Beiträge von Thamiel

    Tja. Dazu kann ich auch was beitragen: Ich wollte mir hier vor Ort endlich mal einen lokalen Zahnarzt aussuchen und nicht mehr zweimal im Jahr zu meinem angestammten in die Heimat tingeln zur Zahnreinigung. Aus einem Termin sind dann über die Ferien mal flugs 5 geworden *g* und das ohne schmerzhaften Anlass. War aber gut und mein Neuer hatte auch trotz Corona volles Haus. Trotz aller möglichen Vorsichtsmassnahmen.

    Bei meinem Vereinen ist es seit Mai so, dass es behördlicherweise eine Höchstzahl an Sportlern gibt, die zur gleichen Zeit trainieren dürfen, zuzüglich zu den Auflagen, die Sportschießen sonst noch hat (Aufsichtsführung usw.). Das sieht so aus, dass wir uns online für bestimmte Zeitfenster und bestimmte Schützenstände anmelden können (first come first serve), wobei die verfügbaren Stände aufgrund des einzuhaltenden Abstands auf dem Schießstands auch auf 30% reduziert sind (von 10 Luftdruckwaffenständen sind bspw. nur 3 benutzbar, weil die anderen dazwischen leer sein müssen).

    Du darfst nicht im Schützenhaus verweilen, du wartest auf dem Parkplatz, bis du aufgerufen wirst. Du desinfizierst dir die Hände, du trägst dich mit Namen und Adresse, Datum und Zeit in die Anwesenheitsliste ein, ins Schießbuch sowieso und dann gehst du durch zum Stand und nutzt deine Zeit für autodidaktisches Einzeltraining. Kein Toilettengang, keine Getränke, kein Gespräch, kein Coaching, von früheren "Extravaganzen" wie Videoanalyse etc. ganz zu schweigen. Nur du, deine Mitschützen und die Aufsicht. Bis vor 4 Wochen musstest du auch beim Training Mundnasenbedeckung tragen, was ein Problem sein kann, wenn du auf eine Schießbrille angewiesen bist, das nur als kleine Episode nebenher. Danach gehst du raus und fährst heim. Aber auf Wiedersehen darfst du sagen.

    Seit zwei Wochen hat ein Nachbarverein seinem Ordnungsamt ein flexibleres Verfahren aus den Rippen geleiert, das _fast_ wieder so aussieht wie vor Corona. Unter der Voraussetzung, dass die Trainingsnachfrage auf dem niedrigen Level der letzten Wochen verbleibt. Was aber zu vermuten ist, da es außer persönlichen sportlichen Gründen zur Zeit keine Motivation mehr gibt, überhaupt den Sport zu trainieren. Meisterschaftsrunden und Rundenkämpfe wurden abgesagt. Privatturniere desgleichen. Ich hatte letztes Jahr um die Zeit alle zwei Wochen Rundenkämpfe, ausserdem war Trainingsauftakt für die Meisterschaften, die am 1. Oktober des Jahres beginnen sollen. Heuer existieren noch nicht mal Zeitpläne, ob etwas stattfindet, geschweige denn welche Disziplin an welchem Tag bei welchem Verein geschossen wird.

    Beim Reiten genauso. Meine Frau ist auf dem Hof Reitlehrerin, die hatte April / Mai herum keine Reitstunden aufgrund untersagter Schülergruppen. Mittlerweile geht das wieder weil man amtlicherseite zu der Meinung gekommen ist, dass Reiter im Sattel per definitionem einen ausreichenden Abstand zueinander einhalten.:sleeping:

    Das ist "nur" der Sport. Daneben bin ich auch noch Jäger in einem 1000ha Revier. Unkenrufen bestimmter Gesellschaftsgruppen gegenüber der "Hobbyjagd" zum Trotz hab ich gegenüber meinem Beständer und den Landwirten im Revier Aufgaben zu erfüllen. Der Waldbesitzer will Reh aufgrund Verbiss kurz gehalten haben, die Bauern wollen dass das Schwarzwild aus ihren Maisfeldern wegbleibt. Alle 2 Wochen kommen neue Hiobsbotschaften aus Belgien mit "ASP" in der Überschrift und daneben gibt es ja auch noch so Nebensächlichkeiten wie behördliche Abschusspläne zu erfüllen. Was hat das mit Corona zu tun? Siehe oben: fehlende Infrastruktur. Schießstandzeiten sind ein rares Gut, zumahl wenn es sich um Schießstände handelt, die jagdwaffentauglich sind. Wenn dir dann der Bock im Fadenkreuz steht hoffst du dann schon, dass sich seit dem letzten Kontrollschuss von vor 6 Wochen zwischenzeitlich hoffentlich nichts am Gewehr verändert hat. Ansonsten flickst du ihn nämlich nur an und das Drama mit offenem Ausgang beginnt. Aber dann auf die Hobbyjäger schimpfen.

    Lange Rede, kurzes Fazit: Ich bin keine besonders vernetzte Person. Meine Frau hat einen um ein Vielfaches größeren Freundeskreis als ich. Daher sind die direkten Einschränkungen von Corona auf meinen Alltag nicht schwerwiegend. Die indirekten Einschränkungen, der Wegfall an Ressourcen, auf die ich teilweise auch angewiesen bin und nicht verzichten kann, die nerven mich.

    Ich hab keine Ahnung, was und wie du trainierst. Du aber auch nicht, wie andere das machen.

