Beiträge von Nettmensch

    Google mal bitte "Lehrercasting" - für bestimmte Schularten und Fächer finden an bestimmten Tagen Castings statt. Alle Schulleiter mit ungedecktem Bedarf in den Fächern erscheinen. Im 5-Minuten-Takt stellen sich die Kandidaten vor und können auf Fragen reagieren. Im Nachgang (i.d.R. max. 2 Tage später) bekommt man eine Mitteilung/Anruf des Schulleiters/Schulaufsicht, sofern es klappt.


    Meine persönliche Erfahrung:


    ich hatte ein paar Schulen die mir vom Profil zusagten kontaktiert (mit eMail in Form eines Anschreibens + Lebenslauf) und nach der Möglichkeit eines Quereinstiegs gefragt. Habe dann mit einer Schule einen "Deal" geschlossen und eine Stelle die auf mich passte wurde ausgeschrieben. Das dürfen aber nur zentral von der Landesregierung finanzierte Schulen - also insbesondere Berufsschulen. Von den einzelnen Stadtteilen getragene Schulen müssen über das zentrale Verfahren gehen oder können auch Vertretungskräfte entfristen. Da ich zur Vorsicht auch das Lehrercasting einbezog, bekam ich am Ende auch von dort von 2 Schulen Anfragen (ohne überhaupt persönlich beim Casting aufgetaucht zu sein).


    Gerade bei Berufsschulen kann es sich in Berlin unabhängig vom Verfahren lohnen, vorher Kontakt aufzunehmen. Es gelten aber auch hier die Kräfte des Marktes: je besser die Lage der Schule (zentral und in bürgerlichem Viertel) und je überlaufener der Schultyp (Gymnasium) desto schlechter die Karten - gerade als Quereinsteiger.


    Zum Glück haben die meisten Abiturienten/Lehramtsstudenten kaum Informationen über Berufsschulen und deren Vorteile gegenüber Gymnasien (aus Sicht des Lehrers), so dass man hier nicht so viel Konkurrenz bekommt. Und selbst bei Berufsschulen gibt es in Berlin erhebliche Unterschiede, welche den Junglehrern oft nicht klar sind. Meine Schule z.B. liegt zwar in einem eher schwierigen Viertel - da die Schüler aber aus ganz Berlin kommen hat das kaum Bedeutung für die Schülerschaft. Es gibt keine 1-jährigen Bildungsgänge (außer FOS) und alle SuS besitzen mindestens einen Realschulabschluß (in dualen Bildungsgängen mehrheitlich Abitur). Ein uninformierter typischer Junglehrer sieht aber erst einmal nur das Stadtviertel (in dem man nicht selbst leben muss) und übersieht das relativ angenehme Schülerklientel. Also unbedingt vorher informieren.

    Rein in Bezug auf die strafrechtlichen Aspekte verhält es sich offenbar so:



    nach TVL - und im Unterschied zum BAT - kann es im Fall der Vorteilsnahme arbeitsrechtliche Konsequenzen geben, die den dienstrechtlichen Konsequenzen der Beamten in Nichts nachstehen (vielleicht wird man sogar schneller gekündigt). Es gibt aber anders als bei Beamten keine zusätzlichen strafrechtlichen Konsequenzen. Außerdem verliert ein Angestellter nicht automatisch seinen Job, falls er zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt wird (praktisch nur relevant, sofern er nicht tatsächlich in Haft kommt).


    Ein Angestellter hätte also arbeitsrechtlich Probleme bekommen können, aber keine 4000 Euro Strafe im Rahmen eines Gerichtsverfahrens zahlen müssen.

    Nur aus rein akademischen Interesse:


    gelten bei Angestellten Lehrern die selben Regeln? Die Kollegin war ja offenbar verbeamtet. Jüngere Kollegen in Berlin können aber seit einigen Jahren prinzipiell nicht mehr verbeamtet werden. Entfällt damit etwa auch die besondere Loyalitätspflicht? Und muss man damit nicht den bloßen Anschein vermeiden beeinflußbar zu sein? Zumindest laut der -pedia sind offenbar Beamte immer Amtsträger, Angestellte dagegen nur in einigen besonderen Funktionen.

    Die Angelegenheit in Bezug auf das Interesse sei wie sie ist. Was mich irritiert ist im Grunde der Umstand, dass sich noch immer derartig viele Neustudenten für ein Lehramtsstudium in diesen Fächern entscheidet.



