Das ist - vielleicht insbesondere in Deutschland - ein reichlich kompliziertes Thema.
Die Artikel in dem von Jotto verlinkten Heft sind nicht nur lesenswert, die regen durchaus zum Nachdenken an.
Ich habe mich jetzt die ganze Zeit gefragt... musst du jetzt jedes Wort auf die Goldwaage legen... nein, das kann nicht sein, denn dann kann ich nicht mehr kommunizieren. Es ist also mMn am wichtigsten, wer welchen Begriff in welcher Absicht und welchem Kontext verwendet. Denn die negative/beleidigende Konnotation, die ja heutzutage an manchen Begriffen schon generell festgemacht wird, beabsichtigt garantiert nicht jeder, der so ein Wort verwendet. Manche "Entschärfungen", die es ja gibt, halte ich für lächerlich. Glaubt es oder nicht, in den Neuauflagen von Pippi Langstrumpf darf ihr Papa nicht mehr "Negerkönig" sein. Als ich das als Kind gelesen und im Fernsehen gesehen habe, hat das keinen aufgeregt. Und es wurde auch nicht thematisiert. Himmel, mir wurde als Kind erklärt "in Afrika leben Neger, die sind schwarz." Ja und? Daran war aber nichts "schlimm", weil die negative Konnotation (also von wegen dass das minderwertige Menschen seien) war eben nicht dabei. Genauso gab es die Aussage "Chinesen sind gelb", was ja optisch mehr oder minder stimmt, und dass Asiaten "Schlitzaugen" haben, ist auch eine Tatsache (und dass diverse Asiaten die Europäer als "Langnasen" bezeichnen ist auch heute noch Tatsache, stimmt ja auch, im Vergleich zu deren eher flachen/kurzen Nasen).
All das sind schlicht Feststellungen. Wenn da keine Konnotation bei ist, sehe ich das auch nicht als irgendwo verwerflich an. Problematisch wird es erst, wenn damit irgendwelche Eigenschaften automatisch asoziiert werden, die eben nicht "definitiv unabänderlich" so sind.
Vor allem frage ich mich, wie stehe ich denn selber dazu da. Ich hab ja auch nen dreiviertel "Migrationshintergrund", wie das neudeutsch heißt. meine spanische Hälfte rekrutiert sich effektiv aus Gitanos, und das andere nicht "deutsche" Viertel war mal deutsch, konkret "böhmisch" und wäre nach heutigen Grenzen wohl tschechisch, mein Nachname hat eine slawische Endung, mein Vorname kommt in allen möglichen Sprachen vor, wobei meine Schreibweise die spanische ist. Und optisch? Ich könnte alles mögliche sein, dunkelbraune Haare, braune Augen, durchschnittlicher Teint, also weder besonders blass noch besonders dunkel. Also "irgendwas europäisches, wohl eher nicht nördlich". Sprachlich? Kommt drauf an was ich will dass jemand denkt. Ob ich vielleicht sogar bewusst akzentuiert spreche weil ich das will. Und wie positioniere ich mich da?
Beleidigt mich ein "Zigeunerschnitzel"? Nein. Ich habe es so kennengelernt und finde solche Begriffe wie "Pusztaschnitzel" (hab ich echt schon gesehen) reichlich übertrieben pc. Wenn jemand einen Sinti, einen Roma, einen Tinker, Phuri Dae, Gitano, usw als "Zigeuner" bezeichnet... merkst du mMn am Tonfall, wie das gemeint ist. Hey, ist sicher nur ein Gadscho der es nicht besser weiß, oder?
Wichtig wäre es vielleicht, den SuS mal zu erklären, wie der Begriff überhaupt entstanden ist, dann merken sie da zumindest, dass er eigentlich beleidigend gemeint war. "UmherZIEhende Ga(E)UNER", da ist der Stamm des Wortes zu suchen. Und wenn du dem Nazipack mal erklärst, wo diese Völker eigentlich her kommen (kleiner Tipp, es sind aus ethnologischer Sicht die Nachfahren der ursprünglichen "Aryer", geographische Herkunft grob das heutige Afghanistan, ja, die sind weit rumgekommen), bekommen die garantiert nen Herzinfarkt.
Und, wie sollen sie nun genannt werden?
Ich würd ja mal den Vornamen vorschlagen.
