Falsche Einstellung zur Ausbildung

  • auf die gefahr hin, mich schweineunbeliebt zu machen: fachlich unterfordert die gymnasiale oberstufe natürlich leute, die gut genug sind, um in der forschung große sprünge zu machen (und als dozentin sag' ich jetzt mal, dass die meisten lehramtsstudierenden das nicht sind; die zukünftigen forscher kristallisieren sich früh raus, oft schon in den einführungsseminaren). fachlich ist der schuldienst gegen arbeit an der hochschule ein "abstieg". man kann im schuldienst kaum forschen oder wirklich forschung mit schülern betreiebn. was man super machen
    kann ist freilich wissenschaftspropädeutik, aber das ist nicht dasselbe.


    der schuldienst bietet aber dafür ganz andere herausforderungen, pädgogischer, didaktischer, menschlicher art, und die sind mindestens genauso spannend und toll. wer von der uni an die schule wechselt, erlebt das also anfangs oft durchaus als 'abstieg', ändert das aber meist, wenn er/sie sich entschließt, im schuldienst zu bleiben, weil er/sie die arbeit dort schätzt und mag.


    die meisten unikarrieren enden vor allem bei frauen zumindest in den geisteswissenschaft *nicht*, weil man es *nicht schafft*, sondern weil die arbeitsbedingungen prekär und unter aller sau sind (halbe stelle mit voller arbeit, extreme hierarchie je nach lehrstuhl, sehr große mobilität bis mitte 40 mindestens nötig, immer nur befristete verträge, oft nur drei monate, extrem viel antragsprosa, absurde korrekturbelastung, publish, publish und nochmal publish, auch wenn's bullshit ist und du das weißt, bloß nicht schwanger werden und wenn doch, dann arbeit noch auf dem wochenbett, schlafen kannst du nach der habil, und was anderes als eine fernbeziehung wirst du vermutlich nie führen, außer einer von euch gibt die wissenschaft auf...), was im schuldienst zumindest meist deutlich weniger der fall ist und schließlich zur entscheidung für die schule und gegen die uni führt.


    (ich kenne mindestens zehn professoren privat, die kinder haben, aber nur eine einzige professorin, und das kind lebt bei ihrem partner in den usa, während sie hier lehrt.)


    "fachlich unterfordert" im schuldienst ist keine abwertung des schuldienstes, genauso wie "didaktisch unterfordert" in der akademischen lehre keine abwertung der akadmeischen lehre sind. das sind einfach zwei verschiedene arbeitsfelder mit sehr unterschiedlichen anforderungen.

  • Das heisst so viel wie DU, lieber kryptischer Irgendwas, bist zu doof und zu schlecht dafür an der Uni was zu reissen und jetzt hast Du die grandiose Idee, Schüler an einem Gymnasium mit Deiner Mittelmässigkeit zu belästigen um Dich selbst vielleicht ein bisschen schlauer zu fühlen.



    was soll das denn? Ich mein man kann doch genug zum Thema sagen ohne beleidigend zu werden.


    Egal, wie unterschiedlich unsere Ansichten sind oder wie sehr meine Äußerungen Dich aufregen, persönliche Beleidigungen gehen gar nicht - auch nicht, wenn man sich schon im Vorfeld dafür entschuldigt.


    Ein bisschen beschämend finde ich, wenn Leute, die im Lehrerberuf neu sind oder schnuppern, hier wild beschimpft werden, und du hast völlig recht, "zu doof" etc. geht gar nicht.


    Ay caramba! Da ist sie ja schon, die so vehement verteidigte und neue Forumskultur.


    Den weiteren Kommentaren entnehme ich, dass das doch nicht jeder sooo toll findet. Ich auch nicht!

    Die Wahrheit liegt im Blickwinkel des Betrachters.

  • Vielleicht denkst du auch mal drüber nach, Wollsocken.

    Darüber denke ich nicht nach denn ich habe es genau so gemeint, wie ich es geschrieben habe. Klar war es eine Beleidigung aber ich hätte das in dem Fall dem Threadersteller genau so auch ins Gesicht gesagt, bei dem Thema platzt bei mir einfach alles. Ich habe auch absolut keine Lust mich dafür zu entschuldigen. Davon kann jetzt auch jeder halten, was er will.


