Holocaustleugnung in der Schule?!

  • Hallo!

    Hat jemand schon mal Erfahrung mit der Leugnung des
    Holocaust in der Schule gemacht?

    Damit meine ich nicht nur das Bestreiten des
    Holocaust an sich, sondern auch alle unterschiedlichen Stufen – vom
    Infragestellen, Beschönigen bis hin zum Rechtfertigen – egal ob im Geschichtsunterricht, in einem
    anderen Fach oder auch in einem ganz anderen Kontext.

    Im Rahmen meiner Zulassungsarbeit beschäftige ich mich gerade intensiv mit
    diesem Thema und wäre sehr dankbar, wenn ihr von euren Erfahrungen berichten
    würdet. Entweder direkt hier, so dass auch die Möglichkeit
    besteht, sich über mögliche Handlungsalternativen etc. auszutauschen, oder auch
    gerne per PN.

    Viele Grüße, Katrin

    • Offizieller Beitrag

    In den sieben Jahren als Vollzeitlehrer ist mir an den drei Schulen, die ich aus dem Ref. und der Zeit danach kenne, noch nie jemand begegnet, der den Holocaust offen und direkt geleugnet hätte.
    Das "Schlimmste", was ich diskutieren musste, waren Auf- und Gegenrechnungen, also wer wie viele Menschen auf welche Art und Weise umgebracht hat und ob nicht andere Länder auch schreckliche Verbrechen begangen hätten.

    Ich bezweifle, dass es sonderlich viele Schüler gibt, die offen und gegenüber einer Lehrkraft den Holocaust leugnen. Sind die Schüler darüber hinaus über 14 Jahre alt, drohen ihnen ja auch die Konsequenzen des §130 (3) und (4) StGB.

    Die meisten Schüler, die mir begegneten, waren aufrichtig betroffen und fanden recht wenig "Verständnis" für die Gräueltaten der Nazis. Was an oberflächlicher Gleichgültigkeit übrig blieb, war der Übersättigung mit dem Thema geschuldet. Heute beginnt man ja gerne im Deutschunterricht in Klasse 6 mit "damals war es Friedrich", macht in Religion beim Thema Judentum weiter etc. und kommt ja bezeichnenderweise im Geschichtsunterricht als letztes mit dem Thema dran.

    Ich fürchte, dass Du hier bis auf vereinzelte und keinesfalls repräsentative Fälle nicht viele Beispiele bekommen wirst.

    Falls Du hier bereits die Suchfunktion verwendet hast, wirst Du feststellen, dass allenfalls zwei oder drei Threads gibt, die sich mehr oder weniger direkt auf die Frage beziehen. Die meisten davon sind auch schon einige Jahre alt. Da hier ja über so ziemlich jedes Problem diskutiert wird, spiegelt das sicherlich auch die zumindest nach Außen eher gering vorhandene Problematik wider.

    Dennoch viel Erfolg bei Deinem Vorhaben.

    Gruß
    Bolzbold

    • Offizieller Beitrag

    Trantor

    Für gewöhnlich aber doch nur dann, wenn sie nicht in der Tradition der deutschen Vergangenheitsbewältigung aufgewachsen sind und/oder eine religiös motivierte und ansonsten unbegründete Aversion gegen Juden bzw. alles Jüdische haben. Da steht dann aber auch ein entsprechendes Elternhaus mit entsprechenden Verbindungen (wahlweise eine Koranschule) oder ein entsprechender Freundeskreis dahinter.

    "Aus freien Stücken" würden Migrantenkinder sicherlich nicht auf die Idee kommen, den Holocaust per se abzulehnen.

    Gruß
    Bolzbold

  • Für Geschichtslehrer ist es immer ganz praktisch, nur für den Notfall ein bisschen Hintergrundwissen im Kopf zu haben, auf das man ad hoc zugreifen kann.

    Gut und griffig sind:

    Baier-Galanda et al. (Hrsg) Die Auschwitzleugner. ‚Revisionistische‘ Geschichtslüge und historische Wahrheit. Elefanten Press, Berlin 1997.
    Kenneth McVays "Nizkor Projekt".
    Jürgen Langowskis "Holocaust-Referenz. Argumente gegen Auschwitz-Leugner"

    "Argumente" von Holocaust-Leugnern sind ermüdend repetetiv in ihrer rhetorischen Strategie, welche mit einiger Erfahrung sehr leicht zu dekonstruieren ist, die aber erstaunlich gut funktioniert, wenn sie einen auf dem falschen Fuß erwischt und man kann keine Erfahrung hat. Es kann nicht schaden, sich als Geschichtslehrer mal ein bisschen einzulesen, wenn man die Vermutung hat, dass man mit Holocaustleugnung konfrontiert werden könnte.

    Nele

  • Bei ausländischen, insbesondere muslimischen Schülern schon öfters, aber die kann man ja schnell widerlegen.

    Kann ich bestätigen. Hier wird wohl in muslimischen Kreisen massiv gegen Juden agitiert. Besonders von den türkischen Jungs wurden Sympathien für Hitler und seine Maßnahmen geäußert. Als ich denen jedoch verdeutlicht habe, dass sie als "Nicht-Arier" unter Hitler kein einfaches Leben gehabt hätten und als "Untermenschen" eventuell selbst im KZ gelandet wären, kamen sie ins Grübeln.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    • Offizieller Beitrag

    Kann ich bestätigen. Hier wird wohl in muslimischen Kreisen massiv gegen Juden agitiert. Besonders von den türkischen Jungs wurden Sympathien für Hitler und seine Maßnahmen geäußert. Als ich denen jedoch verdeutlicht habe, dass sie als "Nicht-Arier" unter Hitler kein einfaches Leben gehabt hätten und als "Untermenschen" eventuell selbst im KZ gelandet wären, kamen sie ins Grübeln.

    Das gibt es aber auch bei anderen Ausländern. Ich weiß immer noch nicht, ob ich über den Kroaten lachen oder weinen soll, der sagte: "Ich finde Hitler gut, weil er die Osmanen aus Kroatien vertrieben hat."

  • Vielen Dank erstmal für eure Beiträge, das hilft mir auf jeden Fall schon weiter!

    Vielleicht mag der ein oder andere ja noch schreiben, wie er denn vermutlich reagieren würde, wenn eine Schülerin oder ein Schüler in seinem Unterricht ganz konkret leugnen würde, dass es den Holocaust gegeben hat.
    Würdet ihr das sofort vor der ganzen Klassen thematisieren oder eher in einem späteren Einzelgespräch? Würdet ihr überhaupt inhaltlich darauf eingehen oder solche Beheuptungen eher versuchen abzublocken? ...

    Viele Grüße, Katrin

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