    Selbst als ich vor 10 Jahren noch studierte (auf einem Nicht-Lehramtsstudium) hatte ich im Hinterkopf, dass der Arbeitsmarkt mit diesen Fächern recht bescheiden ausgeprägt ist.


    Kennen die Studenten in diesen Richtungen die Arbeitsmarktlage einfach nicht?


    Ignorieren sie diese in einer gewissen Naivität ("Mich trifft das schon nicht.")?


    Leben sie so sehr im hier-und-jetzt, dass Informationen zu allem, dass mehr als 1 Jahr in der Zukunft liegt mental einfach "vorbeirauscht"?



    Man hat ja den Eindruck, dass mit diesen Fächern bereits seit vielen Jahren die Mehrheit der Studenten später keine Planstelle findet (oder ins Ref kommt) - und durch die Lehramtsausrichtung und mangelnde Praktika/Vorbereitung für andere Tätigkeiten dann keine gute Alternative hat. Es soll ja sogar eine nicht kleine Zahl geben, welche Soz/Ge/Politik/Geo untereinander kombinieren (bei uns an der Schule arbeitet auch gerade eine Kollegin als befristete Vertretungslehrerin in der Kombi) - was man im Interesse der Studenten verbieten sollte.

    An alle die mit dem Gedanken spielen Lehramt zu studieren, hier noch eine anschauliche Illustration der Lage in den beiden Fächern:



    http://www.thueringer-allgemei…ten-importieren-960913740



    Zitat: "Zwar beendeten pro Jahr etwa 600 Pädagogen in Thüringen ihre Ausbildung. Aber etwa die Hälfte davon hätten Geschichte und Sozialkunde studiert. "So viele werden mit dieser Fächerkombination aber bei Weitem nicht gebraucht", sagte Wolf. Dafür bestehe in anderen Fächern wiederum ein erheblicher Mangel."



    Um es klar zu sagen: es gibt an weiterführenden Schulen ca. 15 Fächer (bei kalkulatorisch 3 Fremdsprachen), dazu Berufsschulfächer und Grundschullehrämter. Dennoch hat die Hälfte der Ref-Absolventen Ge oder Soz in der Kombination. Es gibt für diese Fächer bereits jetzt genug Absolventen für die kommenden 10 Jahre auf dem Arbeitsmarkt.



    An alle potentiellen Lehrämter in Geschichte oder Sozialkunde: seid nicht blöd und LASST ES! Falls ihr erst seit ein paar Semestern dabei seid: wechselt das Fach!

    P-R-A-K-T-I-K-U-M


    Kontaktiere eine lokale Berufsschule, schildere in einem Absatz deine Situation und frage, ob du 1-2 Wochen hospitieren kannst.



    Bei Berufsschulen mit ihrer älteren Schülerschaft und vielen Quereinsteigern gibt es nicht so viele, die aus pädagogischer Berufung und feuchten Augen für strahlende Kinderblicke dort sind. Du solltest aber kein allzu introvertierter Typ sein, ansonsten kann es sein, dass du vor den Berufsschulklassen untergehst (je nach Bildungsgang). Darum der Praxistest.

    Als klassischer E-Technik-Ingenieur kann man an Berufsschulen quereinsteigen.


    Du bist aber Wirtschaftsingenieur und dazu noch in der dualen Variante. Ob du dabei ausreichend Theorievorlesungen im E-Technikbereich sammelst kann hier niemand sagen. In dem Falle also einfach an die zuständige Stelle im Bildungsministerium eine eMail oder Anbruf richten und deine Situation schildern. Kann mir aber vorstellen, dass du ggf. noch Kurse nachstudieren musst.



    Als Lehrer auf dem Platten Land oder in strukturschwachen Gegenden verdienst du nicht schlechter als ein Wirtschaftsingenieur.

    Da ich Bekenntnisschulen nur von Außen kenne, ist mir noch immer nicht ganz klar worin sich der besondere Erziehungsauftrag manesfestiert.


    Es gibt Schulgottesdienste und vielleicht ein Morgengebet.



    Aber was hat das mit der Eignung als Lehrkraft zu tun?
    Wird etwa verlangt, dass man in seinen Unterricht katholische Glaubensgrundsätze einbindet? Das also z.B. der Politik-/Sozialkunde-/Geschichtslehrer die Autorität des Papstes diskutieren und positiv belegen muss ("die Protestanten haben keine Ahnung von den historisch belegten Vorteilen eines zentralen Führers" oder "Frauen sind soziologisch belegt für Führungspositionen ungeeignet und können daher keine Priester werden")? Oder soll der Chemielehrer versuchen zu demonstrieren, wie in der Messe der Wein eine wortwörtliche statt nur sinnbildlich Umwandlung in das Blut Jesu vornimmt ("und da seht ihr den Fehler der Protestanten: es ist tatsächlich reales Blut!"). Soll der Physik- oder Biolehrer bestimmte Themen nicht unterrichten, da er Zweifel bei den Kindern erzeugen könnte (trotz Rahmenlehrplan)?