Ebenso wenn mich zB jemand fragt "hast du eigentlich ausländische SuS" - ja sicher habe ich das. Ich habe kaum SuS ohne Migrationshintergrund. Nur sind das "Ausländer"? Die Mehrheit hat durchaus die deutsche Staatsangehörigkeit. Wenn die dann meine Kurse sehen würden... ob sie da überhaupt jemanden als "deutsch" einschätzen würden? Viele sicher nicht. Aber dafür höre ich auch irgendwelche abfälligen Bezeichnungen über diverse Bevölkerungsgruppen eben eher nicht in der Schule - weil es eben reichlich bunt ist. Da ist quasi von allem was dabei. Ich habe SuS gefühlt aus aller Welt, also aus Europa, Asien, Afrika, Nord- wie Südamerika... okay, ich glaub aus Australien war noch niemand, aber na und? Solange da niemand eine kleine "diskriminierte" Randgruppe bildet, ist das eigentllich eher unkompliziert. Und ja, das geht, mitten im Ruhrpott. Zumindest größtenteils.
Irgendwelche respektlosen, beleidigenden Bezeichnungen bekomme ich eher am Rande im gesellschaftichen Umfeld mit. Da hörst du durchaus Begriffe wie "Ölaugen", "Kopftuchgeschwader", "Mamelukken", "Paselacken", "Kameltreiber", "Bimbos" oder die weit verbreiteten "Kanaken"... das neueste was ich gehört habe waren "TuBuRus" (Erklärung: Leute, die man nicht einordnen kann, entweder TUerken, BUlgaren oder RUssen, aber so oder so "als Nachbarn unerwünscht"). Und wieso werden solche Begriffe verwendet? IdR, weil sich der (meist nicht sonderlich gebildete) Verwender von diesen abgrenzen will - und das passiert auch bei noch engerer "Nachbarschaft", überlegt doch mal... wie oft habt ihr schon mal so was gehört wie
- Froschfresser (Franzosen)
- Kaasköppe (Niederländer)
- Spaghettis, oder noch derber "Itacker" (Italiener),
- Moccas (Marokkaner)
- Smörebröds (diverse Skandinavier)
- "Inselaffen" (Briten)
...
(auffällig, wie oft sich da was auf (angenommene) häufige Ernährungsgewohnheiten bezieht...)
...oder sogar innerdeutsch...
"Fischköppe", "Seppel", "Weißwürste", "Ossis/Wessis" - das ist doch Allgemeinsprech, oder? Manche regts auf, manche nicht, ob jemand damit beleidigen will oder nicht ist eine andere Frage, die Person will sich aber immer irgendwie dagegen abgrenzen. Warum - das ist unterschiedlich. Die Aussage "so bin ich nicht - die sind anders" steht immer dahinter. Nur in welchem Aspekt und aus welcher Motivation heraus diese Aussage gemacht wird, das ist wichtig. Und da bedarf es ggf Aufklärungsarbeit, vor allem da, wo schlicht ein Nicht-besser-Wissen herrscht. Wo mal besseres Kennenlernen angesagt wäre. Denn in den Medien werden fast immer nur die negativ auffälligen Exemplare aufgezeigt. Dass es auch genug andere gibt, die eben "nicht so" sind, das wird eben viel zu wenig vermittelt. Damit die "Masse" auch einmal begreift, dass es sicherlich unerwünschte/kriminelle/gesellschaftsunfähige Vertreter aller Bevölkerungsgruppen gibt, aber das am jeweiligen Individuum liegt, und nicht an deren Ethnie/Kultur/"Rasse" oder was auch immer. An der Sozialisation kann es durchaus liegen, aber daran kann man ja auch arbeiten.
Also kommen wir mal zum Anfang zurück... darf ich jetzt "Neger" sagen? Oder lieber "Schwarze"? "Farbige"? "Afrikaner" ist uU ja falsch, die können auch anderswo herkommen, und "maximal pigmentierte Mitbürger" ist so sarkastisch pc, das muss ich nicht haben... "Dunkelhäutige" vielleicht? Vor nicht allzu langer Zeit kam mal die Frage aus meinem Dunstkreis "hast du eigentlich schwarze Schülerinnen in deiner AG?" "Ja, habe ich, mehrere." "Und, wie sehen die so aus?" "Ich finde die ziemlich hübsch." Damit war das Thema durch.
Manchmal hilft es wirklich, aus solchen Situationenn einfach mal den "Druck" rauszunehmen. Entkompliziert vieles.