Schüler mit schwierigen sozialen Bedingungen

    • Offizieller Beitrag

    Ich brauche mal eure Hilfe. Es gibt doch hier bestimmt ein paar Lehrer, die Schüler aus Brennpunktvierteln o.ä. unterrichten.
    Was kann ich als Lehrer machen, wenn im Elternhaus so "der Wurm drin ist", dass die Kinder u.a. schulisch immer mehr abgleiten?


    Ich habe gleich mehrere Schüler, die unregelmäßig zur Schule kommen, kaum Hausaufgaben machen, außerhalb der Schule Freunde haben, die großen Anlass zur Sorge geben (auf Näheres kann ich hier leider nicht eingehen) und die nicht nur in den Leistungen immer mehr abzurutschen drohen.


    Die Situationen sind verschieden, aber in allen Fällen sind die Eltern getrennt, die Elternteile, mit denen wir Kontakt haben, überfordert, zwar einerseits sehr traurig, setzen aber keine Grenzen oder kommen nicht an ihre Kinder ran.


    Es sind alles intelligente Kinder, aber die schulischen Leistungen gehen immer weiter runter und von Elternseite gibt es leider keine Unterstützung. Nun haben wir an der Schule diverse Möglichkeiten (Hausaufgabenbetreuung etc.), aber diese Dinge sind freiwillig und wenn die Kinder dort nicht erscheinen, kannn ich leider nicht mehr machen, als den Eltern Bescheid geben.


    Was kann man denn in so einer Situation bloß machen? Es ist schrecklich, mit anzusehen, wie Kinder, die man seit ein paar Jahren kennt und die eigentlich für unsere Schulform überdurchschnittlich intelligent sind, langsam immer mehr abrutschen.

  • In meiner Schule haben wir ähnliche "Problemfälle". Wenn ein Kollege oder ich eine solche Situation mitbekommen wird bei uns zunächst unverzüglich die Schulsozialarbeiterin eingeschaltet. Die führt ein Gespräch mit den Schülern, den Klassenlehrern und manchmal auch mit den Eltern. Wo es nötig ist, wird das Jugendamt eingeschaltet.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von Finchen
    In meiner Schule haben wir ähnliche "Problemfälle". Wenn ein Kollege oder ich eine solche Situation mitbekommen wird bei uns zunächst unverzüglich die Schulsozialarbeiterin eingeschaltet. Die führt ein Gespräch mit den Schülern, den Klassenlehrern und manchmal auch mit den Eltern. Wo es nötig ist, wird das Jugendamt eingeschaltet.


    Eine Sozialarbeiterin haben wir leider nicht, nur eine Beratungslehrerin ("normale" Lehrerin, aber mit speziellen Fortbildungen). Die kümmert sich schon um den eines dieser Kinder.


    Das Jugendamt ist in einem Fall schon beteiligt, wir Klassenlehrer haben auch schon diverse Gespräche geführt, auch mit dem Jugendamt und anderen betreuenden Instanzen. In einem anderen Fall überlegen wir noch, eventuell das Jugendamt mit einzuschalten. Doch wirklich weiter hilft alles nicht.


    Elterngespräche mit uns Klassenlehrern haben auch schon viele stattgefunden.


    Aber so wirklich weitergekommen sind wir noch nicht.


    Ich versuche auch sehr viel: Einerseits diese Schüler ganz stark loben, immer wieder das Gespräch mit ihnen suchen, aber auch andererseits klare Regeln vorgeben und einfordern.
    Alles hilft ein Stück weit, aber leider nur kurzfristig.


    Wie kommt denn eine Schule zu einem Sozialarbeiter? Gibt es dazu einen Schlüssel nach Schülerzahlen und Einzugsgebiet?


    Hat jemand vielleicht auch mal gute Fortbildungen zu solchen Themen gemacht, interessante Erfahrungen oder gute Literaturhinweise?


    So langsam sind wir mit unserem Latein am Ende.


