"Das Parfum" - Einige Fragen anlässlich eines bevorstehenden UB.

  • Hallo zusammen,
    ich habe am Freitag einen Unterrichtsbesuch (45 Min) in meinem 11er Kurs und da soll es um die Gründe für Grenouilles Selbstmord gehen (in der mir bekannten Sekundärliteratur für Lehrer spielt der seltsamerweise kaum eine Rolle).
    Als Stundeneinstieg will ich zwei Textauszüge aus dem Roman präsentieren. Im ersten wird Grenouille auf dem Höhepunkt seines Schaffens beschrieben (Hinrichtungsszene). Die Welt liegt ihm da quasi zu Füßen.
    Im zweiten Textausschnitt wird sein Selbstmord beschrieben.


    Erhoffen tue ich mir natürlich, dass die Schüler (den Roman haben alle gelesen) die Frage stellen, warum sich jemand umbringt, der soviel Macht hat. Dann hätte ich eine schöne Leitfrage für die Erarbeitungsphase.


    Aber ich habe so die Befürchtung, dass die Frage nicht kommt. Natürlich könnte ich sie dann auch selber stellen, aber das Ideal meines Fachleiters ist, dass die Schüler die Frage selber entwicklen. Aber wie bringt man sie dazu?


    Stellt man erstmal die Frage, was für eine Frage die beiden Texte aufwerfen?


    Dann noch eine Frage zum Rest der Stunde (Konzept steht leider noch nicht):


    Kern der Stunde sollen ja die Gründe für Grenouilles Selbstmord sein.


    Er will wahrgenommen werden.
    Er besitzt keinen Eigengeruch. Die Menschen nehmen ihn deshalb nicht wahr (da ist natürlich unterstellt, dass die SuS um die Wirkung wissen, die Düften im Roman zugeschrieben wird).
    Er muss nun feststellen, dass auch der selbstgeschaffene Duft kein Mittel ist, um die Aufmerksamkeit der Menschen zu erregen. Diese gilt in der Hinrichtungsszene nämlich nicht ihm, sondern dem Duft, der von ihm ausgeht.
    Ihm wird klar, dass es für ihn kein Mittel gibt, die Aufmerksamkeit der Menschen zu erreichen.
    Der Verzicht auf die Aufmerksamkeit ist für ihn auch keine Alternative. Er will nicht nochmal als Einsiedler leben.


    Angesichts dieser Ausweglosigkeit entschließt er sich zum Selbstmord (steht so nicht explizit da, finde ich aber schlüssig)


    Da frage ich mich, wie ich daraus eine schöne Stunde mache. Ich glaube, es ist einfach zu wenig, wenn man die Schüler mit der Leitfrage (warum bringt er sich um, wo er doch so erfolgreich ist) auf den Text loslässt (auf Dauer ist sowas langweilig). Ich hatte zunächst daran gedacht, eine Art Rahmenhandlung zu erfinden. Die Schüler als Journalisten, die eine Reportage über den Mord schreiben sollen. Bei der Reportage habe ich aber das Problem, dass G. nie über die Gründe für seinen Mord redet. Die erfährt der Leser durch den auktorialen Erzähler. Das ist aber keine Figur, die man für eine Reportage interviewen könnte.


    Wie ich die Ergebnissicherung mache, weiß ich leider auch noch nicht. Das hängt ja auch vom Vorgehen in der Erarbeitungsphase ab.


    Wenn wer Kritik/Ergänzungen oder Vorschläge hat, würde ich mich sehr über ein Feedback freuen.

  • Zitat

    Aber ich habe so die Befürchtung, dass die Frage nicht kommt. Natürlich könnte ich sie dann auch selber stellen, aber das Ideal meines Fachleiters ist, dass die Schüler die Frage selber entwicklen.


    Was ist so schlimm daran?
    Plan A - die Frage kommt von den Schülern
    Plan B - wenn nicht, kommt die Frage von dir


    Das kannst du doch in der Unterrichtsvorbereitung beschreiben und zeigt doch nur, dass du dich gut vorbereitet hast und dass du der Situation entsprechend reagieren kannst.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

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    • Offizieller Beitrag

    Und wenn eine Reportage nach dem Selbstmord geschrieben wird und eben Augen- und Zeitzeugen befragt werden, die Grenouille kennen, nur anwesend waren, etc. Daraus sollte sich doch dann ein bild ergeben, dass dem entspricht, was Du aufzeigen möchtest. Sie nehmen ihn kaum war, auf einmal wird er wahr genommen, sie fühlen sich so sehr von ihm angezogen, weril er so gut riecht. etc.

