Beiträge von tibo

    Die Rahmenbedingungen müssen sich bessern, absolut. Da sind wir dann auch wieder an dem Punkt, an dem ich mich eingeschaltet habe: Das Startchancenprogramm mit seiner gezielten Förderung der bedüftigen Schüler*innen ist wichtig. Es geht aber auch um die Einstellung und Haltung der Lehrkräfte - und die finde ich hier mitunter hochgradig problematisch und unprofessionell. Das gehört auch zu den Rahmenbedingungen.

    Es wurde doch sehr offen gesagt, dass man die eigenen Kinder von Inklusion fernhalten will und Segregation zum eigenen Vorteil besser findet. Solche Einstellungen übertragen sich doch auch auf die berufliche Arbeit, oder?

    Hier wurde suggeriert, Klassen mit Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf würden prinzipiell im Chaos versinken. Kein Wunder, dass man sich Inklusion dann nicht zutraut, oder?

    Kinder mit emotional-sozialem Förderbedarf will hier eine Lehrerin "loswerden". Wie soll diese Lehrerin ihrem Beruf profesionell nachkommen und einem Kind mit (ver-)störendem Verhalten offen und unterstützend begegnen, um eine Beziehung aufzubauen, welche die Grundlage für die Arbeit mit diesen Kindern ist?

    Ja, unsere Aufgaben und Verantwortungen wachsen. Ja, die meisten Lehrkräfte arbeiten mehr, als sie müssten. Ja, die Rahmenbedingungen für gute Inklusion sind noch nicht gut. Aber trotzdem bin ich aus eigener Erfahrung überzeugt, dass auch unter den aktuellen Bedingungen mehr möglich ist, wenn mehr Lehrkräfte sich positiv darauf einlassen.

    Zitat von Vorbild Schulleitung. Wie kann die Schulleitung die erfolgreiche Umsetzung von inklusiver Bildung beeinflussen? In: Die Grundschulzeitschrift (340), S. 32 ff..

    Warum ist eine positive Einstellung zu Inklusion wichtig?

    Als eine Voraussetzung für erfolgreichen inklusiven Grundschulunterricht und einen angemessenen Umgang mit Heterogenität in der Grundschule wird die positive Einstellung von schulischen Akteur:innen (z. B. Lehrkräfte, Schulleitungen, Eltern) zur Inklusion gesehen. Bei Einstellungen von Schulleitungen oder Grundschullehrkräften zu Inklusion und Heterogenität handelt es sich um deren Meinungen oder Ansichten, die beschreiben, ob sie der Umsetzung von Inklusion an ihren Schulen eher zustimmen oder diese eher ablehnen (Eagly & Chaiken 1993). Einstellungen können sich dabei auf das Denken' (Ich bin überzeugt davon, dass inklusiver Unterricht für alle Kinder gut ist!"), Fühlen' (Ich fühle mich gut dabei, Kinder mit sehr unterschiedlichen Lernbedürfnissen zu unterrichten!") oder das Handeln (Ich möchte gerne Lernangebote für alle Kinder im Klassenzimmer machen!") beziehen."

    Das Problem war damals, dass die deutsche Übersetzung aus "inclusive" integrativ gemacht hat: https://www.bpb.de/themen/bildung…chtskonvention/

    Daraufhin wurde argumentiert, dass unser System dies ja schon bieten würde. Die Monitoring-Stelle in Deutschland hat versucht, das mehrfach klarzustellen, doch die fehlerhafte Übersetzung wurde immer wieder von Inklusionsgegner*innen angeführt und hat die Behindertenrechtskonvention in Frage gestellt. Der aktuelle Bericht der UN mit der Rüge für Deutschland schafft weitere Klarheit:

    Die UN-Menschenrechtskonvention meint inklusive Schulen und somit keine Förderschulen.

    Ich kann nur wiederholen:

    Zitat von Prof. Klaus Klemm

    Alle Studien zum Lernerfolg zeigen, dass die Mehrheit der behinderten Kinder in der Regelschule größere Fortschritte macht als in der Förderschule – und öfter einen Schulabschluss erreicht, der berufliche Perspektiven eröffnet.

    Das Förderschulsystem wird von vielen behinderten Menschen wie den Selbstvertreter*innen Raul Krauthausen oder Theresia Degener abgelehnt.

    Das Förderschulsystem entspricht nicht der UN-Menschenrechtskonvention.

