Billy Elliot in der 7?

  • Ihr Lieben,


    brauche Rat, bevor ich mich um Hilfe winselnd an meine Fachleiterin wenden muss. Ausgangssituation:
    Eine eigentlich liebe, aber auch gern chaotische 7, mitten in der Pubertät, Jungs und Mädchen titulieren sich wechselseitig hauptsächlich mit "iieehh", ich muss ziemlich mit dem Fuß aufstampfen, um sie zu einer gemeinsamen Gruppenarbeit zu bewegen (natürlich Extremkandidaten, es gibt auch ein paar, die damit keine Probleme haben, aber die Grundstimmung steht). Einer der Schüler, der geistig etwas weiter ist und oft konfliktlösend eingreift, wird hin und wieder als "schwul" tituliert - er nimmt's recht gelassen, aber glücklich ist er damit nicht. Ein anderer Schüler hat bei einer Balladenaufführung (freiwillig und hervorragend) das Burgfräulein gespielt, wird deswegen liebevoll geneckt, aber nichts Ernstes. Eigentlich alles normal, also. Trotzdem find ich, es wird Zeit, dass wir uns mal ein paar Gedanken über ROllenverhalten, Rollenerwartungen usw. machen. Erfreulicherweise ist das in Deutsch auch grad "dran", das Lesebuch schlägt allerdings (recht langweiliges) Material hauptsächlich zu sozialem Rollenverhalten (arm-reich, Kinder-Erwachsene usw.) vor. Da denkt sich doch der abenteuerlustige Referendar, das machen wir anders, dann machen wir doch lieber Geschlechterrollen, und zwar anhand des Films "Billy Elliot" (Bergarbeitersohn schafft es, gegen den Willen von... na ja, so ziemlich allen in die Londoner Ballettschule aufgenommen zu werden). Ist sehr lustig, anrührend, eine Transe kommt auch drin vor, und insgesamt geht's sehr um das "was Jungs machen" und "was Mädchen machen".


    ABER. Ich stelle fest, ich bin nervös. Mehrere Gründe:
    - fachlich: Für eine echte Filmanalyse sind sie mir noch zu klein, aber wir werden schon Charakterisierung usw. besprechen. Vom Stoffverteilungsplan NRW ist Film als Medium in der 7 noch nicht vorgesehen. Kann ich das trotzdem machen oder kommt dann ihr "Lesepensum" zu kurz? (Romanreihe schließt sich an).
    - sowieso, Filmbesprechung: Hat das jemand schon mal in der Jahrgangsstufe gemacht und hat Tipps? Ich hatte mir das so vorgestellt, dass wir uns in jeder Stunde ca. 20 Minuten des Films ansehen, begleitet von antizipierenden und nachbereitenden Aufgaben, teilw. auch begleitende, z.B. Dialog zu einer ohne Ton angesehenen Szene erfinden usw. Reicht das, oder gibt's da schlauere Methoden?
    - moral: ich werd prüde wie meine Oma. Szenen, gegen die Eltern (eine meiner Schülerinnen ist Zeugin Jehovas) möglicherweise Einwände erheben könnten:
    a) In zwei Szenen küsst ein Junge den anderen auf den Hals (unsexuell).
    b) Ein Mädchen sagt zu einem Jungen, den es umgarnen möchte: "Soll ich dir meine Muschi zeigen?" Er reagiert verlegen "Och nee, lass ma..."
    c) Einer der Jungs zieht gern die Kleider seiner Schwester an, taucht am Ende als erwachsene (und sehr liebenswerte) Transe auf.
    d) Tscha, und eben die Sache mit dem Jungen, der halt unbedingt Ballett tanzen möchte. Kann das (berechtigetn) Stress mit Eltern geben? Wie sollte ich reagieren?
    - allzuviel ist ungesund: Und natürlich mach ich mir ein bisschen Gedanken, ob es sinnvoll ist, das Thema so "vom Lehrer aus" aufs Tapet zu bringen. Oder bring ich sie damit erst recht auf den Gedanken, das Burgfräulein für eine Transe zu halten? Respektive, dass "komische" Jungs vom Lehrer in Schutz genommen werden und deshalb erst recht doof sind? Irgendwie alles sehr verworren...


    Brauche Rat und Hilfe, denn Erziehen ist eine große Verantwortung.