    Es sind wirklich Extreme: Eines der Kinder spricht kaum mit Mitschülern, nur mit wenigen Lehrern, irgendwas stimmt da nicht und wir sind sehr hilflos (ich kann hier ja leider nicht ins Detail gehen). Vermutlich gibt es sehr sehr große Probleme zu Hause, aber Elterngespräche bringen uns nicht weiter.


    Was kann man denn in solchen Fällen machen?

  • Zitat

    Original von Referendarin
    Wie kommt denn eine Schule zu einem Sozialarbeiter? Gibt es dazu einen Schlüssel nach Schülerzahlen und Einzugsgebiet?


    Keine Ahnung. Ich bin an einer recht großen Gesamtschule (1250 SuS) mit einem hohen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund.

  • Zitat

    Original von Referendarin


    Was kann man denn in solchen Fällen machen?



    Wenn ihr z.B. Angst w/ sexuellem Missbrauch habt, dann wendet euch an eine entsprechende Beratungsstelle und schildert dort die Beobachtungen anonym. Die können euch dann ev. Tipps geben, oder euch weiterleiten, wohin ihr euch am besten wendet.


    Das gilt natürlich auch für andere Probleme - da halt die jeweilige Beratungsstelle kontaktieren.
    Bei uns gibt es z.B. ein Kinderschutzzentrum, das eine sehr große Hilfe ist, allein schon, weil sie einem zuhören, und viele solcher Probleme als tägliches Brot kennen - und deshalb auch oft wissen, wohin man sich am besten wendet, oder wie man an die Kinder rankommen kann, oder welche Möglichkeiten man auch hat, innerhalb der Klasse Themen zu behandeln, usw.


    Vielleicht gibt es auch bei euch solche beratenden Stellen.


    Auch im Jugendamt könntest du anrufen, und fragen, wie du am besten helfen könntest. Ob die von sich aus dann aktiv werden, weiß ich zwar nicht, aber ihr habt zumindest getan, was möglich ist.

    • Offizieller Beitrag


    Finchen: Das könnte wohl tatsächlich an der Größe der Schule liegen. Unsere Schule ist doch wesentlich kleiner als eure.


    Herzchen
    Danke für die vielen hilfreichen Tipps! Das war wirklich eine große Hilfe.


    Kann ich mich als Lehrer einfach an ein Kinderschutzzentrum wenden? Ich dachte immer, das ginge nicht wegen der Schweigepflicht. Aber das wäre ja sehr hilfreich.


    Das Jugendamt einzuschalten ist ohne Zustimmung der Eltern nicht ganz einfach, sagte mir zumindest eine Psychologin, die mich in der Schule wegen eines Kindes anrief und die ich nebenbei danach fragte.


    In einem Fall ist das Jugendamt ja beteiligt, aber bisher half das nicht so viel - vielleicht ändert sich das aber langfristig.


    Ein bisschen off-topic: Habt ihr irgendwas in der Richtung eigentlich im Studium oder im Ref gelernt? Bei uns war sowas leider nie Thema und ich finde das so wichtig.

  • Wir waren im Studium einmal in dem beschriebenen Kinderschutzzentrum, aber 'gelernt' wie wir mit solchen Problemen umgehen könnten, haben wir eigentlich auch nicht.


    Meine Erfahrungen stammen weitgehendst aus meinem letzten Durchgang, wo ich leider zig solcher Kinder mit speziellen Päckchen in der Klasse hatte. 8o


    Auskunft für konkrete Fälle wirst du nirgends bekommen, bzw. darfst du auch nirgends geben - aber das ist eigentlich irrelevant. Du schilderst das Problem - wie das entsprechende Kind dazu heißt, spielt dabei ja keine Rolle - und gerade im Kinderschutzzentrum funktioniert die Hilfe tausendmal unbürokratischer, als beim Jugendamt (von dem ich persönlich ohnehin nur wenig positiven Eindruck erhalten habe X( ).