    Wie passt das damit zusammen, dass der Staat auch bei jeglichen Bekenntnisschulen (und selbst Waldorfschulen!) die gleichen Ansprüche an die wissenschaftliche Ausbildung der Lehrer vorschreibt. Ich zitiere mal das Grundgesetz:
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    Grundgesetz


    I. Die Grundrechte (Art. 1 - 19)


    Artikel 7


    [...]


    (4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.
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    Die allgemeinen Werte des Grundgesetzes sind ohnehin verpflichtend Grundlage der Erziehung an jeder staatlichen oder privaten Schule.
    Also Achtung der Menschenwürde, Recht auf Leben und Unversehrtheit, freie Entfaltung der Persönlichkeit, Demokratie, Gleichberechtigung von Mann und Frau, Glaubensfreiheit etc. Daran kommt auch eine katholische Schule mit ihren katholischen Lehrern zum Glück nicht vorbei, auch wenn die Kirche sich früher - z.T. noch vor 50 Jahren - offensiv gegen diese Werte und Rechte ausgesprochen hat (und laut der Meinung einiger auch heute mit Gleichberechtigung und Demokratie so ihre Probleme hat).
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    P.S.
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    Beim Durchlesen erscheint mir das GG als für die damalige Zeit unglaublich fortschrittliche Verfassung.
    Da wird fast ausnahmslos alles Umgesetzt, was durch die Aufklärung propagiert wurde. Auch die Philosophie dahinter ist sehr modern - also der Gedanke der Gleichheit und Freiheit aller Mensch per se, ungeachtet von Geschlecht und Herkunft. Umso erstaunlicher, da die so deklarierten Werte bei vielen in der Bevölkerung aus emotionalen Gründen nicht auf Zustimmung gestoßen sein dürften ("Mein Kind tritt nicht aus der Kirche aus!" "Ich als Ehemann entscheide, ob meine Frau arbeitet!"). Einzige Ausnahme sind eben die Sonderrechte der Kirchen - die als solche weiter hinten im GG eingefügt werden mussten, da sie den Grundrechten aus Art. 1-19 widersprachen und damit sonst hinfällig wären.


    Ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Voraussetzung einer bestimmten Religion für einen Arbeitsplatz (sofern sachlich nicht begründbar) noch immer Diskriminierung ist und den Grund- und Menschenrechten nach Art. 1-19 entgegen stehen.

    Ich denke dem Befürworter und der Gegenseite der Diskriminierung in diesem Thema ist die volle Dimension des Art. 3 GG und der darauf aufbauenden näheren gesetzlichen Regelungen nicht klar.


    Es ist nicht nur so, dass der Staat nicht diskriminieren darf. Kein Arbeitgeber darf es. Auch private und privat finanzierte AG dürfen nicht diskriminieren. Selbst bei (normalen) Verwaltungsangestellten der CDU oder einer Parteistiftung (oder sonstiger weltanschaulicher Arbeitgeber) darf man die Mitgliedschaft in der Partei oder Organisation nicht zur Voraussetzung machen. Nur aufgrund "sachlicher" Gründe darf diskriminiert werden - z.B. auf Parteiämter oder Kirchenämter nur ein Mitglied; Reklameschauspielerin für Slipeinlagen nur Frauen.


    Das man in der Praxis Mittel und Kanäle findet, die eigenen Leute zu bevorzugen ist hier nicht das Thema. Es macht aber einen Unterschied, ob es durch das GG erlaubt ist oder nicht. Das beste Beispiel ist Frauendiskriminierung. Bei der Schaffung des GG wurden Frauen gleich gestellt. Gleichzeitig hat man aber eine Vielzahl von Gesetzbüchern aus der Vorkriegeszeit übernommen (BGB, StGB etc.) - in denen noch diskriminierende Paragraphen standen. Über viele Jahre wurde nun auf Basis des Art. 3 GG gegen diese Gesetze geklagt und sie wurden Schrittweise vom BVG kassiert. Sehr interessant auch der Ablauf bis dahin : http://de.wikipedia.org/wiki/Gleichberechtigungsgesetz