    Auf Ideen und Erfahrungen hoffend,
    w. :(

    Frölich zärtlich lieplich und klärlich lustlich stille leysejn senffter süsser keuscher sainer weysewach du minnikliches schönes weib

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  • Billi Elliot - Mein absoluter Lieblingsfilm.


    Wie du richtig bemerkst, geht's um "Sich-selbst-werden", den eigenen Weg gehen, zu sich selbst finden und den schwierigen Weg durch die Pubertät.


    Arbeitslosigkeit, soziale Probleme, Freundschaft der Film bietet so viele Ansätze für Diskussion und zum Nachdenken - und zum Schmunzeln.


    Ich hab' mir den Film vor drei Wochen als DVD zugelegt - lag im Kaufhaus im Wühltisch - und werde ihn vermutlich nächstes Jahr mit meinen Schülern anschauen.
    Dann sind sie alt genug - in der 6.Klasse.


    Zitat

    sowieso, Filmbesprechung: Hat das jemand schon mal in der Jahrgangsstufe gemacht und hat Tipps? Ich hatte mir das so vorgestellt, dass wir uns in jeder Stunde ca. 20 Minuten des Films ansehen, begleitet von antizipierenden und nachbereitenden Aufgaben, teilw. auch begleitende, z.B. Dialog zu einer ohne Ton angesehenen Szene erfinden usw. Reicht das, oder gibt's da schlauere Methoden?


    Willst du das dem Film antun?


    Ich schaufle mir zur Zeit Platz, um mal zwei Stunden mit den Schülern einen Film anzusehen:
    Abmachung mit der Klasse: Wenn 20 Stunden zu meiner Zufriedenheit gelaufen sind, machen wir zwei Stunden Kino. (Punktekonto für alle sichtbar an der Seitentafel - gestörte Stunden geben Punktabzug). Ich vergebe meine Punkte kritisch. Mal sehn, ob wir bis Ostern einen Film anschaun.


    Ich muss allerdings dazu sagen: Ich bin Klassenlehrer in meiner Klasse und seh' sie 26 Stunden pro Woche.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

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  • Ich hab' mal kurz auf die Hülle geschaut:
    Billy Eliot: FSK ab 6 Jahre.
    :D


    Und zum Lehrplan: Scheinbar hast du den noch nicht so genau gelesen. Sonst wüßtest du besser, dass du viele Freiheiten hast....
    In welchem Bundesland arbeitest du? Neue Länder? Habt ihr noch Planwirtschaft?


    Pädagogik ist angesagt! Und da kann man mit Billy eine Menge reinpacken - und sogar noch Spaß haben.


    Und zu Heike:

    Zitat

    Klar werden die kichern und "ihhh-huhahaha-ihhhh" brüllen - macht nix!


    Denk' ich nicht. Die Szenen sind so klasse gedreht - die sind nicht zum Kichern - die sind brüllend komisch und gut gemacht und gehen "straight to the heart".

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

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  • Wolkenstein wird sicher verstehen, wie's gemeint war.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Friede, Friede... erst mal danke für eure Tipps und euren Zuspruch, dann bin ich mal gespannt, wie die Reihe läuft. Was die Sache mit der Planwirtschaft angeht - ich weiß schon auch, dass ich Freiheiten habe, gehe aber davon aus, dass das von
    45-Minuten-Rhythmus-Kurs-Lehrer-Klassenwechsel geplagte Schülerleben durch irgendwas ja aneinander gebunden werden muss, und wenn's die meisten Leute auch ignorieren, so ist der Lehrplan gar nicht so übel dafür. Klar hat jeder seine pädagogischen Freiheiten... führt aber leider dazu, dass manche Themen totgeritten werden, weil sie den Schülern x-mal begegnen, und andere nicht drankommen. Bestes Beispiel ist "Drittes Reich", dass von Deutschlehrern gern viel zu früh/ zu oft drangenommen wird, weil sich mit den entsprechenden Lektüren so schön Betroffenheit erzeugen lässt. Drum interessiert's mich schon, was ich denn bei aller pädagogischer Freiheit als Pflichtpensum schaffen sollte.
    Soviel dazu. Was nix dran ändert, dass Alias' Zuspruch schon gut getan hat, denn eigentlich frag ich mich ständig, wieviel ich mich denn trauen darf. Probiern wir's aus.


    Werd euch auf dem Laufenden halten,
    w.

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