Wurden diese Kinder denn auch in anderen Fächern individuell unterstützt? Also z.B. in Mathe bei Textaufgaben?
Das ist bei normaler Intelligenz (wenn jemand nur eine Leseschwäche/störung hat) kein Problem. Man liest den Kindern einfach die Aufgaben nochmals vor. Im 3. Schuljahr heißt es nicht, dass die Schüler überhaupt nicht lesen können, sondern sie hinken der Vergleichsgruppe stark hinterher.
Und wie werden Kinder unterstützt, wenn sie noch große Schwierigkeiten haben, Wörter zu schreiben, aber in der dritten Klasse gefordert wird, Aufsätze zu schreiben? Formuliert man für diese Kinder differenzierte Lernziele?
Kinder mit Leseschwäche können trotzdem Aufsätze schreiben. Allerdings war bei Kindern mit großen Rechtschreibproblemen (wieder im Vergleich zur Kontrollgruppe) vieles falsch geschrieben. Da die Rechtschreibung nicht zählte, habe ich alles nochmals leserlich abgetippt und dann korrigiert.
Z.B. XY Kann zu einem Bild passende Wörter (aus einer Liste) auswählen und diese aufschreiben." Anstatt: "XY kann zu jedem Bild einer Bildergeschicht einen passenden Satz aufschreiben" oder "XY kann eine Bildergeschichte aufschreiben".
Darf ich als Lehrkraft einfach so differenzieren oder darf ich das erst machen, wenn ein sonderpädagogisches Gutachten vorliegt? Ich frage das auch mit Blick auf Leistungsbewertung und Noten, die ja in manchen Bundesländern irgendwann vergeben werden müssen.
Du verwechselst hier die Lese-und Rechtschreibschwäche bzw. Störung mit einem inklusiven Kind. Wenn jemand eine Legasthenie in welcher Ausprägung auch immer hat, geht man von einem normalen IQ aus bzw. von einem signifikanten Unterschied zwischen IQ und Lese- bzw. Rechtschreibleistung. Diese Kinder haben keine sonderpädagogischen Gutachten, sondern sie werden bei uns von der Beratungslehrkaft oder der Schulpsychologie getestet.
Palim hat das schon geschrieben: Wenn zieldifferent beschult wird, liegt ein sonderpädagogisches Gutachten vor. Dann ist das etwas Verwaltungskram.
Ansonsten kannst du in der Klasse immer differenzieren zum Zweck die einzelnen Kinder individuell auf das Niveau zu bringen. Allerdings müssen diese in Bayern die gleichen Proben schreiben. Ausnahme: offizielle zieldifferente Beschulung mit Aussetzen der Noten. Welche Erleichterungen Schüler beim Lesen und Rechtschreiben bekommen, hängt von der Ausprägung ab. Das wird über die Schulpsychologie festgelegt. Das nennt sich dann "Nachteilsausgleich".
-------------------
Ich hatte auch schon Kooperationsklassen, da waren tatsächlich Kinder mit in der Klasse, die laut Diagnose auch auf die Förderschule L hätten gehen können. Die hatten dann je nach Ausprägung Probleme in Mathe und Deutsch und bekamen einen individuellen Förderplan. Als die Zeiten noch besser waren, hatte ich ein paar Doppelbesetzungen, wo diese Kinder besonders gefördert wurden. Dennoch gab es große Teile im Unterricht, wo sie mitmachen konnten.
In meinen Augen stellst du dir das zu kompliziert vor. Meine Devise war immer, die Schüler dort mitzunehmen, wo es ging und ihnen unter Umständen abgespeckte Aufgaben oder mehr methodische Hilfestellungen zu Aufgaben zu geben bzw. ihnen etwas mehr zu erklären. Während des Unterrichts ergeben sich da immer wieder Zeitfenster oder in Bayern während der Morgenarbeit, wo die Schüler indiviuell arbeiten. Das hat man aber immer, dass man einigen Kindern nochmals etwas individuell erklären muss.
Die wirkliche Herausforderung ist eine zieldifferente Beschulung, aber da hatte ich wenige Fälle. Das waren mal Kinder, die kein Wort Deutsch konnten (das gibt es auch wieder Sonderregelungen für diese Fälle) oder ein wirklich inklusives Kind, das Hilfe brauchte und deswegen eine Schulbegleitung hatte.
P.S.: Habe gleichzeitig mit Palim geschrieben. Meine Erfahrungen beziehen sich auf Bayern.