Man merkt in diesem Beitrag deine politikwissenschaftliche Expertise. Der durchschnittliche Bürger würde das jedoch nicht verstehen. Viele Bürger scheuen aktive politische Beteiligung, da "zu kompliziert". Wären direkte Demokratieelemente nicht eine Möglichkeit, auch diesen Menschen aktive, politische Teilhabe zu bieten?
Die Krux ist: Wem es jetzt schon zu kompliziert ist in unserer repräsentativen Demokratie ein simples Kreuz zu setzen, wer sich weder aufzuraffen vermag zur Wahl zu gehen, geschweige denn dabei eine halbwegs informierte Entscheidung zu treffen, der wird sich nicht urplötzlich aufraffen sein Kreuz zu machen, geschweige denn dabei eine halbwegs informierte Entscheidung zu treffen , nur weil es sich direkte Demokratie nennt. Wäre es anders, dann hätten wir bedeutend häufiger Bürgerbegehren und Bürgerentscheide und damit eine aktive Nutzung direktdemokratischer Elemente, die es vor allem auf kommunaler Ebene bereits vielfach gibt. Vor ein paar Jahren gab es das in meiner ehemaligen Heimatstadt. Hochemotionales Thema, wahnsinnig umkämpft, monatelange öffentliche Debatten, am Ende wurde aber- obgleich man die Abstimmung extra an den Kommunalwahltermin gekoppelt hatte, um das Quorum zu erreichen - nicht von genügend Menschen abgestimmt, damit das Votum Rechtskraft erlangen hätte können. Auch das ist beispielsweise ein Sicherungsmechanismus direktdemokratischer Elemente, ein Mindestanteil an Wahlberechtigten, die überhaupt abstimmen müssen, damit nicht Liesel und Heinz von nebenan alleine abstimmen und sich mit ihrer "Pro-Katzensteuer-Kampagne" durchsetzen können gegen schweigende Mehrheiten.
Wer sich politisch durchsetzen möchte muss sich egal in welcher Form der Demokratie informieren, engagieren und Mitstreiter mobilisieren. Wer sich nicht aktiv einbringen will, den "packt" man auch nicht über mehr direktdemokratische Elemente. Das Grundproblem ist meines Erachtens, dass zu viele Menschen nicht ernsthaft genug darüber nachdenken, welche Konsequenzen ihre politischen Entscheidungen haben (wie die Entscheidung, gar nicht erst Gebrauch zu machen vom eigenen Wahlrecht) und dass Politik uns alle ständig betrifft. Der Umstand, dass politische Bildung oft nur ein einstündiges Fach ist an der Schule tut sein Übriges, um das Bewusstsein für dessen lebenslange Relevanz nicht gerade zu schärfen. Wenn ich etwas ändern dürfte, würde ich an exakt dieser Stellschraube ansetzen, dem tatsächlichen Wert, den wir politischer Bildung zumessen und zuschreiben.
Last, but not least: Politische Teilhabe ist nichts, was Menschen verwehrt bliebe, nur weil es nicht mehr direktdemokratische Elemente gibt. Politische Teilhabe von Menschen ist ein feststehender Ausdruck, den man in Kontexten debattiert, wo eben diese Teilhabe tatsächlich strukturell erschwert bis verunmöglicht wird, z. B. wenn es um die politische Teilhabe von geistig Behinderten geht oder auch um die politische Teilhabe von Bürgern ohne deutschen Pass.