    Die Förderschule ist schlechter für das Lernen der Kinder dort bzw. lernen sie an der Regelschule mehr.

    Ich muss ja keinen überzeugen, aber die Fakten ändern sich auch nicht, wenn man es noch zehnmal von zehn verschiedenen Usern anders dargestellt wird.

    Der politisch forcierte Abbau unseres eigentlich guten Förderschulsystems ist eine absolute Katastrophe. Und ja, ich habe keine Angst davor, das böse Wort "Segregation" zu gebrauchen. Ich finde es richtig, da man auf diesem Weg den besonderen Bedürfnissen der Inklusionskinder gerecht werden kann und gleichzeitig die nicht-inklusiven Kinder ebenfalls bestmöglich gefordert und gefördert werden können. Für meine eigenen Kinder mache ich einen riesen Bogen um die gängigen Sozialexperimente und suche mir private Alternativen. Ansonsten sehe ich ihre Bildungschancen arg beeinträchtigt.

    So etwas wie Maylin85 schreibt, kann doch niemand ernsthaft wollen.

    Wie die Studienlage und vor allem auch die Quoten des Übergangs auf den 1. bzw. 2. Bildungsweg zeigen, ist es eben nicht so, dass man den Inklusionskindern an einer Förderschule besonders gerecht wird. Stattdessen zeigt sich, was Theresia Degener, behinderte Juristin und Professorin für Recht und Disability Studies, im Buch "Wer Inklusion will, findet einen Weg. Wer sie nicht will, findet Ausreden" sagt, dass man aus Förderschulen behinderter herauskommt, als man hineingeht. Außerdem zeigt sich, was Raul Krauthausen in dem Buch auch beschreibt, dass die Förderschule doch am Ende nur dafür da ist, die Mehrheitsgesellschaft vor den Behinderten zu schützen.

    Dass das Ganze nicht auf Kosten der Leistungsstarken geht, bezweifel ich ebenfalls stark. Mir reicht dazu, was ich selbst gesehen habe.

    Okay, dann erübrigen sich ja alle weiteren Diskussionen.

    Ich möchte aber noch festhalten, dass ich nie über nachhaltige Bildung (ich vermute, du meinst im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung) gesprochen habe. Ich sprach von Nachhaltige Entwicklung im Sinne des Abbaus von Ungleichheiten generell für Deutschland und darauf bezog sich entsprechend auch meine Quelle.

    Du sagst nichts dazu, wieso das "chaotisch im gleichen Klassenzimmer" geschehen soll.

    Ich sehe da auch keinen guten Grund für, darunter leiden die leistungsstarken Kinder UND die Inklusionskinder.

    Es möchte sich nur keiner eingestehen, dass die aktuelle Form der Inklusion ja wohl krachend gescheitert ist.

    In der gleichen Schule. Ohne Segregation. Darum ging es. Denn darum ging es Maylin, der*die seine*ihre Kinder nicht mit Menschen, die wegen der Inklusion in Regelschulen sind, in Kontakt sehen will, sondern einen großen Bogen empfiehlt ('körperliche Behinderungen natürlich ausgenommen'). Und bitte hört auf, eure mangelnde Kompetenz auf andere zu übertragen: In meiner inklusiven Klasse ist es sehr geordnet, wenn ich das will.

    Von einem inklusiven Schulsystem profitieren die Inklusionskinder:

    Alle Studien zum Lernerfolg zeigen, dass die Mehrheit der behinderten Kinder in der Regelschule größere Fortschritte macht als in der Förderschule – und öfter einen Schulabschluss erreicht, der berufliche Perspektiven eröffnet” (Prof. Klaus Klemm 2014, Südwest Presse). [...]
    Richtig ist, dass die meisten Schülerinnen/Schüler an Förderschulen deutlich schlechter lernen. Hans Wocken zeigte in seiner Studie, dass die optimale Förderung, der „isolierte Intelligenzdefekt“ und Chancengleichheit Illusionen sind. Die Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen ist eine Sackgassenlaufbahn. Sie ist ein Sammelbecken für Kinder aus kinderreichen Familien, aus Familien die Hatz IV beziehen, aus Familien unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft, Familien mit niedrigem sozialökonomischen Status. 77,2% der Schülerinnen/Schüler der Förderschule mit dem Förderschwerpunkt „Lernen“ erreichen keinen Schulabschluss (siehe: Studie Klemm, Bertelsmann-Stiftung, Sonderweg Förderschule. Hoher Einsatz, wenig Perspektiven, S.4).