    Warum hat man sich 1949 für diesen "radikalen" Ansatz entschieden - das also kein AG wie er lustig ist Frauen oder Juden oder nicht-Mitglieder(Partei/Religion) diskriminieren darf? Ganz einfach um aus der Erfahrung der Vergangenheit einen umfassenden Schutz vor Diskriminierung auf allen gesellschaftlichen Ebenen zu schaffen. Um nicht nur eine theoretische auf Appelen und "Anstand" basierende, sondern auch eine tatsächliche Diskriminierungsfreiheit und Gleichberechtigung her zu stellen (man hat nicht darauf vertraut, dass von selbst niemand auf die Idee kommt "Keine Juden" in Stellenanzeigen zu schalten). Damit auch Minderheiten gesellschaftlich geschützt sind. Damit ein "Wir stellen keine XX ein!" oder "wir bedienen keine XX!" (oder in der positiven Formulierung "Nur XY!") keine Chance hat - auch wenn in einer Gegend Männer oder Katholen (oder beide) in allen öffentlichen und privaten Einrichtungen den Ton angeben.


    Diskriminierung ist eben immer nur so lange lustig und angenehm, sofern man selbst davon profitiert. Um solchen individual-emotional nachvollziehbaren Einstellungen Grenzen zu setzen, gibt es den Art. 3 GG.


    Was Claudius ausmalt, würde dagegen auf das seperate-but-equal in den USA der 50er hinaus laufen. "Seht doch, die Schwarzen sind gleichberechtigt! Sie dürfen in eigene Schulen! Sie dürfen sogar studieren! Und es gibt eigene öffentliche Toiletten für sie!" Das diese Einrichtungen genutzt wurden, um die Diskriminierung zu zementieren und das es der Gleichberechtigung widerspricht, falls man nicht dieselben Einrichtungen nutzen darf... wurde z.T. erst mit dem Einsatz von Soldaten und Nationalgarde abgeschafft - die den Schwarzen oft physisch den Weg zur Schule frei kämpften.


    Da spielt es keine Rolle wie viele oder wenige es von der Minderheit gibt oder wie stark die (religiöse) Mehrheit ist. In einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung hat Diskriminierung nichts verloren. Nicht bei privaten Arbeitgebern, und seien es weltanschauliche AG, und erst recht nicht bei staatlich finanzierten AG der öffentlichen Daseinsvorsorge.

    Claudius, ernsthaft?



    Als nicht-katholischer Physiklehrer dürfte ich in erstem Fall an 95% der Schulen nicht arbeiten.
    Lass die Schulen "katholisch" firmieren oder nicht. So eine Diskriminierung ist sachlich nicht gerechtfertigt. Es sei denn man möchte den SuS "katholische Physik" oder "katholische Mathematik" beibringen - da ich nicht weiß was das ist, müsste ich da passen.



    Könnte ich ja gleich ins 16./17. Jahrhundert gehen: genereller dauerhafter Aufenthalt und Arbeit in beliebigen Berufen in einem katholischen Land des "Reiches" ist dann nur Katholen gestattet und der Fürst schreibt am besten noch vor, welchen Glauben die Leute habe sollen (Ausnahmen noch Juden, allerdings Arbeit nur in einer Hand voll Berufen erlaubt). Ist ja alles Ok, schließlich sind 90% der Leute Katholen. Da ist es nur in Ordnung, dass es Berufsverbot für alle anderen gibt. Die könnten ja einfach Katholen werden, wenn sie unbedingt im Süden von NRW als Bäcker/Straßenbahnfahrer/Kassierer/Polizist arbeiten wollen. :hammer:



    Wäre aber wirklich mal Interessant, den Christen mal einen Perspektivenwechsel abzuringen. Also Stellen in mehrheitlich konfessionsfreien Ländern wie Hamburg oder Berlin nur für konfessionsfreie zugänglich zu machen :super: . Würde natürlich sofort vom BVG kassiert werden - diskriminieren dürfen historisch verbrieft schließlich nur Kirchen.

    Es spricht doch nichts dagegen, dass die Mehrheit der Bevölkerung die christlichen Feste statt als religiöse Feiern diese als Familienfeste begehen (die materialistische Note "Geschenkfest" überlese ich mal, da auch betont religiöse Familien ihren Kindern Geschenke zu dieser Zeit zukommen lassen). Da ist auch kein Snobismus oder Entrüstung gegenüber angebracht. Was soll man auch sonst tun, falls eine sehr Große Minderheit der Bevölkerung konfessionslos ist und auch die meisten Kirchenmitglieder eher unter der Kategorie "Taufscheinchristen" firmieren.