  • Erstmal vielen Dank für die Antworten. Ich muss mich gleich mal hinsetzen und den Entwurf schreiben. Eine Reportage wird es wohl nicht werden, weil wir heute eine Feueralarmübung hatten, als ich das Thema Reportage nochmal besprechen wollte. Aber mit Interviews geht es ja auch.


    Hm...ein Problem ist mir doch noch eingefallen. Den Selbstmord Grenouilles kann man so nicht erklären. Man erfährt erstmal nur, wie die Leute ihn (bzw. den Duft) wahrgenommen haben


    Nachtrag: Ich habe mich jetzt dafür entschieden, die SuS einen Abschiedbrief schreiben zu lassen, den Grenouille kurz vor seinem Selbstmord verfasst hat. Darin erläutert er, was er mit dem Parfum bezweckt hat, warum er sein Vorhaben als gescheitert ansieht und sich nun umbringen will..

  • So, der Aufbau der Stunde sieht jetzt so aus:


    1. Einstieg
    Die SuS bekommen - wie oben beschrieben -nacheinander zwei kurze Textausschnitte. Im ersten wird Grenouille auf dem Höhepunkt seines Schaffens beschrieben (Hinrichtungsszene). Die Welt liegt ihm da quasi zu Füßen.
    Im zweiten Textausschnitt wird sein Selbstmord beschrieben.


    Die beiden Ausschnitte sollen sie beschreiben und vergleichen.


    Intention ist hier, dass sie die Frage aufmachen, warum Grenouille sich umbringt, obwohl ihm die Welt zu Füßen liegt.


    2. Erarbeitung
    Um diese Frage zu beantworten, sollen die SuS in der Erarbeitungsphase einen Abschiedsbrief Grenouilles schreiben, in dem er darlegt, warum er das Parfum kreiert hat und warum er sich als gescheitert sieht. Den Anfang des Briefes habe ich vorformuliert. So kann ich sicherstellen, dass die SuS auch auf die Punkte eingehen, zu denen ich gerne etwas hören würde. Der Anfang wird ungefähr so aussehen (ist noch nicht ganz fertig):


    Zitat

    Sicher fragt ihr euch, wie man auf die Idee kommen kann, sich ein .. [der Anfang ist noch nicht gut...Da muss ich mir noch was überlegen]
    ... Deshalb schreib ich hier nochmal auf, warum ich diesen Duft entwickelt habe und warum ich trotz meines Erfolges erkennen musste, dass mein sehnlichster Wunsch unerfuellbar ist. Es began an jenem verhängnisvollen Tag, an dem ich feststellen musste, dass ich keinen Eigengeruch habe.


    Dafür habe ich mir eine schöne Kinderhandschrift für das Textverarbeitungsprogramm besorgt. Außerdem werde ich den Brief noch irgendwie altern lassen, bevor ich ihn kopiere. Wenn da sonst noch wer eine Idee hat, um das ganze ein bischen "authentischer" wirken zu lassen, freue ich mich über jeden Tipp.


    Die SuS sollen nun den Abschiedsbrief zu Ende schreiben. Wahrscheinlich lasse ich sie das in Partnerarbeit machen, weil ich einige recht leistungsschwache Schüler im Kurs habe.


    3.Präsentation/Ergebnissicherung


    Da bin ich mir noch unsicher, wie ich es machen soll. Selbst wenn sie den Abschiedsbrief in Partnerarbeit verfassen, sind es zehn Briefe.
    Ich könnte erstmal eine Gruppe vorlesen lassen und dann fragen, ob jemand einen Abschiedsbrief geschrieben hat, der davon abweicht. Danach könnte man die Ergebnisse im Plenum diskutieren. Ich habe da allerdings die Befürchtung, dass da nicht viel kommt.
    Als Ergebnissicherung könnte man dann einfach eine Kopie des besten Abschiedsbriefes anfertigen, die man den SuS dann in der nächsten Stunde gibt.
    Ich bin mir da nur nicht sicher, ob es nicht besser ist, die Sicherung in die Stunde einzubauen. Hat da jemand eine Idee?


    Wenn ihr Kritik oder Ergänzugen habt, würde ich mich sehr über einen Beitrag freuen.

