentrierung der modernen Erziehung.
    3. Im Kindergarten und der Grundschule kommt es deshalb zu neuen Konflikten. - Schlussfolgerung: Weil Kinder in der Familie nicht mehr lernen (können) sich in größeren Gruppen zurechtzufinden, müssen sie dies nachholen. --> Neuer Erziehungsauftrag für Kindergarten und Grundschule.


    Vielleicht könnte man mit allen Lehrern der Klasse zusammen dies als ein weiteres Unterrichtsziel vereinbaren?

  • "Familie heute. Wandel der Familienstrukturen und Folgen für die Erziehung."
    Ist es dieser Titel?


    Diese These ist wirklich interessant, imho hat der Kindergarten per se hier längst reagiert, bzw. seine Arbeitsmethoden geändert, die Grundschule in Ansätzen sicherlich auch. Nur in den weiterführenden Schulen (Gymnasien) ist das noch nicht so ganz angekommen...


    Aber das wäre eine grundsätzliche Diskussion, für die Lösung meines Problemchens gäbe es nach dieser These nur eine grundsätzliche Möglichkeit: Das Tanzen als Gruppenaktivität, in der gruppenförderliches Verhalten als Freude erfahren werden kann, fällt aus zugunsten der üblichen egozentrierten Einzelbeschäftigung.... Mandalas Ausmalen klappt ja immer...



    Musikalische Grüße von Musi - heute am Rande der Ironie 8)

    Musik ist die Stenographie des Gefühls.
    Tolstoi

    Einmal editiert, zuletzt von musikatze ()

  • Ja, das ist der Titel. es folgt die vollständige Literaturangabe:
    Nave-Herz, Rosemarie: Familie Heute, Wandel der Familienstrukturen und Folgen für die Erziehung. Darmstadt: wiss. Buchges.,1994.


    Es gibt eine ganze Menge von Erkenntnissen, die konsequent zu Ende gedacht zu einer radikalen Änderung des Unterrichts und der Schule führen würden. Deshalb hört man besser rechtzeitig auf zu denken... ;)

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