    Zitat von \mathrm{div} \vec{B} =

    da ich eine Promotion mit Bestnote und eine ordentliche Publikationsliste vorweisen kann

    Wie gesagt ... nach 12 Jahren Uni und 7 Jahren davon in der Forschung weiss ich selbst, wie sowohl das eine als auch das andere zustande kommen kann. Ich schreibe ausdrücklich KANN, weil ich natürlich nicht behaupten kann, dass es bei Dir genau so war wie bei so vielen anderen Leuten, die ich auf meinem Weg kennen gelernt habe und denen man das summa cum laude geradezu hinterher geworfen hat. Ich weiss natürlich auch, wie man seinen Hirsch-Index pushen kann. Ich wurde selbst beim Publizieren mehrfach dazu genötigt, das für andere Leute zu tun.


    Zitat von \mathrm{div} \vec{B} =

    Daher war mir die universitäre Karriere bisher etwas zu riskant, da wollte ich lieber die Sicherheit als Lehrer, obwohl ich interessante Angebote für wissenschaftliche Stellen hatte (das waren aber eben selbstverständlich keine festen Stellen, sondern für ein paar Jahre befristete ohne Aussicht auf Verlängerung - das ist das Übliche). Außerdem sind Lehrer auch finanziell besser dran als Postdocs.

    Die "Sicherheit als Lehrer" ist die falsche Motivation für den Beruf. Ich habe das alles selbst durch was Du da schreibst. Mein Gehalt ist jetzt auch fast doppelt so hoch wie es zuvor als PostDoc an der Uni Genf war. Das hat mich aber alles nie primär interessiert, ich WOLLTE einfach Lehrer werden. Ich habe es in Deutschland nur nicht gemacht, weil mir dort die Lehrerausbildung immer zu schlecht erschien. Gerade weil meine Motivation so völlig anders ist, reagiere ich immer so extrem gereizt darauf, wenn ein selbsternannter Ex-Beinahe-Top-Forscher von der Uni kommt und beschliesst sich im Berufsbeamtentum zurück zu lehnen. Das gibt es unter uns Lehrer in der Schweiz übrigens gar nicht. Hier wird durchaus auch mal Leuten gekündigt, weil sie zu schlechten Unterricht geben.


    fachlich ist der schuldienst gegen arbeit an der hochschule ein "abstieg"

    Das kommt darauf an, wie man "Abstieg" definiert und ich definiere das für mich nicht im geringsten als Abstieg. Ich denke und diskutiere z. B. gerade so viel wie schon lange nicht mehr über die Bindungslehre um herauszufinden, wie weit man mit den SuS in der Theorie gehen muss, um hypervalente Verbindungen wie z. B. Schwefelhexafluorid zu erklären. Wir haben hier auch viele spannende Gefässe um sehr interessierten SuS Einblicke in die universitäre Forschung zu gewähren. Es kommt eben auch im Lehrerberuf darauf an, wie ambitioniert man selbst ist. Es stimmt natürlich, dass man einfach "Dienst nach Vorschrift" machen kann und kommt so bis zur Rente durch. Wem das zu langweilig ist, der muss eben selbst dafür sorgen, dass der Beruf spannender wird. Möglichkeiten gibt's genug dazu.


    Ich habe immer schon gewusst, dass ich für die zündenden Ideen in der Forschung nichts tauge bzw. erschien mir viel zu vieles, was in meinem Umfeld gemacht wurde, als zu belanglos. Man forscht doch im wesentlichen um zu publizieren und zu promovieren und nur alle gefühlten 100 Jahre kommt mal war wirklich Cooles dabei rum. Ich habe brav meine Anträge und Publikationen geschrieben aber das hat mich alles nicht so recht zufrieden gestellt. An der Schule ist das für mich anders. Da sehe ich den direkten Erfolg wenn wieder ein Schüler mehr - und wenn auch erst nach der 20. Erklärung - geschnallt hat, was das Coulomb'sche Gesetz jetzt mit der Gitterenergie bei einem Salz und die wieder mit dem Schmelzpunkt des Salzes zu tun hat. Da beschleicht mich immer die leise Hoffnung, dass vielleicht sogar mal ein "grosser Forscher" draus wird - einer muss es ja schliesslich tun ;)

  • War das ein Gespräch mit Lehrerkollegen? Mich wundert es ja wie sehr sich Lehrer manchmal selbst unter den Scheffel stellen.