  • Hallo,


    also ich finde den entsprechenden Filmausschnitt (so schlecht der Film auch ist!) dazu sehr hilfreich, denn obwohl es eine echt Orgie gibt, nimmt Grenouille wieder nicht daran teil - es geht nicht um ihn.
    Man müsste die Schüler dazu bringen, zu kapieren, dasss er eigentlich von dieser Macht nichts hat und es niemals um ihn, sondern nur um diesen Duft geht, den er geschaffen hat...


    wie genau hast du denn die Wirkung von Düften schon besprochen - ganz banal über Redensarten wie "jemanden riechen können" oder sowas? ... Es gibt auch nen Artikel dazu, ich weiß nicht in welcher Zeitschrift, ich meine im Spiegel, aber vielleicht findest du was in Biobüchern von KOllegen: da gehts drum, dass man sich den Partner nach dem Duft aussucht, was mit dem Immunsystem zusammenhängt...
    für Genaueres müsste ich in meinen Unterlagen nachsehen und die hab ich grad nciht da....

  • ich habe mir gerade überlegt, dass du mit dem letzten satz aus dem einstiegstext gefahr laufen könntest, dass die schüler nur auf den nicht vorhandenen eigengeruch eingehen. ich glaube, den würde ich weglassen, damit der einsteig etwas allgemeiner ist. du könntest ja im arbeitsauftrag formulieren, dass sie den nicht vorhanden eigengeruch auch thematisieren sollen.


    zum altern des textes: um ihn vergilben zu lassen hilft doch einfach und schnell der gute alte kaffee...
    im netz gibts noch mehr, verschiedene tipps:
    http://www.nachtwelten.de/vB/history/topic/69838-1.html


    (für den link kann ich nichts, den hat google ausgespuckt ;) )

  • Hallo,
    nochmal Dank an alle für die Antworten. Der Unterrichtsbesuch ist gut gelaufen, ich habe das Konzept aber nochmal etwas geändert.
    Wenn es noch wen interessiert, könnte ich heute oder morgen nochmal etwas dazu schreiben.

  • hi,
    da ich nicht so oft im Forum bin, lese ich dies leider jetzt erst.
    Ja, es würde mich interessieren, was du an deinem Entwurf geändert hast!
    Bevor ich nämlich gesehen habe, dass dein U-Besuch schon um ist, wollte ich dir antworten, dass es mir problematisch erscheint, G. einen Abschiedsbrief verfassen zu lassen, denn wem genau sollte er diesen schreiben? Er hat doch gar keine Beziehungen, ist völlig einsam.
    Abgesehen davon erscheint mir dieser Brief schon als eine Art der Ergebnissicherung, denn die Erarbeitung kommt ja vorher, das Resultat wird im Brief verschriftlicht.
    diesen Aspekt des Romans zu thematisieren gefällt mir aber gut, darum frage ich nach. Wie gehst du jetzt mit dieser Stunde weiter um, was wird im Anschluss daran besprochen?


    LG, panic

  • Hallo Panic,
    das Problem mit dem Adressaten wurde hier schon angesprochen (oder ich habe es mit einem Bekannten diskutiert) und ich muss zugeben, dass ich da keine befriedigende Lösung gefunden habe. Das fiel aber nicht ins Gewicht. Man hätte die SuS natürlich auch einen Tagebucheintrag schreiben lassen können. Ich fand den Abschiedsbrief insofern besser, als da nachvollziehbarer ist, warum G. nochmal die Gründe aufzählt. Den Abschiedsbrief habe ich sie auch schreiben lassen.
    Geändert habe ich meinen Entwurf insofern, als ich für den Abschiedsbrief keinen Anfang geschrieben habe, sondern nur die Aufgabe gestellt habe, einen zu schreiben (die Aufgabenstellung war natürlich etwas genauer).


    Was den zweiten Punkt angeht: Einerseits hast du Recht, denn der Abschiedsbrief ist ja immer auch Resultat einer gedanklichen Auseinandersetzung des Schülers mit dem Text. Andererseits wirst du aber vermutlich unterschiedliche Resultate haben (war zumindest bei mir so) und dann (finde ich) sollte schon diskutiert werden, welche Fassung nachvollziehbar ist und welche nicht. Da kann sich also durchaus nochmal was ändern (halte ich sogar für sehr wahrscheinlich) und das Ergebnis, das dann rauskommt, sollte bei mir gesichert werden.



    Zu deinem dritten Punkt:
    Diese Stunde war meine letzte Deutschstunde in diesem Jahr und leider auch in diesem Kurs. Ich werde nächstes Jahr einen Kurs im Doppeljahrgang unterrichten.


    Wenn du aber noch Diskussionsbedarf hast, bin ich auf jeden Fall interessiert, so ich die Zeit dazu habe (daran wird es in den Ferien sicher nicht fehlen).


    LG erstmal

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