Vermeidung von Unterrichtsstörungen (Klasse 6)

  • Hallo zusammen,
    ich habe gerade den Philosophieunterricht in einer sechsten Klasse übernommen und frage mich gerade, wie ich Unterrichtsstörungen vermeiden kann. Ich mag die Klasse sehr gerne (viele aufgeweckte Kinder), aber mir wurde gesagt, dass es da manchmal recht unruhig zugeht. Meine Überlegung war jetzt, mal nicht mit Sanktionen vorzugehen, sondern umgekehrt mal einen Anreiz für gute Beteiligung zu schaffen. Damit meine ich jetzt nicht das Verteilen von Süßigkeiten oder so einen Kram (kenne ich noch aus meiner Schulzeit). Hat das schon mal wer von euch probiert bzw. gibt es wenn, der einen Vorschlag hat?

  • Ein sehr umfassend ausgearbeitetes Konzept, dass sehr stark auf Anreize bzw. Belohnungen für positives Verhalten setzt, wurde von Grüner und Hilt ausgearbeitet. Dargelegt ist das ganze ein einem Buch mit dem Titel "Bei Stopp ist Schluss!"


    Als "Einzelkämpfer" kommt man hier aber nicht besonders weit. Hilts Konzept basiert sehr stark auf einem abgestimmten Vorgehen möglichst vieler Kollegen und Kolleginen, die die betreffende Klasse unterrichten.


    Bei Bedarf könnte ich das noch ausführlicher darstellen, da ich selber schon danach gearbeitet habe. Bin aber gerade in Eile und belasse es deshalb erstmal bei diesem Hinweis.

    • Offizieller Beitrag

    Ich glaube, zu dem Buch "Bei Stopp ist Schluss" wurde hier schon eine ganze Menge geschrieben, vor allem Negatives. Über die Suchfunktion müsstest du einiges finden.


    Ja, solche Belohnungssysteme habe ich auch schon ausprobiert und ich kann mich erinnern, davon hier schon öfter gelesen zu haben. Ich glaube, wenn du mal hier in der Suche bei "Belohnungssystemen" nachschaust, müsstest du dazu einiges finden. Auch zu Unterrichtsstörungen gibt es sehr viele nützliche Threads.

  • Danke erstmal für die Antworten.


    Schubbidu: Wenn du nochmal schreiben könntest, was du ausprobiert hast, und was für Erfahrungen du damit gemacht hast, wäre ich dir sehr dankbar.


    Referendarin: Ich werde nochmal die Suche bemühen. Wenn du Zeit und Lust hast, was zu deinen Erfahrungen zu schreiben, würde mich das auch interessieren.


    Wenn es euch interessieren sollte, könnte ich dann auch berichten, wie es bei mir gelaufen ist.


    Nachtrag: Unter dem Stichworten "Belohnungssystem" und "Belohnung" habe ich leider nichts brauchbares finden können. Die Kritik, die hier an der Methode des Bloßstellens geäußert wird (Bei Stopp ist Schluss), teile ich aber. Das wäre für mich keine Lösung

  • Referendarin


    Hm, interessant. Da werde ich doch nacher tatsächlich mal die Suchfunktion nutzen. Danke für den Hinweis.


    Ich persönlich sehe an dem Konzept übrigens auch einige Probleme. Die Grundgedanken (Transparenz, Konsequenz, positive Anreize, intensive kollegiale Zusammenarbeit) finde ich aber durchaus überzeugend.


    Ginster: Antwort kommt im Laufe des Abends...

  • So, habe mal die Suchfunktion bemüht und mich insbesondere auf die Kritik konzentriert. Einiges kann ich nachvollziehen, vieles nicht.


    Erstmal zu meinen Erfahrungen. Wir haben einen Teil des Konzeptes in einer probelmatischen Klasse (Unruhe, respektloses Verhalten untereinander und gegenüber Lerhern, Mobbing...) eingeführt. "Wir" sind in diesem Fall nahezu alle Kolleginen und Kollegen, die in der Klasse unterrichten.