    Ebenso ist es ein Mythos, dass die "Leistungsstarken darunter leiden". Ich möchte aber bitte die Beweislast wieder umkehren.

    Dazu gibt es unterschiedliche Auffassungen. Deutschland hatte ein sehr gutes Förderschulsystem, womit das Recht auf Bildung erfüllt ist. In anderen Ländern wurden Kinder mit Förderbedarf überhaupt gar nicht beschult, da ist das Recht auf Bildungsteilhabe dann tatsächlich mal verletzt. Dass zwingend alle chaotisch im gleichen Raum beschult werden müssen, ist eine ziemlich neumodische Wirrung.

    Oh natürliche kenne ich die Entwicklungsziele. Dann erkäre doch mal, was mit nachhaltiger Bildung im deutschen Schulkontext überhaupt konkret gemeint ist und wie man ohne noch schlimmere Leistungsabfälle als eh schon dahin kommt.

    Entscheidend ist jawohl die Auffasssung der Monitoringstelle bzw. in letzter Instanz die UN. Sonst können wir uns Menschenrechte sparen, wenn sie dann jede*r auslegt, wie es gerade lieb ist. Unser Förderschulsystem ist nicht gut und nie gut gewesen. Das sagt die UN selbst dazu:

    The Committee is concerned about the lack of full implementation of inclusive
    education throughout the education system, the prevalence of special schools and classes, as
    well as the various barriers children with disabilities and their families encounter to enroll in
    and complete studies at mainstream schools [...]

    The misconception and negative perception about inclusive education at some
    executive entities, which may take the parents’ request to enroll their children in mainstream
    school as indication on “incapability to take care of their child”;


    Konkret meine ich in diesem Kontext mit "nachhaltiger Bildung":

    Alle Menschen sollen – unabhängig von Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung, Behinderung, ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Herkunft oder sozialem und wirtschaftlichem Status – gleiche Möglichkeiten haben. [...] Der Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund und den Bildungsergebnissen hat in Deutschland in den vergangenen Jahren tendenziell abgenommen, auch wenn weiterer Verbesserungsbedarf besteht. Dies betrifft zuvorderst den Schulbereich in der Zuständigkeit der Länder.

    Dann weißt du anscheinend nicht, dass Inklusion ein Menschenrecht ist und dass Deutschland letztes Mal von der UN ziemlich dafür gerügt wurde, dass Inklusion als Menschenrecht hier nicht ausreichend umgesetzt wird. Dann weißt du nicht, dass bessere Bildungschancen in anderen, vergleichbaren Ländern durchaus im Sinne einer höheren Unabhängigkeit von der sozioökonomischen Herkunft bereits bestehen. Dann weißt du nicht, dass nachhaltige Entwicklung in den 17 Zielen der nachhaltigen Entwicklung von der internationalen Gemeinschaft konkretisiert wurde.

    Deswegen sagte ich ja schon, dass es nicht DIE Lösung ist. Vor allem nicht in allen Gebieten. An unserer Schule wäre es aber beispielsweise tatsächlich eine Lösungsmöglichkeit, da die andere Grundschule nur 500m Luftlinie entfernt ist. Am Ende ist es nur ein Beispiel, wie Regulierung aussehen kann. Ja, Stadtteilentwicklung ist dann das nächste Problem. Wie in Mythos Bildung beschrieben, können Kommunen sich beides - Schulentwicklung und Stadtteilentwicklung - kaum leisten. Entwickelt sich also eine Schule durch Unterstützung besonders gut und bringt dabei nachweislich kompetentere Schüler*innen hervor, werden diese den Stadtteil durch bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt eher verlassen. Der Stadtteil wird von den 'Hinterbliebenen' dann weiter negativ wahrgenommen. Es ist ein komplexes Problem.

    Wie viele schulpflichtige Kinder hast du?

    Das ist meine professionelle Meinung. Wenn die persönliche Entscheidung entgegen dieser - wie oben bei Politiker*innen kritisiert wurde - dann anders aussieht, ist das doch noch ein Grund mehr, die Waage zwischen persönlichen und gesellschaftlichen Interessen zu regulieren. Vernunft ist dementsprechend bereits seit Aristoteles eine Tugend.

    Und genau deswegen ist es ein legitimes Interesse, eigene Kinder nicht jedem Sozialexperiment aussetzen zu wollen.