    Gaaaaanz relaxed. Solange man den jeweils anderen nicht seine privaten Bräuche aufzwingt oder zur Teilnahme am Religionsdienst zwangsverpflichtet ist alles Ok.



    Wir scheinen uns hier aber im Kreis zu drehen. Diejenigen die einer bestimmten Religion angehören, scheinen es als "schlimm" zu empfinden, dass andere das nicht mehr tun. Diejenigen die nicht-religiös sind können andererseits nicht nachvollziehen was denn bitte der ganze Trum-Bum um Bibel/Koran etc. soll. Es ist eben eine Erziehungsfrage - wer religiös erzogen wurde, glaubt eben an seine Religion (oder ist nicht-gläubig, falls man ihm nicht viel Religion hat angedeihen lassen).


    Es wird hier ja wohl niemand bestreiten, dass falls er/sie zufällig in eine streng religiöse Hindu-Familie in einem Hindu-Umfeld hinein geboren worden wäre, er/sie selbst das Hindu-System als "richtig" empfinden würde und Christen/Konfessionslose als "falsch" (Nele und Friesin als devote Hinduisten!). Das selbe trifft auch auf Altgermanische/Sunnitische/Schiitische/Allevitische/Jesidische Erziehung zu - kann man sich nicht aussuchen.


    Am Ende zählt nur, dass sich alle auf bestimmte Grundrechte als Wertekanon einigen - die für alle gelten, egal welche Religion man angehört. Das also z.B. Juden nicht für Dinge verfolgt oder diskriminiert werden, welche Christen offen stehen.


    Sobald man aber anfängt, kleinen Mädchen einzureden, dass sie minderwertiger als Jungen sind und auf Männer zu hören haben und ihnen darum (weil sie Mädchen sind) elementare Bildungschancen und -rechte verbietet oder sie gar Zwangsverheiratet hört der Spaß auf. Das Widerspricht direkt dem Geist der Grundrechte in der BRD. Auch hier gilt: niemand ist privilegiert. Falls eine christliche Familie so vorgeht gehört das ebenso verurteilt.

    "christliche Werte"... so, so...


    Da ich im dunklen Osten aufgewachsen bin (Mecklenburg - 80% Konfessionslose, in meiner Gegend eher 90%; gerichtliche Verbote von Kirchenglockenspielen (Ruhestörung) außer am SonntagMittag üblich), wo Christen eine kleine Minderheit sind, kann ich darüber nicht viel sagen.



    Werte wie das Bekenntnis zu einer freiheitlichen Gesellschaft, in der jeder gleichberechtigt ohne Benachteiligung oder Unterdrückung aufgrund von Geschlecht, Religion, "Stand" etc. leben und sich selbst verwirklichen kann - das was also über 500 Jahre gegen die Kirchen erkämpft werden musste - sind für mich aber selbst verständlich.


    Ich wurde jedenfalls zu Toleranz erzogen. Außerdem lügt und betrügt man nicht vorsätzlich; stiehlt im Allgemeinen nicht; verletzt oder beleidigt andere Leute nicht. Und so fort. Auch ohne ein Bibel (oder Koran) und Religionsunterricht. Es gibt sogar das Gerücht, dass die "christlichen Werte" zu einer Zeit, als die Religion noch richtig viel Macht hatte, nicht viel Wert waren. Religionskriege, Zwangskonvertierung, Ablaßhandel, legale Diskriminierung und so.


    Jetzt sagen einige vielleicht, dass waren damals nicht "Die wahren Christen/Christentum." "Das Christentum ist eine Religion des Friedens und Toleranz!" Ich hoffe, jemandem fallen die Parallelen zu einer anderen Religion in heutiger Diskussion auf. 300 Jahre Aufklärung und Humanismus haben unserer gesellschaftlich verinnerlichten Werte geschaffen, keine Gottesbücher.



    Religion ist Privatsache. Wir haben eine Kultur in Deutschland, die historisch gewachsen ist und die ich durch mein Aufwachsen hier als "gut" empfinde. Dazu gehören für mich auch Weihnachtsmann und Osterhase. Aber ganz ohne christlichen Pathos. Falls jemand Ostern keine Eier suchen geht ist das für mich auch Ok. Und solange man beim Betreten eines Weihnachstmarktes kein Gebet sprechen muss, dürfte kaum ein Zuwanderer oder Konfessionsloser Probleme damit haben.


