Pendeln im Unterricht

  • Ich bin ja eben beim Googeln über diesen Thread gestolpert, weil ich mich selber gefragt hab, ob man Pendeln im Unterricht sollte/ "darf". Die Bedenken, die sich speziell für den Religionsunterricht ergeben, fallen ja für Ethik eh weg. Klar ist natürlich, dass ich den Schülern vermitteln will, dass okkulte Praktiken Humbug sind (genau dazu soll das Pendeln ja dienen, dass es sozusagen entwaffnet wird) - und wenn man das mit so einem Versuch schaffen würde, warum nicht? Abgesehen davon finde ich aber auch nicht, dass man Pendeln in eine Reihe mit Süchten stellen sollte. Ich hab als Schülerin zB im Lernbereich Islam in Richtung Mekka beten sollen (wir haben uns dazu hingekniet etc.) - ich fand die Idee nun nicht so toll, dass ich sie selbst als Lehrerin anwende, aber verteufeln würd ich meine frühere Lehrerin dafür auch nicht oder sagen, dass es mir geschadet hat.
    Die Gefahren des Okkultismus (Abhängigkeit, viel Geld dafür ausgeben, soziale Kontakte verlieren, sich reinsteigern und dann Geister sehen, ...) haben wir bereits besprochen. Einzelne okkulte Praktiken habe ich von Schülern vorstellen lassen, u.a. Pendeln. Eine meiner Fragen bei der Recherche war auch, was wirklich dahintersteckt, wie eben beim Pendeln die minimalen Muskelbewegungen.


    Thorsten: danke für den Link, genau der hat mich ja auf die Idee des Geschlechterpendelns gebracht. Aber der Link, der dort angegeben wurde, funktioniert leider nicht mehr (also der in der pdf, der zu den Karten leiten soll).

  • Der Vollständigkeit halber: ich habe zwei Anleitungen fürs Pendeln geschrieben, mit der die Schüler ihre "Energieströme" und damit ihr wahres Geschlecht rausfinden sollten. Auf dem einen habe ich die Kreisbewegung des Pendels als weiblich angegeben, auf dem anderen das Hin- und Herbewegen des Pendels (und für männlich natürlich jeweils genau andersrum).
    Ich hab sie an zwei Bänken pendeln lassen und auf jeder Bank logischerweise einen anderen Zettel hingelegt. Und ja, es hat funktioniert - also die Schüler haben jeweils ihr tatsächliches Geschlecht gependelt, d.h. alle Mädchen (es haben nur Mädchen gependelt) waren auch tatsächlich weiblich, obwohl die einen eine Kreisbewegung und die anderen ein Hin- und Herpendeln hatten ;) Der "Schwindel" (bzw wie stark uns unser Unterbewusstsein lenkt) ist also aufgeflogen ;)
    Fazit: bis auf dass ich länger überlegt habe, wie genau ich das Pendeln umsetze (weil ich es eben zum ersten Mal gemacht hab), ist es sehr vorbereitungsarm, aber durch die Handlungsorientierung halte ich den Effekt für groß - besser, als wenn sie es nur erzählt bekommen. Werde ich jederzeit wieder einsetzen, wenn ich das Thema Okkultismus dranhabe und finde nun nach der erfolgreichen Durchführung erst recht nix "Verwerfliches" dran ;)

  • Dir ist schon klar, dass nicht die gefährdet sind, die laut lachen und erkennen, dass da "nix Verwerfliches" dran ist.
    Wenn die Eltern hören, dass ihre Kinder in der Schule okkulte Praktiken zu entlarven versuchen, ohne vorher zu wissen, was dabei rauskommt- naja, du weißt schon.

  • Wenn die Eltern hören, dass ihre Kinder in der Schule okkulte Praktiken zu entlarven versuchen, ohne vorher zu wissen, was dabei rauskommt- naja, du weißt schon.


    Was ist denn dann?

  • Lehrer vermitteln Lernziele. Anhand von Tests und Noten versuchen sie notdürftig zu überprüfen, was von dem hängengeblieben ist, was man ihnen vermitteln wollte.
    In diesem Falle kann man aber nicht überprüfen, wer in dieser Klasse das Experiment verstanden hat. Und selbst wenn, was daraus folgt. Die Frage im Test müsste lauten: erkläre, warum Pendeln wissenschaftlicher Kokolores ist.