    Ich hoffe für dich, dass ihr für die Kinder, aber auch für euch Hilfen organisieren könnt, denn solche Probleme sind eh belastend genug, da ist jede Kleinigkeit, die man zur Verbesserung der Situation erreicht, ein wahrer Segen.

  • Hallo Referendarin,


    ich kann mir gut vorstellen, wie dir zumute ist. Nach einem Schulsozialarbeiter(in) würde ich mal beim Schulamt oder der Bezirksregierung nachfragen. Außerdem gibt es bei den Schulämtern den schulpsychologischen Beratungsdienst.
    Ich hatte mal einen ähnlichen Fall, der Schüler (Klasse acht) sackte in den Zensuren extrem ab und fehlte plötzlich im Unterricht. Ich verlangte eine Entschuldigung, bekam sie erst nach vielen Tagen und nach Druck meinerseits. Die Unterschrift kam mir komisch vor, so dass ich zu Hause anrief und den Vater antraf, der mir den krankheitsbedingten Ausfall seines Sohnes bestätigte. Dennoch wurde ich den Verdacht nicht los, dass da etwas nicht stimmte. Also bin ich am Abend mit meinem Mann zu den Eltern gefahren. Er hat im Auto vor der Tür auf mich gewartet. Die Überraschung ist gelungen, denn die Eltern waren ahnungslos. Der "Vater" am Telefon einige Tage zuvor ist der Sohn gewesen, der mich mit verstellter Stimme gelinkt hatte, auch die Unterschrift war gefälscht gewesen. Vater und Mutter gingen Arbeiten und mit dem Sohn morgens aus dem Haus. Sobald die Eltern außer Sicht waren, schlich sich der Sohn wieder nach Hause und ging nicht in die Schule. Ich habe dann mit den Eltern vereinbart, dass ich als Klassenlehrerin jeden Morgen die Anwesenheit kontrolliert habe. (Unterrichtende Kollegen gaben mir über einen Mitschüler Bescheid) Blieb der Sohn weg, rief ich den Vater an, der aus dem Betrieb nach Hause fuhr, den Sohn holte und bei mir ablieferte. Zusätzlich sind wir alle (Eltern, Schüler und ich) zu einer Beratungsstelle der Ev. Kirche gegangen, später der Schüler nur noch alleine und wir haben es geschafft, den Schüler wieder einzunorden, der unter der Trennung von seiner älteren Schwester litt, die sich für ein Jahr in England aufhielt.
    Vielleicht ist ja eine solche Beratungsstelle auch eine Hilfe. Bei getrennten Familien ist es dann häufig auch wichtig, welches Geschlecht der Berater hat, lebt das Kind jetzt bei der Mutter und vermisst den Vater, sollte der Berater männlich sein und umgekehrt.


    Vielleicht hilft dir das hier ja etwas weiter.


    LG und viel Erfolg
    Lieselümpchen

    Wende dein Gesicht der Sonne zu, dann fallen die Schatten hinter dich! (Afrikanisches Sprichwort)
    :)

    5 Mal editiert, zuletzt von lieseluempchen ()

  • Wenn man bei Problemen jeglicher Art auf den Rückhalt durch das Elternhaus zurückgreifen kann (wie in Lieselümpchens Fall), ist man noch relativ gut dran. Schwieriger wirds - und das wird wohl im oben aufgeführten Zusammenhang so sein, wenn im Elternhaus selber etwas vertuscht wird und die angesprochenen Eltern immer beteuern, dass alles in Ordnung sei. In diesem Fall ist es extrem schwierig zu helfen. Sensible, intelligente Kinder decken die Eltern in solcher Situation, gehen dem Gespräch mit Lehrern aus dem Weg und ziehen sich zurück. Oder sie finden fragwürdigen Anschluss außerhalb. Da fühlt man sich dann als Lehrer total machtlos und ist es wahrscheinlich letztlich auch.

    Natürlicher Verstand kann fast jeden Grad von Bildung ersetzen, aber keine Bildung den natürlichen Verstand. (A.Schopenhauer)

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