    Da Religion Privatsache sein sollte, hat es in öffentlichen Einrichtungen aber auch nicht verloren. Weder das Kruzifix im Klassenzimmer, noch religiöse Trachten aller Arten sind dort angebracht.

    @TE:


    Es geht dir um Selbstverwirklichung auf fachlicher Ebene - also den Studenten die neuesten Theorien zu vermitteln? Sofern du bereit bist Gehaltseinbußen zu akzeptieren:


    organisiere dir eine Stelle an einer Schule, in deren Umkreis es viele FHs/Unis gibt (Ruhrgebiet, Berlin, Oberbayern etc.). Lass dich auf Teilzeit setzen und 2 Tage die Woche frei geben. Besorg dir einen Lehrauftrag an einer lokalen FH/Uni, dort kannst du auch Seminare zu speziellen Themen anbieten - an den beiden freien Tagen. Du bekommst sicher schnell mit, dass du je Stunde effektiver Arbeitszeit mit einem Lehrauftrag deutlich schlechter verdienst. Die Lehrerstelle dient entsprechend zu Absicherung. Arbeitszeit an der Schule zählt auch als Berufserfahrung für eine FH-Professur; die dürften aber in Physik selten sein.



    Die Variante "Gutes Gehalt, sichere Stelle, Lehr-/Forschungstätigkeit auf universitärem Niveau" kannst du aber, sofern du kein Überflieger bist, abschreiben (die Jahre bis zur Professur sind unsicher und mit der Gefahr ohne alles da zu stehen). Das Leben ist kein Streichelzoo.

    Friesin: niemand bestreitet, dass auch Christen "gute Menschen" sein können - im Gegenteil sind die Christen nicht besser oder schlechter als die Konfessionslosen, Juden etc. In der bundesdeutschen Realität ist es jedoch der Fall, dass Nicht-Christen beim Zugang zu einer Reihe von Arbeitsmärkten aufgrund fehlender/"falscher" Religion diskriminiert werden - entweder direkt durch kirchliche Trägerschaft von Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge oder indirekt durch staatliche Stellen (wie in NRW); alles durch Sonderrechte der Kirche.


    Wohlgemerkt geht es dabei nicht um Positionen, welche inhaltlich und öffentlich - also verkündungsnah - wirken. Der Bischof muss Kathole sein - in dem Fall ist dies de facto eine "fachliche" Qualifikation, da er den katholischen Glauben nach Außen vertritt (da z.B. orthodoxe Christen ja einen völlig anderen Glauben haben :rolleyes: ) . Wer ein Parteiamt in der CDU hat, muss CDU-Mitglied sein - auch hier ist es "fachlich" begründbar. Dass ich als Physiklehrer katholisch sein müsste, um in einer katholischen Schule Physik unterrichten zu dürfen ist aber offensichtlich fachlich nicht zu begründen. Die Physik ist die selbe, egal ob dank Gravitation gerade ein Kathole, Muslim oder Konfessionsloser aus dem Fenster fällt.


    Ja, es gab eine Zeit, in der in politischer und rechtlicher Hinsicht die Religion eine große Rolle spielte und es selbstverständlich war, dass man als protestantischer Kutscher, Bauer oder Schmied nicht in einem katholischen Land arbeiten konnte - man erinnere sich an den 30-jähriger Krieg, Zwangskonvertierung ganzer Bundesstaaten etc. Im Zuge der Aufklärung haben sich die "westlichen" Staaten aber davon gelöst und fest gestellt, dass Diskriminierung - egal warum (Geschlecht, Religion etc.) - unvereinbar mit einer freiheitlichen Grundordnung ist. Insbesondere beim Zugang zum Arbeitsmarkt darf einzig die fachliche Eignung zählen.



    Da in einem vorherigen Post bereits darauf verwiesen wurde, hier einmal Artikel 3 des Grundgesetzes im Wortlaut:


    Grundgesetz


    I. Die Grundrechte (Art. 1 - 19)


    Artikel 3


    (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.


    (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.


    (3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.



    Aus rein historischen Gründen haben die Kirchen Sonderrechte, welche das allgemeine Diskriminierungsverbot außer Kraft setzen.
    Da diese Sonderrechte rein historisch begründet sind und sich nicht aus den allgemeinen Verfassungsgrundsätzen ableiten lassen (im Gegenteil, sie widersprechen den Verfassungsgrundsätzen), gehören sie einfach abgeschafft. Wer anderer Ansicht ist, dürfte sich auch nicht beklagen, sofern beliebige Firmen ihre Bewerber künftig - ganz legal und staatlich abgesichert - nach Religion oder sexueller Präferenz ausfragen dürfen. "Keine Juden" oder "Nur heterosexuelle Bewerber" würden damit Alltag und rechtens sein.