    Ja, mit einem Lehrerkollegen. Aber einem von der Sorte x Jahre in der Industrie gearbeitet, dann wegrationalisiert worden und jetzt leicht angefrustet Lehrer. Versucht sich den lieben Tag lang einzureden, dass die Work-Life-Balance eines Lehrers ja eh viel toller sei. Gerade dieses betonte "es ist ja eigentlich gar kein Abstieg weil viel entspannter usw." lässt aber immer wieder durchkommen, dass ihn wohl doch eher das Gegenteil umtreibt.


    Von unter den Scheffel stellen kann hier aber ansonsten keine Rede sein. Auf Sek II arbeiten in der Schweiz keine "Lehrämtler" im klassischen Sinne, hier muss jeder erst mal einen vollwertigen Master im Hauptfach machen, erst dann kann man in Kombination mit einer pädagogischen Ausbildung unterrichten. Das macht für mich vieles sehr viel angenehmer.

  • Ich denke und diskutiere z. B. gerade so viel wie schon lange nicht mehr über die Bindungslehre um herauszufinden, wie weit man mit den SuS in der Theorie gehen muss, um hypervalente Verbindungen wie z. B. Schwefelhexafluorid zu erklären.


    Ich denke momentan wieder sehr viel über die diskurshistorischen und geschichtstheoretischen Ergebnisse meiner Diss nach, um meinen Schülern im Geschichtsunterricht einen verständlicheren und nachvollziehbareren Einstieg in die Quellenkunde zu geben, so dass ihnen klarer wird, warum historische Texte Teil eines dynamischen Prozesses innerhalb wechselnder Kontexte sind und die genaue Betrachtung der äußeren Quellenmerkmale deshalb mehr sind, als abzuarbeitende Checklisten für die Klausur.


    Und ja, so ein "trockenes" Thema kann man interessant und lebendig machen.


    Nele

  • "fachlich unterfordert" im schuldienst ist keine abwertung des schuldienstes, genauso wie "didaktisch unterfordert" in der akademischen lehre keine abwertung der akadmeischen lehre sind. das sind einfach zwei verschiedene arbeitsfelder mit sehr unterschiedlichen anforderungen.


    kecks, ich sehe das wie du, und ich habe in etwa solch prekären Verhältnissen gelebt, wie du es schilderst, als ich noch an der Uni war. Es ist beklagenswert.


    Schule ist halt eine andere Welt mit anderen Erfordernissen.


    Ich kann die Lehrbücher lesen und verstehen und weiß doch sehr genau, dass das nicht dasselbe ist wie die neuesten wissenschaftliche Veröffentlichungen meiner Fächer zu studieren. Die verstehe ich meistens nicht (mehr). Ich mache jetzt halt andere Sachen. Die sind fachlich leichter, Punkt! Was ist denn dabei?


    Unser Threadstarter hat auch genau das gesagt: Er fühlt sich fachlich unter- und pädagogisch überfordert. Das war ehrlich und ich weiß immer noch nicht, was daran verwerflich sein soll. Natürlich bin ich fachlich unterfordert, wenn ich zum hundertsten Mal die pq-Formel erklären muss. Na und? Das ist doch nicht ehrenrührig? Wenn ein Arzt sich unterfordert fühlte, wenn er mal ein Pflaster klebt, wäre das ein Grund zur Empörung? Ich bin auch "fachlich unterfordert", wenn ich Aufsicht führe. Das kann der Hausmeister genauso gut, der kann halt nur nicht überall sein.


    Auch ich denke manchmal über fachlich anspruchsvolle Dinge nach, ja, und was oben zur wissenschaftlichen Verbundenheit mit dem Fach stand, die notwendig ist, um es zu vermitteln, kann ich nur unterschreiben. Ich lese auch Fachliteratur, gelegentlich. Aber ich muss jetzt nicht tun, als würde ich auf dem Level eines Hochschulprofessors arbeiten. Das wäre einfach Quatsch. Und ich muss auch nicht auf jemanden losgehen und ihn arrogant schimpfen, der an der Uni besser aufgehoben ist.

  • Naja, ich denke, der wackere Doktor ist hauptsächlich deshalb angeeckt, weil er sich hier mehr oder wenig als jemand präsentiert hat, der eigentlich zu gut dafür ist, sich in die "primitiven Niederungen" des Schuldienstes zu begeben und dabei - Gott bewahre! - eventuell Schüler zu unterrichten, die nicht auf der Warteliste für das Juniorstudium in Physik vor dem Abitur zu stehen...


    Nele

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