    Natürlich weiß ich das. Meine Sportarten setzen Infrastrukturen voraus und die unterliegen nunmal landesweit seit Mai restriktiven behördlichen Bedingungen die genau darauf abzielen, Sportler räumlich und/oder zeitlich zu trennen. Die Monate zuvor waren sie sogar komplett geschlossen gewesen. Ich weiß sehr gut, "wie andere das machen". Schließlich sitzen ich mit den anderen seit Monaten im gleichen Boot.:rolleyes:

    Ich hätte leichte Probleme, einen Vergleich zu ziehen. Der Zustand vor Corona ist Monate her und ich hab mich mit den Gegebenheiten arrangiert. Das erschreckt mich schon etwas.

    Heute war ich mal wieder unter Auflagen im Verein trainieren und da ist mir bewußt geworden, wieviele Gesichter ich wie lange nicht mehr gesehen habe, was wir früher zusammen immer noch neben dem Training geklönt haben. So um die Jahreszeit hatte bei dem Wetter früher immer jemand den Grill angeschmissen und einen Kasten rausgestellt weil es irgendeinen Vorwand gab was zu feiern. Das après-tir. Meine Mannschaftskameraden hab ich seit Beginn der Krise nicht mehr in natura gesehen. Auf dem Pferdehof ist es ähnlich: mit Voranmeldung allein am Putzplatz und die einzigen, die dich wie immer begrüßen, sind die Hofhunde.

    Beim Einkaufen und in der Stadt nerven mich die freien Gesichter. Ich meide Menschenansammlungen wann immer möglich. Ich denke nicht mal dran ins Schwimmbad zu gehen und das bei der momentanen Hitze. Ich hab in der ganzen Zeit eine Geburtstagsfeier besucht und das auch nur, weil es eine Kollegin war. Ich kriege jedesmal leichte Hintergedanken, wenn ich dran denke, wie schön es wäre, mal wieder meine Eltern zu besuchen und nicht nur zu telefonieren. Die gehen auf die 80 zu, wieviel Jahre bleiben da noch? Wie viele Jahre bleiben noch, wenn ichs mache?

    Ich verstehe die Leute nicht, die auf die Sache pfeifen oder sie nicht sehen wollen oder so tun, als gehe sie das alles nichts an. Aber dann denke ich an meine Kids, an die schnelle Bedürfnisbefriedigung, an die fehlende Ausdauer, Frustration und Mühe aushalten zu können und weiß ja auch, wo das her kommt. Mit ein bisschen Pech haben wir bis jetzt nicht mal die Hälfte der Zeit hinter uns, bis sich an der medizinischen Front etwas grundlegend ändern wird und dann muss ich an ein Zitat denken, das ich kürzlich gelesen habe, dass dieses Virus die größte Schwäche der Wohlstandsgesellschaft offen legt.

    Das gibts für jeden Beruf. In Ausbildungsberufen wird zB. noch viel rustikaler aussortiert. Revisionen in der Traineezeit sind auch nicht lustig. Wer da nicht 24/7 auf der Matte steht, um beim Kunden das Produkt zu bewerben, zu schulen, zu warten, zu reparieren usw. hat wenn sonst nichts zu finden ist eben auch keine passende "Persönlichkeit" für das Berufsfeld oder der corporate identity.

    Aber es ist doch so? Ich sage ja gar nicht, dass man das nicht dürfte, aber wenn du sagst, dass wir die Lage soweit im Griff haben, dann gibt es doch keinen weiteren Anlass mehr dafür?

    Aussagenlogik 101: Der Wahrheitsgehalt von "Wenn es regnet, wird die Straße nass." ist nicht übertragbar auf "Wenn die Straße nass wird, gilt/passiert XYZ."

    Klärt mich auf, wenn in euren Zeitungen steht, dass sich die Infektionsrate seitdem dramatisch oder überhaupt erhöht hätte.

    In dem Punkt interessieren mich Zeitungen eher gar nicht. Wenn Sachsen den Weg NRWs gehen will hast du mein Bedauern. Wir haben hier wechselweise halbe Klassen im Präsenz- und Fernunterricht gemanaged, mit räumlicher Unterteilung im Gebäude und auf dem Schulhof inkl. zeitversetzter Schulanfänge und Abholzeitfenster. Das ist definitiv nicht normal.

    Ich weiß nicht, wo du unterrichtest, aber in RLP sind die Grundschulen bis zum Beginn der Ferien nicht normal geöffnet gewesen. Wir haben hier quasi mit dem letzten Schultag noch aus Mainz Richtlinien bekommen, wie es nach den Ferien weitergehen wird. Da war normal nur eine von 3 Optionen. Knapp vorbei ist eben auch daneben. Nur für die Administration Trump war das schon immer so gut wie ein Volltreffer.

    - "bedürftige" Lernende mit digitalen Endgeräten auszustatten

    Angesichts der Richtlinien in RLP von gestern, dass sich alle Lehrkräfte in der Nutzung von Videokonferenzen auch zu Unterrichtszwecken fortzubilden haben (und das möglichst gestern als morgen) frage ich mich, ob sich die Bereitschaft des Landes, bedürftige Lernende mit Endgeräten auszustatten darin erschöpft, oder auch weiter gedacht wird, diese bedürftigen Lernenden mit entsprechender Bandbreite ans Internet anzuschliessen.

    Als zweiter Gedanke, was machen die Schulen und bedürftigen Lernenden in den strukturschwachen Regionen in der Eifel, wo sich Bits und Bytes mangels Bandbreite gute Nacht sagen?

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