(...)Eben jene delegierte Person hat auf mich im Kennenlerngespräch schon einen recht unsympathischen Eindruck gemacht (vermutlich war das beidseitig) - und dann kam der Unterrichtsbesuch, in dem die Person zwar überwiegend sachlich korrekte Kritik anbrachte, aber dies in einem Tonfall, als säße an meiner Stelle ein Grundschulkind (und nichtmal einem solchen Gegenüber verhält man sich so): Aufstehend, von oben auf mich herabmeckernd und schimpfend; es gab auch keine für mich tatsächlich verwertbaren Verbesserungstipps.
Erstaunlich: Die Fachleitung saß beinahe schon apathisch daneben und traf keine Aussagen.
Das traf meine innersten Nerven, da ich leider vorher keine harte, äußere Schale entwickeln konnte. Inzwischen befinde ich mich aufgrund der Situation in einem seelischen Tief und nehme täglich beruhigende Mittelchen zu mir
Möglichkeiten: Mit der Person sprechen? Sicher! Aber allein der Gedanke daran erzeugt Panikattacken und löst Heulkrämpfe aus. Diese Möglichkeit ist so also erstmal nicht gegeben.
Heute tauchte die Person wegen eines anderen Ref. an meiner Schule auf. Gestern wurde ich vorgewarnt. Folgen: Kopfschmerzen, Schwindel, Bluthochdruck. Heute sogar so schlimm, dass ich alles abbrechen und krank nach Hause fahren musste.
Ich hoffe, ihr könnt mir einen Rat geben und bin für jede Hilfe wirklich dankbar.
1. Durchatmen, dir deine Stärken bewusst machen, bewusst machen, dass diese Beratungmomente im Ref für alle Referendare enorm anstrengend sind (selbst bei sehr guten UBs hatten die LBs bei mir immer unglaublich viel anzumerken, der Fokus verschiebt sich dann einfach auf andere Details).
2. Die sachlich korrekte Kritik annehmen und zwar erstmal egal, wie sie geäußert wurde. Das ist der einzige Weg dich zu entwickeln, dazuzulernen, am Ende zu bestehen. Verbesserungstipps die gegeben wurden ernstnehmen, mit deinen Mentoren an der Schule selbst besprechen und dann je nach Art des Hinweises umsetzen, auch wenn du meinst es bringe dich nicht weiter. Man lernt überraschend viel dadurch, dass man offen dafür ist derart neue Wege auszuprobieren, die auf den ersten Blick nicht zielführend wirkten. Nicht immer, aber oft wissen LBs/Mentoren, was sie ihren Refs raten und wollen einen mit ihren Verbesserungshinweisen- ganz unabhängig von Sympathie oder Antipathie- gut beraten und voran bringen.
3. Dir bewusst machen, dass manche Ausbilder nicht daran gewöhnt sind gleichaltrige Refs vor sich sitzen zu haben und nicht jeder souverän damit umgehen kann. Habe diesbezüglich selbst ein Thema mit einem meiner Mentoren. Die Zeit ist endlich, du schaffst das!
4. Sympathie ist etwas wirklich Schönes in der Ausbildung, aber keine Voraussetzung für eine funktionale Beratung im Ref, von der man als Referendar enorm profitieren kann. Sympathie oder zumindest Respekt kann man sich auch erarbeiten, indem man den LBs zeigt, dass man den Job machen will, sich reinhängt, Verbesserungshinweise umsetzt und sich entsprechend entwickelt zwischen den UBs.
5. Wenn dieser bestimmte LB deine "innersten Nerven" trifft und dich dermaßen antriggert ist dein erster Ansprechpartner du selbst. Warum macht das soviel mit dir? Ist es die Machtposition des Ausbilders über dich? Warum löst der Gedanke mit der Person als Erwachsene die du bist zu sprechen bzw,sie zu treffen derartige Angstreaktionen in dir aus? (Das sind keine Fragen, zum Beantworten hier im Forum, nur für dich selbst.) Versuch dich selbst besser zu verstehen, warum du in dieser Situation, bei diesem Menschen und dieser Art von Kritik (die ja offenbar nicht inhaltlich unsachlich war, nur vom Tonfall her von dir als "von oben herab" empfunden wurde) so stark angetriggert wirst. Dich selbst besser zu verstehen hilft dir, dich besser zu schützen. Beruhigungsmittel zu benötigen und mit derart starken psychosomatischen Symptomen zu reagieren macht eine Vorbelastung zumindest wahrscheinlich (ob es diese wirklich gibt, weißt nur du selbst).
6. Such zunächst das Gespräch mit deinem Mentor (ich nehme an, das ist die Fachleitung, die mit drin saß). Sprich an, dass du dir nicht sicher bist, wie du die Verbesserungshinweise tatsächlich zielführend verwerten kannst (aber zeig deine Bereitschaft eben das zu tun). Sprich an, dass nicht der Inhalt, aber der Gesprächston der Beratung sehr hart für dich klang, wie der Mentor das wahrgenommen habe. Mit anderen Worten gleich deine Wahrnehmung mit der Wahrnehmung einer weiteren anwesenden Person ab. Gerade nachdem du so sensibel reagierst wäre es möglich, dass von außen betrachtet der Tonfall des LBs klar, deutlich und hart, aber angemessen war. Diese Beratungssituationen sind wirklich sensible Momente, weil es um etwas geht (gerade im 1.Halbjahr, wenn die Versetzungsentscheidung getroffen wird). Dazu ist ein sehr begrenztes Zeitfenster, dass die LBs maximal nutzen wollen für die Beratung, so dass diese Beratung oft etwas schroff wirkt.
7. Falls sich durch das Gespräch mit dem Mentor (Fachleiter) ergibt, dass der Tonfall der Beratung grenzwertig war, überleg dir, mit welchem Ziel du das Gespräch mit dem LB suchst, was du wie vorbringen möchtest. Ich hatte selbst so ein Gespräch mit einem meiner LBs im ersten Halbjahr. Das war wirklich hart, aber hat etwas gebracht. Die Person hat sich am Ende entschuldigt und es hat sich deutlich etwas geändert im Umgang in der Folge.
8. Überleg dir, was du an Ressourcen hast, um dich innerlich zu stärken und was du machen kannst, um deinen Ängsten nicht soviel Raum und soviel Macht über dich zu geben. Autogenes Training/Meditation können da helfen oder eine mentale Übung wie den "Sicheren Ort" um einen besonders ängstlichen Selbstanteil vor einer beruflichen Herausforderung bewusst in Sicherheit zu bringen und damit aus dem Gespräch herauszuhalten (das erfordert Übung, "das innere Team" nach Schultz von Thun kann dafür ein erster Anhaltspunkt sein).