    Ob so eine Unternehmenphilosophie in der Wirtschaft nun in der Regel tatsächlich existiert und als hartes Kriterium gilt sei mal dahin gestellt. Problematisch wird es spätestens dann, sofern der Zugang zu einem Arbeitsmarkt nicht von der fachlichen Qualifikation abhängt (wozu auch "Serviceorientierung" zählen kann), sondern an unabänderlichen Personenstandsmerkmalen anknüpft, welche für die fachliche Eignung irrelevant sind. Also per se Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Migrationshintergrund und eben auch (Nicht-)Religion. Nach dem Motto: "Tut mir Leid Frau Müller, aber in unserer Firma möchten wir keine Frauen." oder eben auch ein herzliches "Sie haben ja ein tolles Staatsexamen in Mathe/Physik, aber wir beschäftigen keine Juden (oder Atheisten, Muslime etc.)."


    Das kann man dann wahlweise auch positiv umformulieren nach dem Motto: "Wir sind ja nicht gegen Frauen sondern lediglich FÜR Männer!" :mad: Würde man dem Prinzip folgen, könnte man den liberalen Rechtsstaat auch gleich vergessen. Abgesehen davon, dass die katholische Kirche selbst mit katholischen Frauen ein Problem hat. Die anachronistische Lage der Kirchensonderrechte ist ja nur historisch zu erklären und bezieht keine Legitimiation aus etablierten Rechststandards (also in Bezug auf Diskriminierung).



    Wo sind da die Grenzen, sofern man im Gedankenexperiment alle Schulen in katholische oder evangelische Bekenntnisschulen umwandelt (was offenbar für dem Süden NRW im Bereich Grundschulen erfüllt ist)? Arbeit nur noch für Katholiken, weil die katholische Lobby es geschafft hat, Kontrolle über einen ganzen Teil-Arbeitsmarkt erlangen? So etwas gab es ja in anderen Staaten - also das eine religiöse Gruppe durch Zugriff auf Ressourcen anderen Gruppen per se ausschloß (z.B. Irak - erst die Sunniten die Schiiten, nach dem Krieg dann umgekehrt). Funktioniert bombig.



    Ein Phrase a'la "Sind Sie auch Service-orientiert?" (fachlich, nicht personenstandsbezogen) ist entsprechend ein erheblicher Unterschied zu "Hast du Religion XY?".

    Bitte warum nicht?


    meiner Meinung nach hinkt die Gleichsetzung: "ich zahle Steuern, also habe ich ein Anrecht auf .... "sowieso: was passiert mit denen, die keine Steuern zahlen? Hartz IV Empfänger? Leute, die warum auch immer ihre Steuerlast gen Null rücken (können)?


    Und natürlich spart der Staat durch Schulen in nichtstaatlicher Trägerschaft: deren Schüler muss er nämlich nur zum Teil bezahlen. Also den Ball bitte etwas flacher halten.



    Wie bitte?


    Natürlich gebe ich dir recht: Diskriminierung bei staatlich finanzierten Einrichtungen und Unternehmen (und bis auf explizite Ausnahmen sogar auch privat finanzierten privaten Unternehmen) sollte nicht davon abhängen, "wer was zahlt". Oder welches Geschlecht jemand hat. Oder welche Religion man (nicht) angehört. Es sollte vollkommen egal sein. Einzige Ausnahme die mir plausibel erscheint sind "verkündungsnahe" Tätigkeiten, die inhaltlich und öffentlich wirken: die Werbeikone für Slipeinlagen kann nun mal glaubhaft nur eine Frau sein (da kann ein Mann auch noch so viel klagen). Klerikale Ämter und meinetwegen auch bischöfliche Pressesprecher (aber selbst da bin ich bereits kritisch - er arbeitet ja theoretisch nicht unbedingt inhaltlich) setzen Mitgliedschaft voraus. Ok. Ein Chemielehrer oder Englischlehrer - also alles bis auf konfessionsgebundene Religionslehrer - fällt aber sicher nicht darunter.


    Insofern gebe ich dir Recht: auch bei 100% kirchlich finanzierten Schulen sollte man für Chemielehrer etc. katholische Religionsmitgliedschaft nicht voraus setzen dürfen.


