Wiedereingewöhnung nach Auslandsjahr - immer so schwer?

  • Hallo allerseits,


    da mir die Wiedereingewöhnung in Deutschland so dermaßen schwer fällt, dass ich mich schon frage, ob mit mir irgendetwas nicht normal ist, dachte ich, ich überprüf das mal pseudo-statistisch und frag nach, ob das anderen, die längere Zeit im Ausland waren, ebenso oder ähnlich ging?


    Ich persönlich dreh hier nämlich phasenweise wirklich extrem am Rad und hab das Gefühl... es irgendwie einfach nicht mehr auszuhalten...


    Ich bin hier so viel angespannter (dabei hab ich ja objektiv gar keinen Stress, sondern könnte wunderbar faulenzen und was weiß ich), ich kann mich mit so vielen Dingen einfach nicht mehr identifizieren.
    Worüber meine Freunde so reden, was für Pläne sie schmieden (halt das übliche: Heirat, berufliche Sicherheit, irgendwann Kinder blablabla)... das erscheint mir alles so überhaupt nicht erstrebenswert.
    Ich versteh mich immer noch sehr, sehr gut mit meinen besten Freunden, so ist es nicht - aber unsere Ideen vom Leben haben sich so unglaublich voneinander entfernt...


    Es ist jetzt auch nicht so, als würde ich die ganze Zeit als das heulende Elend durch die Gegend laufen... ich funktioniere, ich lache, habe Spaß - aber unten drunter ist immer eine Traurigkeit, die ich einfach nicht abschütteln kann und die immer mal wieder mehr hervorbricht - was den Umgang mit mir für meine Freunde natürlich ebenfalls erschwert...


    Entschuldigt bitte, dass ich euch so voll heule, aber ich hoffe ja wie gesagt, dass andere vielleicht ähnliche Erfahrungen gemacht haben und mir Ratschläge geben können (wahrscheinlich hilft es schon zu hören, dass ich nicht total unnormal bin ;) ).


    Ich war ja vor inzwischen leider einem Jahrzehnt für ein Jahr in Kanada - da war das nicht so extrem.
    Es ist natürlich schon so, dass sich dieses Jahr für mich extrem viel verändert hat, vor allem im persönlichen Bereich, bestimmte Einstellungen, Haltungen usw. Vielleicht ist es ja deshalb auch so extrem diesmal.


    Vielen lieben Dank für's "Zuhören"!


    Lieben Gruß
    von einer gerade etwas geknickten Katta

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Ich war ein Jahr in Oxford/England und fand die Rückumstellung auch ziemlich heftig.
    Die Kleinbürgerlichkeit in D hat mich am meisten genervt. Ich habe bei einer englischen Akademikerfamilie gelebt - da waren Bücher und die Ausbildung der Kinder am wichtigsten, Gespräche, Spiele - nie der Fernseher, Klamotten oder andere oberflächliche Äußerlichkeiten.
    In den ersten Wochen wollte ich immer links fahren :D .


    Die Erfahrungen, die man macht, können in D gebliebene nicht nachvollziehen, die können sich nicht vorstellen, dass man auch anders leben kann. Meine Eltern heizen beispielsweise ihre Wohnung hoch, dass ich dort im T-Shirt herumlaufe - in England wurde zweimal am Tag die Heizung angeschmissen, einmal früh, einmal abends. Das hat auch gereicht, und ähnlich mache ich es bei mir.


    Am schlimmsten fand und finde ich die Trennung von meinen dort neu gewonnenen und mir sehr wichtig gewordenen Freunden. Wenn sich die Möglichkeit bietet - und daran arbeite ich - werde ich zurückgehen.

