(...)
Aber mal echt, muss man Hausaufgaben in die Nebenfächern aufgeben? (...)
Ja
Beispiele habe ich ja bereits genannt. Lebenspraktische Dinge, wie z.B. das Grundprinzip des Zustandekommens von Kaufverträgen benötigen alle SuS später, ergo müssen das auch alle ausreichend durchdringen und üben. Auch situativ angemessenes Argumentieren fällt ohne ausreichende Übung in verschiedenen Fachwissenschaften vielen meiner SuS schwer, die sich zwar gut "durchlavieren" können, aber eben erst noch lernen müssen,wie man sich angemessen schriftsprachlich ausdrückt (und nein, dafür ist weder alleine der Deutschunterricht zuständig, noch würde die Präsenzlernzeit dafür ausreichen), welche verschiedenen sprachlichen Register sie beachten müssen, welche Argumentationsstile auch in einer Email an den künftigen Chef angemessen sein könnten, etc.
Was diese Argumentation deinerseits anbelangt:
Zitat
Am Ende ist es doch am wichtigsten, dass die Schulabgänger sicher im Lesen, Schreiben, Rechnen sind. Wenn sie sich für eines der Nebenfächer besonders interessieren und in diesem Bereich auch eine Berufslaufbahn einschlagen wollen, sind sie doch ohnehin intrinsisch motiviert und merken sich deshalb viel aus dem Unterricht. Ansonsten ist es einfach wichtig, dass man weiß, wie und wo man etwas herausfinden kann, wenn man etwas wissen möchte. (...)
... halte ich es für reichlich verklärt zu vermuten, dass SuS in der Sek.I prinzipiell bereits derart klar wüssten, was sie später beruflich machen wollen, um sich dann bewusst zu machen, welche Unterrichtsfächer entsprechend besonders vertieft gelernt werden sollten, was sie dann noch- als Krönung des Ganzen- selbstredend intrinsisch motiviert schaffen.
Ich habe nicht den Eindruck, dass du bereits besonders viel Umgang mit Pubertieren hattest, andernfalls wäre dir klar, dass sowohl Berufsorientierung in der Realität anders abläuft, als auch die Selbstkonsequenz, sich in der Folge zumindest in einigen Fächern stärker einzubringen auch noch in Klassenstufe 9/10 bei einigen SuS eher die Ausnahme, als die Regel ist und von manchen auch niemals erfolgt ohne regelmäßige "Tritte in den Allerwertesten". Wenn sie dann wissen, was sie beruflich machen wollen, ja, dann kann man zumindest ein paar der Hasen darüber motivieren, den Hintern ausreichend hochzubekommen- nicht alle. Und oftmals wissen sie das auch am Ende der Realschule noch nicht, weshalb sehr viele meiner 9er und 10er als Ziel angeben "erst einmal weiter Schule" machen zu wollen. Je größer aber die Lücken aus der Sek.I sind, desto schwerer wird es manches Berufsziel, dass man erst spät für sich entdeckt, noch zu erreichen. Insbesondere, wenn für den spät entdeckten Traumberuf ein Abitur erforderlich ist, rächen sich die Lücken aus der Sek.I unter Umständen deutlich. Hausaufgaben sind natürlich kein Garant, dass derartige Lücken nicht entstehen, aber ein unerlässlicher, zusätzlicher Übungsraum, um eben auch herauszufinden, was man noch nicht weiß und wozu man nachfragen muss, sind sie allemal.
Ich arbeite in einigen meiner Nebenfächer deshalb u.a. mit Lerntagebüchern. Darin sollen die SuS -fragengeleitet- die Unterrichtsstunde zuhause noch einmal reflektieren und u.a. festhalten, was sie noch gerne hätten wissen wollen zum Thema, was sie gelernt haben oder auch, was sie noch nicht verstanden haben. Auch die müssen dann aber eben zuhause angefertigt werden.
Wo was steht zu lernen erfordert auch eine eigene, tiefere Auseinandersetzung über ein reines Absitzen von Unterrichtszeit in der Schule hinaus. Ich habe aktuell in Wirtschaft 9er in der Projektarbeit, die- Corona sei Dank- in den letzten zwei Schuljahren kaum klassische Referate hatten, keine GFS hatten und die plötzlich eine Präsentation und Dokumentation erstellen sollen, die ihre halbe Jahresnote ausmacht und bei der auch schon der Arbeitsprozess Teil der Benotung ist. Denen fällt es teilweise unglaublich schwer, sich vernünftig zu organisieren. Meine Nachfrage, welche Schulbücher anderer Fächer sie noch als Recherchehilfe gerne hätten hat mir exakt eine Gruppe beantworten können, alle anderen gehen davon aus, dass das allwissende Internet schon ausreichend wäre, waren dann aber doch nicht undankbar, dass ich dennoch einige weitere Fächer vorsorglich mitgebracht und als Materialschrank zur Verfügung gestellt habe, nachdem ihnen dann doch aufgefallen ist, dass Schulbücher netterweise Themen sinnvoll vorstrukturieren, zugrundliegende Fachkonzepte erklären, etc.