    Hilt unterscheidet zwei Bereiche

    • Regeln des Zusammen-Lebens
    • Regeln des Zusammen-Arbeitens


    Bei den Regeln des Zusammen-Lebens geht es um die Regulation von problematischem Sozialverhalten (Mobbing, Gewalt etc.). Nach der ersten Durchsicht, bezieht sich der überwiegende Teil der auch hier im Forum geäußerten Kritik auf diesen Teil.


    Hilt hat auf die Kritik übrigens anscheinend reagiert. Einige der als besonders problematisch zitierten Passagen aus seinem Buch konnte ich in der mir vorliegenden Ausgabe nicht mehr auffinden.


    In unserem Fall arbeiten wir NICHT nach diesen Reglen des Zusammen-Lebens, sondern beschränken uns auf die Regeln des Zusammen-Arbeitens.


    Im Zentrum stehen eininge zentrale Verhaltensregeln, die im Wesentlichen das Ziel haben, einen störungsfreien Unterricht zu ermöglichen. Regelverstöße (z.B. Arbeitsmaterial nicht dabei) werden dokumentiert. Die Schüler, die über einen definierten Zeitraum in den einzelnen Regelbereichen nicht negativ auffallen, sammeln Bonuspunkte. Diese Bonuspunkte können sie gegen unterschiedlich wertige Gutsscheine eintauschen. Ein möglicher Gutscheintext könnte z.B. lauten: "Ich muss heute meine Hausaufgaben im Fach xy nicht machen."


    Über die Gutscheinregeln hinaus gibt es das "Auszeit-System". Schüler die im Untericht störend auffallen, werden in die Auszeit geschickt.


    Jeder Lehrer trägt drei gelbe Karten zur schnellen, nonverbalen Verwarnung bei Unterrichtsstörung bei sich. Bei einer unruhigen Klasse sind diese schnell aufgebraucht. Wird nun nochmals ein Schüler auffällig, wird er in die Auszeit geschickt. D.h. er verlässt in der Regel bis zum Ende der Stunde (!) das Klassenzimmer und bearbeitet an einem vorher festgelegten Ort dort für solche Fälle bereitgelegte Aufgaben. Vom Schüler wird darüber hinaus erwartet, dass er den versäumten Stoff selbstständig nachholt.


    Insbesondere dieses Auszeit-System funktioniert nach meinen Erfahrungen sehr gut. Anders als bei der Dokumentation der Regelabweichungen und dem Punktesammeln entsteht für den Lehrer hier kaum Verwaltungsaufwand. Der Effekt auf das Störverhalten der Schüler ist dagegen deutlich spürbar.


    Das ganze steht und fällt mit der Konsequenz, mit der die Regeln von einem selbst und den Kollegen durchgesetzt werden. Ziehen alle an einem Strang, lassen sich recht schnell nachhaltige Veränderungen im Verhalten der SuS erzielen.


    Die Meinung der SuS zu dem System ist durchaus positiv. Sie schätzen das hohe Maß an Transparenz und Berechenbarkeit der Konsequenzen sowie die positiven Anreize.


    Zur Kritik an Hilt könnte ich jetzt eigentlich noch viel schreiben, aber das würde den Rahmen und mein Zeitbudget sprengen. Das hier muss erstmal reichen. Einen schönen Abend noch...

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von Ginster



    Nachtrag: Unter dem Stichworten "Belohnungssystem" und "Belohnung" habe ich leider nichts brauchbares finden können. Die Kritik, die hier an der Methode des Bloßstellens geäußert wird (Bei Stopp ist Schluss), teile ich aber. Das wäre für mich keine Lösung


    Such mal unter "Belohnungssystem", ich habe da mal berichtet, was ich genau gemacht habe. Ich habe grade versucht, den Link hier reinzusetzen, aber irgendwie klappt es nicht. Es müssten mindestens 2 Threads sein.


