Erfahrung mit Erlebnispädagogik?

  • Hallo,


    ich beschäftige mich gerade für mein 1. Staatsexamen mit Erlebnispädagogik und würde gerne mal wissen, wer schon Erfahrung damit in Verbindung mit Schule gemacht hat (da es ja in Deutschland eher im Freizeitbereich boomt). Ich hab im Internet schon gesehen, dass es Erlebnispädagogik-Anbieter gibt die etwas für Schulklassen anbieten. Aber von Klassenfahrten mal abgesehen, nutzt hier jemand die Erlebnispädagogik für die Schule / im Unterricht?


    Man kann ja beispielsweise Problemlöseaufgaben, Kooperations- und Kommunikationsspiele auch in der Schule machen (Indoor-EP).
    Ist jemand mit seiner Klasse schon mal in einem Hochseilgarten gewesen, mit ihnen Kajak fahren gegangen, Wandern gewesen (also nicht der Wandertag den ich erlebt habe als Schülerin, wir gehen 2 Stunden den Berg hoch und wieder runter), also Outdoor-EP gemacht?


    Wenn ja, warum und was hat es gebracht?
    Wenn nein, warum? Geldmangel, Zeitmangel? Vom Konzept nicht überzeugt?


    Ich freue mich über jede (auch noch so kleine) Antwort.


    Vielen Dank.
    freckle

    • Offizieller Beitrag

    Ich bin mit meinen 5ern regelmäßig gegen Ende des ersten Halbjahres in den Hochseilgarten gegangen und fand das sehr, sehr gut. Was allerdings auch an dem guten Konzept und der Kooperationsbereitschaft der dortigen Trainer liegt. Es gibt auch "schluffigere" Anbieter ohne nennenswertes Konzept.
    Wir haben vorher telefoniert, ich habe die "Gemengelage" in meinen Klassen beschrieben, die Übungen wurden darauf zugeschnitten. Jungs und Mädchen gnadenlos gemischt und die größten Feinde am Anfang getrennt, dann in einer Gruppe, dann in einem Kletterteam/paar. Da hat sich oft schon einiges verändert.


    Wir hatten außerdem Orientierungstage für die 5er, wo wir drei Tage mitten in der Pampa ähnliche Übungen machen: da geht es um die Klassengemeinschaft und um besseres Kennenlernen der Kulturen, aber auch um Vertrauensbildung und gegenseitige Unterstützung beim Überqueren von "Wackelbrücken" am Bach und bei Nachtwanderungen, bei denen nur einer von 6 ne Lampe hat.


    Man ändert damit keine schwierige Klasse grundlegend. Jedenfalls nicht, wenn es Einzelerlebnisse sind. Aber man ändert für einige Schüler einiges zum Postiven (Stichwort Außenseiter / Zankhähne) und legt ein paar Denkanstöße und Grundsteine. Auf denen man natürlich kontinuierlich aufbauen muss.


    Also: gute Sache - aber Wunder kann man nicht erwarten.


    Und: die Kinder erzählen noch jahrelang davon uns finden's toll.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Hast du noch den Namen des Anbieters des Hochseilgarten, bzw. eine Homepage? Das Konzept würde mich mal interessieren. Auf was bezog sich denn die Kooperationsbereitschaft (also außer vorher telefonieren)? Warst du beim Training mit dabei und konntest beobachten was die Schüler gemacht haben? Hast du dich mit dem Trainer über mögliche Lerneffekte etc. ausgetauscht?
    Hochseilgärten finde ich übrigens sehr interessant. War selbst schon 2 mal da und hab auch mal eine Gruppe von Kindern beobachten können. Sah sehr nach Kooperationsübungen aus.


    Hast du die Übungen bei den Orientierungstagen alleine (also vermutlich eher mit anderen Lehrern gemeinsam) organisiert oder war das professionell von einem Anbieter?