  • Hallo katta,


    mach dir keine Sorgen, dass du "irgendwie nicht normal" bist - ich glaube, es ist ganz normal, dass man sich in seinen Alltag erst wieder hineinfinden muss.
    Ich war seinerzeit ein Jahr in Frankreich und hatte, als ich zurück kam, genau die gleichen Empfindungen, von denen du schreibst. Ich fühlte mich verloren und fremd, hatte das Gefühl, nur ich hätte mich verändert, die (früher vertraute) Welt um mich herum wäre stehen geblieben und wir würden nicht mehr zusammenpassen. Das war keine schöne Erfahrung.
    Ich denke einfach, dass man selbst in dieser Zeit im Ausland überdurchschnittlich viel lernt, erfährt, sich verändert, sich persönlich weiterentwickelt, was man in der gleichen Zeit in der Heimat nicht in dem Maße erfahren würde. Immerhin muss man sich ja von heute auf morgen in einer völlig fremden Umgebung mit einer fremden Sprache durchschlagen. Man lernt neue Leute kennen und - das ist mir am deutlichsten aufgefallen - man blickt von außen auf sein eigenes Land, seinen eigenen Alltag und das kann aus der Entfernung schon sehr lehrreich sein.


    Das Gefühl, in einem Paralleluniversum gelandet zu sein, hatte ich also auch und es dauerte eine ganze Weile, bis ich wieder richtig "angekommen" war und auch akzeptiert hatte, dass dieses Jahr einfach ein Ausflug in eine andere Welt war, der so nie wiederholbar sein würde.


    Hab Geduld, es wird schon. Halte die Kontakte aufrecht, die du gewonnen hast, und verzeih es allen, die nicht das Glück hatten, ein Jahr im Ausland gewesen zu sein, dass sie vielleicht nicht verstehen und nachvollziehen können, wie und was du gerade fühlst.


    Ich drück die Daumen!
    volare

    Eine Lösung kommt fast immer aus der Richtung, aus der man sie am wenigsten erwartet, was bedeutet, dass es keinen Sinn hat, in diese Richtung zu gucken, weil sie nicht von dort kommen wird.


    (Douglas Adams)

  • ich war auch im ausland.
    sicher, der miefige kleingeistige dreh hier in der brd ist schon extrem abturnend, wenn man auch mal anderes kennenlernte. aber das ist nur die atmosphäre, die hier herrschaft. ansonsten besteht eine tiefe innige verbundenheit und sehnsuct zur deutschen heimat. gerade im ausland wird dieses identiäre gefühl gestärkt. die liebe zur heimat, diese ist ungleich mit einer liebe zur realexistierenden brd. insofern kann ich dich verstehen.

    Suum cuique!


    Um Vorwürfen vorzubeugen,
    gilt bei allen meinen Beiträgen mitzudenken:
    BSE:
    (BETROFFENHEIT SORGE ERSCHÜTTERUNG)

    • Offizieller Beitrag

    Ich ebenfalls. Mein "Heimweh" nach Wales hat wesentlich länger angehalten, als der Aufenthalt selbst - und der war schon doppelt so lang wie vom PAD geplant...
    Und auch ich hatte ein Gefühl der "Enge" in der ersten Zeit, auch öfter mal im Gespräch mit alten Freunden. Das hat sich entweder gelegt oder die Freundschaften haben sich geändert.
    Man kommt wieder an, aber das kann dauern... und zu 100% kommt man vielleicht nie mehr zurück. Ist ja auch gut so. Wer will schon als derselbe heimkommen, als der man aufgebrochen ist?

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

    Einmal editiert, zuletzt von Meike. ()

  • Ich danke euch!
    Ich hatte gehofft, hier auf mehr Menschen zu treffen, die mich momentan eher verstehen.
    Ich kann eigentlich auch fast jede eurer Beschreibungen bestätigen - den Blick von außen auf das eigene Land fand ich auch extrem faszinierend und lehrreich, auch das Gefühl der Enge kenne ich (da die da unten in Afrika ja viel mehr Platz haben und ich hier auch noch aus dem dichtesten Ballungsraum Europas komme - zumindest an der Ecke davon - habe ich dieses Gefühl ganz extrem... alles hier ist eng, eingezäunt und es fehlt die Freiheit... die Zäune etc. gab's in Südafrika natürlich auch... sie waren nur weiter weg ;) ).


    Und Meike hat natürlich recht: komplett wieder anpassen möchte ich mich eigentlich auch gar nicht, ich möchte unter keinen Umständen verlieren, was ich gelernt habe!


    Von daher noch mal: danke schön!
    Bin schon wieder etwas entspannter. :)


    Gute Nacht!

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

    Einmal editiert, zuletzt von katta ()

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