    Es reicht, dass ein Jugendlicher denkt: "boa, krass, wie das mit dem Pendeln funktioniert, da bewegt sich voll was und da kam tatsächlich raus, dass ich ein Mädchen bin. Funktioniert also!" und hat eine 5 im Test. Gelernt hat er oder sie: da gibts eine spannende Sache, die man unbedingt noch mal zu Hause ausprobieren muss.


    Ich kann mir vorstellen, dass Eltern vom Schulleiter wissen wollen, wie seine Kollegen den Lehrplan auslegen.

  • Hmm. Ich kapier's weiterhin nicht. Die Frage im Test würde ich etwa so formulieren: "Das Pendeln ist eine populäre okkulte Praktik. Dabei beruht seine Funktionweise auf psychologischen Mechanismen. Erläutere dies anhand des Geschlechterpendelns, das wir im Unterricht durchgeführt haben." Oder so ähnlich halt. Da ist der Lernerfolg genauso gut / schwierig / einfach / nicht überprüfbar wie im Unterricht vieler andere Fächer.


    Und zum zweiten Punkt: Es kann doch an ganz vielen Stellen ein unerwünschtes Interesse geweckt oder gefährliches Halbwissen erzeugt werden. Deswegen lässt man doch den Versuch nicht bleiben, den Schülern möglichst viel mitzugeben. Und in Zeiten von youtube halte ich das Argument "Die hätten das ohne die Schule überhaupt nie kennengelernt" für schwierig. Siehe oben, wenn der WDR nichts Falsches schreibt, haben 60 % der Schüler bereits okkulte Praktiken selbst ausprobiert.

  • Da ist der Lernerfolg genauso gut / schwierig / einfach / nicht überprüfbar wie im Unterricht vieler andere Fächer.

    Die Frage ist, was passiert, wenn der Lernerfolg nicht der ist, den man erhoffte. Wenn jemand Bruchrechnen nicht kapiert oder nicht übers Pferd in der Turnhalle kommt- schade. Aber wer diesen Versuch nicht versteht, lernt nicht nur etwas nicht, sondern man erreicht möglicherweise genau das Gegenteil.



    Es kann doch an ganz vielen Stellen ein unerwünschtes Interesse geweckt oder gefährliches Halbwissen erzeugt werden.


    Nenne mal ein Beispiel. Wie gesagt, ich würde weder mit meinen Schülern probeweise Drogen nehmen, noch spaßeshalber eine Neonazi-Veranstaltung aufsuchen. Die TE hat Verantwortung für mehr oder weniger unsichere, mehr oder weniger intelligente Halbwüchsige.

  • Aber man spricht doch mit den Schülern über Drogenkonsum und über diverse Ideologien. Und ich hatte das oben schon geschrieben: In Sachsen steht Okkultismus scheinbar in der 8. Klasse auf dem Lehrplan.


    Also: Thematisiert werden gefährliche und unerwünschte Dinge so oder so. Entweder man liest, hört, sieht etwas und spricht darüber oder man macht etwas. Drogenkomsum wäre gesundheitsgefährdend und je nach Droge ist der Schüler schon nach dm ersten Konsum süchtig. Und wenn 400 Leute aufmarschieren, uniformartig gekleidet sind und gemeinsam Parolen rufen, kann das auf einen Schüler in der Pubertät eine sehr anziehende Wirkung haben. Also informiert man die Schüler nur über Dinge, anstatt sie diese selbst erleben zu lassen.


    Wenn ich sie jetzt einen Text über das Pendeln lesen lasse, ist doch eine erste Vertrautheit mit dieser Praktik bereits hergestellt und bereits jetzt muss ich davon ausgehen, dass Schüler zu Hause danach googlen und dann auf was weiß ich für Seiten landen werden. Wenn ich die Praktik als Selbstbetrug entlarve, nehme ich ihr viel von dem Reiz, den sie vielleicht auf Schüler hat. Ich denke, passende Analogien zum Geschlechterpendeln sind nicht gemeinsamer Drogenkonsum oder ein Klassenausflug zur Nazi-Demo, sondern z. B. Berichte von Aussteigern, die neben den scheinbaren Reizen die Gefahren und negativen Folgen kennen (sowohl von Drogenkonsum als auch der Nazi-Szene anzugehören).

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