Schlimm, mit welcher Inbrunst und Selbstüberzeugung hier Menschen in Bausch und Bogen verleumdet, verunglimpft und beschimpft werden. 300 Jahre Aufklärung und 70 Jahre pluralistische Gesellschaft in nur anderthalb Jahren einfach so runtergespült. Die gefühlte Angst muss nur groß genug sein, um andere vom öffentlichen Leben auszuschließen, sie per Dokument zu Menschen zweiter Klasse zu machen, sie ungestraft zu diffamieren und zuweilen auch schonmal grundlegende Rechte abzusprechen. Da wird fantasiert vom Verrecken lassen in der Klinik, von Internierung, vom Arm umdrehen und Impfen mittels unmittelbaren Zwangs und jeder Menge Uniformierter.
Ich muss Menschen, die eine Impfung ablehnen, nicht verstehen. Ich muss ihren Gedankengängen nicht folgen können. Dennoch gelten doch grundlegende Regeln unserer Gesellschaft, unseres Staates doch vorgeblich für alle. Eine Entmenschlichung und Kriminalisierung, wie sie auch hier passiert, finde ich erschreckend.
Man kann das natürlich so herum formulieren und ja, aus dieser Perspektive bin ich darüber auch entsetzt. Genauso entsetzt mich aber die Erwartungshaltung, uneingeschränkt Solidarität der Gesellschaft zu erwarten, dazu selbst aber nicht entsprechend beizutragen. Man kann das Ganze aber auch etwas nüchterner betrachten:
Zum Einen gibt das Infektionsschutzgesetz Möglichkeiten her, zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung entsprechend geeignete Maßnahmen zu treffen. Dass diese diejenigen stärker betreffen, die ein größeres Risiko darstellen, liegt dabei auf der Hand und hat nichts mit Absprechen von Rechten oder Menschen 2. Klasse zu tun.
Zum Anderen ist es Fakt, dass die ersten Kliniken mindestens eine "weiche Triage" durchführen und andere lebensbedrohliche Erkrankungen (wie z.B. dringend notwendige Tumor-OPs) nicht mehr hinreichend behandeln können. Es braucht auch nicht viel Fantasie zu erahnen, dass direkte Triage-Maßnahmen nicht mehr weit entfernt sind. Dabei wird man zunächst keine Unterscheidung treffen, die ausschließlich auf den Impfstatus abzielt, sondern entscheidend ist die Einschätzung der Dringlichkeit der Behandlung und der Überlebenswahrscheinlichkeit. Gerade letztere ist im Mittel bei den Geimpften Personen (gleichen Alters/gleicher Komorbiditäten) aber nach bisherigen Erfahrungen höher. Diese sind dann ggf. auch zu priorisieren.