    Ist jetzt vielleicht eine blöde Frage, aber wie hast du denn auf die Denkanstöße und Grundsteine die gelegt wurde aufgebaut? Hast du die Erlebnisse im Unterricht an passender Stelle thematisiert (z.B. bei mangelnder Kooperation)? Ich frage nur weil ich mich das schon selbst bei der Vorbereitung gefragt habe wie man das machen könnte.


    Vielen Danke für deine Antwort schon mal. Hab schon den ganzen Nachmittag gespannt gewartet. :)

    • Offizieller Beitrag

    Den Anbieter nenne ich jetzt nicht so öffentlich, und ja, ich war immer dabei - für die Klassenlehrerin ist es hochspannend, die Prozesse zu beobachten und ggf. zu unterstützen. Die Kooperationsbereitschaft bezog sich u.a. auch darauf, sich auf Vorschläge meinerseits (wenn ich bei den Kindern etwas Spezielles beobachten konnte und eine neue / andere Vorgehensweise oder Umgruppierung für angebracht hielt) einzulassen. Die meisten HSG haben ein festes, eingeübtes Programm, das sie so abspulen, bei egal welcher Klasse.


    Die Übungen für die Orientierungstage arbeiten die Klassenlehrer gemeinsam mitd en Betreuern (bei uns war es die katholische Hochschuljugend und später ein evangelischer Anbieter) aus, wir treffen und zwei Mal vorher und die Leute gehen auch in die Klassen um sich einen Eindruck zu verschaffen. Natürlich sind wir bei den Orientierungstagen auch die ganze Zeit dabei und es passiert alles in Absprache.


    Aufbauen muss man im Unterricht dadaurch, das man die dort erlenten / begriffenen Dinge immer wieder verbalisiert, ähnliche Übungen im Miniformat in den Unterricht einbaut und in Verfügungsstunden die Themen der Orientierungstagen immer wieder vertieft. Geht für Fachlehrer zeitlich eher nicht, aber als KL kann man da schon viel machen. U.a,. nutzten wir das Eingangsprogramm Mediation von Christa Kaletsch, das "Multikulti - Konflikthandbuch" vom Verlag an der Ruhr u v m.

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  • Erst mal vielen Dank für die ausfühlriche Antwort - sie hilft mir sehr viel. :)


    So wie du es beschreibst stelle ich mir eine gute erlebnispädagogische Maßnahme vor. Gut zu wissen, dass es sowas gibt. In meinen Literaturquellen wird erwähnt, dass genau diese Kooperation oftmals fehlt, was dann zu einer Transferhemmung führen kann (Anbieter kennt die Gruppe nicht etc. so wie du es bei einigen HSG beschreibst mit ihrem festen Programm).


    Die Orientierungstage klingen sehr interessant. Das muss ich mir merken. Das ist ja quasi eine Klassenfahrt, ne?


    Hat sonst noch jemand Erfahrungen gemacht - auch schlechte?

  • Ich bin schon mehrere Male mit den Anbietern von "erlebnistage" weggefahren und fand es jedes Mal sehr gut. Es gibt ausführliche Vorgespräche und man kann ebenfalls ein Programm auf die Klasse zuschneiden. Es werden jeder Gruppe zwei externe Betreuer zur Verfügung gestellt. Wenn man dann mit einem Kollegen auf Klassenfahrt fährt und noch zwei Erzieher hinzubekommt, hat man eine ziemlich gute Betreuungsquote.

    Viele Grüße inixx

  • Super, Danke. In dem Bereich hat mir noch was gefehlt. Gerade Jugendhilfe und Erlebnispädagogik wird ja in den Medien kritisiert was vor allem an den eher spektakulären Maßnahmen wie Segeltörn oder "Urlaub am Mittelmeer" liegt. Da ist das Raphaelshaus ja ein schönes Beispiel dafür, dass Erlebnispädagogik meistens in Deutschland vor Ort betrieben wird.

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