    Wie heißt das Sozialexperiment? Menschenrechte? Inklusion? Gleiche Bildungschancen? Nachhaltige Entwicklung?

    Du weißt, dass feste Schulbezirke real waren (und in manchen Bundesländern sind?) und somit kein Experiment wären? (Heißt natürlich keineswegs, dass sie DIE Lösung sind.)

    Es ist ein legitimes Interesse, wenn man privilegiert, egoistisch und kurzsichtig ist.

    ich empfinde das ganz und gar nicht als Glück. Sowas sollte transparent einsehbar sein, bevor man sein Kind irgendwo anmeldet.

    Ich finde im Gegenteil eher, dass die Wahlmöglichkeit eingeschränkt werden sollte. Es braucht nicht noch mehr soziale Segregation der immer privilegierteren Elite und eine immer größer werdende Unterschicht. Bildungschancen sind Lebenschancen und Lebenschancen sind Bildungschancen, wie Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani sagt. Da müssen wir also dringend ansetzen und so unbequem es ist, werden dafür manche Privilegien nicht mehr haltbar sein. Aber die Privilegierten können sich damit trösten, was die Bildungssoziologie ebenso sagt: advantage finds its way.

    Das Startchancenprogramm kommt auf jeden Fall zur richtigen Zeit. Es ist das Gegenteil von Gießkannen-Prinzip, sondern soll größtenteils gezielt an die förderbedürftigsten Schulen gehen. Es ist nur bitter, dass die Wirtschaft davon profitiert, dass nun Mann und Frau arbeiten gehen (absolut richtigerweise!) und die Unterstützung für die Kinder in den Familien dadurch fehlt. Das muss die Allgemeinheit mit u.a. diesem Programm nun ausgleichen, doch das Geld befindet sich nicht mehr im Umlauf der Allgemeinheit.

    Für Tipps in Informatik (HS Kl 6, erster Kontakt zum Fach, kein Lehrbuch, ich: learning by doing) wäre ich auch sehr dankbar 😅

    Ich kann nur aus der Erfahrung der Grundschule antworten, aber die kostenlosen und online verfügbaren Säulen in meinem Medienunterricht sind:

    • Internet-ABC / Seitenstark / Medienführerschein Bayern für die Medienerziehung (mit dem Internet und Medien umgehen)
    • Binärcode: CS unplugged (zur Einführung sowie binär codierte Buchstaben) + code.org (binär codierte Bilder)
    • http://schuljahr.inf-schule.de/2020-21/: Neben dem Thema Automatentheorie gibt es hier auch elf weitere mehr oder weniger Selbstlernkurse zum Thema Informatik
    • Computional Thinking: https://studio.code.org/unplugged/unplug2.pdf
    • Algorithmen: Unterrichtsmaterial von Coding for tomorrow zur Einführung und als Beispiel den Sortieralgorithmus von CS unplugged
    • Scratch: Programmieren lernen mit einer grafikbasierten Programmiersprache (Material dazu bei AppCamps, wo es noch mehr Materialien gibt, bei denen man theoretisch nur das Einführungsvideo zeigen muss und die Kinder dann arbeiten lassen kann zum Beispiel zum Thema VR / AR oder HTML / CSS)
    • Künstliche Intelligenz: AI unplugged auf aiunplugged.org sowie AI for ocean von code.org
    • Informatik-Biber (kostenloser, im November wieder stattfindender Informatik-Wettbewerb)
    • Eigentlich nicht Informatik, aber digitale Medien: Textverarbeitungsprogramme, digitale Präsentationen (z.B. PowerPoint), digitale Produkte (BookCreator, Stop Motion Studio …)

    Ich weiß nicht, ob ich das Problem richtig verstanden habe, aber falls es am Eintippen der URL liegt, kann man sich die Links auch vorher kürzen. Das geht zum Beispiel auf der Seite t1p.de, auf der man den ewig langen YT-Link hineinkopieren und dann einen kurzen Link zum Video ausgegeben bekommt.

    Ich habe bei meiner Schulleiterin, die in meiner Klasse Musik unterrichtet, mitbekommen, dass sie anhand eines Bilderbuchs Beethoven thematisiert hat. Und ich liebe Bilderbücher und Graphic Novels, das fand ich also sehr cool. Da gibt es bestimmt auch genug zu verschiedenen Künstler:innen.

    Peter und der Wolf hat sie davor gemacht.

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