    Edit: Habe grade noch mal nachgeschaut: Der eine Thread trug den Titel "Belohnungssysteme".


    Schubbidu: Ich habe gar nicht mehr in Erinnerung, was genau zu diesem Buch geschrieben wurde, nur, dass es recht negativ war - ist schon ein bisschen her. Aber vielleicht kannst du auch in dem Buchempfehlungsthread, in dem das Buch kritisiert wurde, was dazu schreiben.

  • Zitat

    Original von Ginster
    Die Kritik, die hier an der Methode des Bloßstellens geäußert wird (Bei Stopp ist Schluss), teile ich aber. Das wäre für mich keine Lösung


    Zu deinem Nachtrag: Genau auf diesen Passus bezog sich meine Aussage, dass Hilt hier wohl "nachgebessert" hat. In der mir vorliegenden Ausgabe ist bspw. von bewusster Erzeugung von Angst nicht mehr die Rede. Dennoch kann man diesen Teil natürlich für problematisch halten. Ich würde auch mit der milderen Form so nicht arbeiten wollen.


    Was die unruhige Klasse anbelangt, spielt die Kritik aber - wie gesagt - keine Rolle, da sie sich auf einen völlig anderen Aspekt der "Methode Hilt" bezieht.

  • Ich bin in Bezug auf Dein Anliegen etwas gespalten.


    Einerseits: "Mir wurde gesagt, dass ..." ... heißt das, dass Du selbst noch keine Unterrichtsstörungen in der Klasse hattest (weil Du die Klasse ja evtl. auch erst seit ein paar Stunden hast)?


    Auf Hörensagen - vor allem bei solchen Aussagen - gebe ich gar nichts. Im Referendariat bekam ich einmal eine 7. Klasse in Geschichte. Der Lehrer, der sie an mich abgab, war gleichzeitig Fachbetreuer und mein Mentor. Gleich beim ersten Treffen meinte er, es wäre eine disziplinär schwierige Klasse und ich solle mich da nicht scheuen, gleich mal ein paar Verweise zu geben, er würde das völlig unterstützen.


    Mit etwas Bauchweh ging ich dann in die Klasse - und erlebte die Schüler als aufgeweckt, interessiert und richtig nett. Klar, "aufgeweckt" heißt manchmal auch lebhaft, aber nichts, was nun wirklich schlimm gewesen wäre. Ich kam mit der Klasse wunderbar klar.


    Daraus folgt: Man sollte auf solche Aussagen erstmal weniger geben und sich selbst ein Bild machen - jeder Lehrer hat eine andere Vorstellung, wann "lebhaft" aufhört und "Unterrichtsstörung" anfängt.
    Und: Es liegt manchmal DOCH an der Lehrerpersönlichkeit - bei einem Lehrer gibt es die SChwierigkeiten, bei einem anderen nicht oder weniger.


    Andererseits: Vorbereitet sein schadet ja nicht ... eigentlich ist es also auch gut, wenn Du Dich hier auf alle Eventualitäten vorbereitest.


    Leider kann ich Dir da nicht helfen, da
    a) ich der Ansicht bin, dass man hier nicht generalisieren kann, jede Klasse hat da ein anderes Profil und macht evtl. andere Maßnahmen nötig
    b) ich bei solchen Sachen eher aus der Situation und aus dem Bauch heraus reagiere - und wenn das nicht hilft, siehe oben: auf die Klasse abgestimmte Maßnahmen (wie viele Schüler stören, wie wird gestört, immer oder zu bestimmten Zeitpunkten? usw.).


    Ich persönlich würde versuchen, ganz unbefangen in die Klasse zu gehen und mich durch solche AUssagen nicht schon negativ vorbelasten zu lassen. Die SuS haben ein Recht darauf, dass man ihnen erst einmal wohlgesonnen begegnet und erst dann Maßnahmen ergreift, wenn es nötig ist (also keine Vorverurteilung).


    Insbesondere, weil Du ja sagst, dass DU die Klasse gerne magst.