    Das "Argument" mit dem "Konfessionsmitglieder zahlen auch Steuern" war nur eines, dass man in solchen Diskussionen gelegentlich hört, welches ich mir aber in der Grundintention (Beschäftigung in staatlichen Einrichtungen entsprechend Steuerkraft) nicht zu eigen mache - darum auch die Anführungszeichen. Ich habe das dann auf die Spitze getrieben, um zu zeigen, was nach "Fairness" die Konsequenz aus dem "Argument" wäre (also nach Religionszugehörigkeit getrennte Arbeitsmärkte an Schulen).



    Außerdem weiß nicht so recht, was du mit den letzten beiden Sätzen implizieren möchtest - in Bezug auf das Thema Diskriminierung. Ich versuche mal den Ball flach zu halten, thank you very much. Vielleicht könntest du diese noch etwas ausführen, damit ich nicht an dir vorbei argumentiere. Möchtest du damit den Eingriff in die Persönlichkeitsrechte von Lehrern (und Schülern) relativieren? Oder eine Diskriminierung aufgrund fehlender Konfessionszugehörigkeit? Weil die (Sach-)kosten zum Teil vom Träger übernommen werden?

    Plattenspieler:


    so weit ich das kenne, schießen die Kirchen einen gewissen Teil der Sachkosten zu, die Lehrergehälter werden aber i.d.R. 100% vom Staat getragen.


    Sollte die Kirche auch bei den Gehältern zuschießen (Quelle?), darf Sie meinetwegen bei den Lehrern, die sie überwiegend selbst bezahlt die Zugehörigkeit zu ihrer Konfession voraus setzen und den Lehrern ihre Lebensführung diktieren. Das dürften 0,0% der Lehrer sein. Andernfalls ist das eine ungerechte Diskriminierung von Andersgläubigen, durch deren Steuergelder die Lehrer bezahlt werden. Bei dem Spezialsystem in NRW ist es ja noch hirnrissiger.



    Das "Argument" - "Katholiken zahlen doch auch Steuern" - greift übrigens in beiden Fällen nicht. In dem Fall müsste man Katholiken auch den Zugang zu nicht-katholischen Schulen verbieten. Aktuell bekommen Lehrer die zufällig auch Katholiken sind in der Region dagegen theoretisch einen eigenen exklusiven Arbeitsmarkt (Gehälter zu 100% aus den allgemeinen Steuerkassen bezahlt) und können sich zusätzlich bei den konfessionsfreien Schulen bewerben. Würde man im Süden von NRW nun im Gegenzug bei nicht-konfessionellen Schulen die Beschäftigung von Katholiken verbieten, wäre das Geschrei aber groß.

    Generell ausgedrückt gilt meiner Ansicht nach (und ich hoffe auch in den Köpfen der Bevölkerungsmehrheit):


    Sofern die Allgemeinheit die Kosten trägt - also auch Protestanten/Katholiken, Konfessionslose und Atheisten, Muslime, Juden etc. - sollte es keine Diskriminierung aufgrund der Nicht-Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft geben. Umgekehrt dürfen Katholiken/Protestanten ja auch uneingeschränkt an "nicht-konfessionellen" Schulen arbeiten - sollte man denen das jetzt verbieten, da es ja einen exklusiven staatlich finanzierten Arbeitsmarkt für sie gibt?


    Das gilt natürlich für Schüler wie für Lehrer als Arbeitnehmer. In diesem absurden Spezialsystem in NRW zahlt der Staat ja alles; aber auch allgemein bei Schulen in kirchlicher Trägerschaft zahlt der Steuerzahler über 98% der Kosten, darunter die Lehrergehälter.




    Das ganze ließe sich auch noch auf andere Bereiche ausdehnen (z.B. religiöse Krankenhäuser, die sich aus den Mitteln der allgemeinen Öffentlichen Krankenkassen finanzieren etc.).




    P.S.


    Nicht einmal private Firmen dürfen offiziell aufgrund religiöser Gründe diskriminieren - und bei denen geht es sogar "nur" um deren privates Geld; bei Finanzierung aus den allgemeinen öffentlichen Steuerkassen um so absurder.


    und@Topicstarter: falls du eher ein "Taufscheinchrist" bist, würde ich wohl oder übel kovertieren. Aber zugleich (mit der sicheren festen Stelle) ein gepfeffertes Schreiben an die Bildungsministerin/Staatssekretär schreiben um darstellen, zu was für absurden Auswüchsen dieses überkommene System führt.

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