  • Zitat

    Original von Schubbidu
    Über die Gutscheinregeln hinaus gibt es das "Auszeit-System". Schüler die im Untericht störend auffallen, werden in die Auszeit geschickt.


    Jeder Lehrer trägt drei gelbe Karten zur schnellen, nonverbalen Verwarnung bei Unterrichtsstörung bei sich. Bei einer unruhigen Klasse sind diese schnell aufgebraucht. Wird nun nochmals ein Schüler auffällig, wird er in die Auszeit geschickt. D.h. er verlässt in der Regel bis zum Ende der Stunde (!) das Klassenzimmer und bearbeitet an einem vorher festgelegten Ort dort für solche Fälle bereitgelegte Aufgaben. Vom Schüler wird darüber hinaus erwartet, dass er den versäumten Stoff selbstständig nachholt.
    ...


    Genau das ist aber rechtlich gesehen in meinem Bundesland problematisch:


    a) Ausschluss vom Unterricht ist eine Ordnungsmaßnahme, die der Lehrer nicht allein verhängen kann


    b) SuS haben ein Recht auf Unterricht - und es steht nirgends, dass bei "Stören" dieses Recht vom einzelnen Lehrer aberkannt werden kann


    c) den Schüler aus der Klasse schicken verletzt die Aufsichtspflicht des Lehrers

  • Zitat

    Original von Nighthawk



    b) SuS haben ein Recht auf Unterricht - und es steht nirgends, dass bei "Stören" dieses Recht vom einzelnen Lehrer aberkannt werden kann


    Nun behindert aber der störende S. das Recht auf Unterricht der anderen SuS. Was ist denn dann mit denen?


    Und wird bei euch ein einfaches vor die Tür setzten schon als Ordnungsmaßnahme gewertet?

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von CKR


    Nun behindert aber der störende S. das Recht auf Unterricht der anderen SuS. Was ist denn dann mit denen?


    Und wird bei euch ein einfaches vor die Tür setzten schon als Ordnungsmaßnahme gewertet?


    Für solche Situationen gibt es bei uns einen Trainingsraum. Genau diese Probleme hat man dann nicht mehr. Es ist schade, dass nicht alle Schulen diese Möglichkeit haben.

  • Zitat

    Original von CKR


    Nun behindert aber der störende S. das Recht auf Unterricht der anderen SuS. Was ist denn dann mit denen?


    Und wird bei euch ein einfaches vor die Tür setzten schon als Ordnungsmaßnahme gewertet?


    "einfaches vor die Tür setzten" ist bei uns schlicht und ergreifend aus den oben schon angeführten Gründen nicht erlaubt ... darauf wird auch immer wieder in Konferenzen hingewiesen.


  • Die bayerischen Regelungen kenne ich natürlich nicht im Detail. Mich würde aber doch sehr wundern, wenn der (zeitweise) Verweis aus einer Einzelstunde als Ordnungsmaßnahme im Sinne des Schulgesetzes betrachtet wird, die nur vom Direktor vorgenommen werden kann.


    Außerdem ist bei uns das Vorgehen mit der Direktion im Vorfeld abgestimmt worden. Auch die Eltern wurden selbstverständlich vorher umfassend informiert.


    Zudem gibt es bei rechtlichen Regelungen immer einen Spielraum der Auslegungen in die ein oder andere Richtung zu lässt. Insbesondere dann, wenn sich die Rechtsansprüche unterschiedlicher Personen gegenüber stehen. Schließlich hat der Rest der Klasse, wie bereits von CKR angemerkt, ebenfalls ein Recht auf ungestörten Unterricht.


    Das Problem mit der Aufsichtspflicht wird wohl in allen Bundesländern vergleichbar geregelt sein. Einfaches, unbeaufsichtigtes Vor-die-Tür-Stellen geht auch in BW nicht. Die Einrichtung eines Trainigsraumes ist hier eine von mehreren möglichen Lösungen.

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