Es ist irgendwie "relevant", ja, aber du bist nicht ausgebildet um kleinen Kindern das Lesen und Schreiben beizubringen. Lustigerweise sind sich diesbezüglich gerade Personen mit mir einig, die ansonsten mich ganz gerne mal angiften, wenn ich schreibe, eine vertiefte Fachausbildung sei für die Grundschule weniger wichtig als Fachdidaktik und Pädagogik. Dann heisst es immer, man müsse für die Grundschule das tollste Fachwissen überhaupt haben, was eben Quatsch ist.
Du bist im Moment schlichtweg in der falschen Schulform unterwegs. Dass du aber selbst die Idee hattest, das könnte passen, sagt eben schon was über dich aus und genau diese schlechte Selbsteinschätzung bzw. Vorstellung davon, was man an der Schule dann wirklich zu tun hat, nervt mich an Leuten, die entweder aus der falschen Fachrichtung kommen oder tatsächlich Quereinsteiger aus der Industrie/Wirtschaft sind. Dass man auf der zwischenmenschlichen Ebene unfreundlich zu dir ist, ist nicht in Ordnung, da bin ich völlig bei dir. Du scheinst aber wirklich nicht zu verstehen, dass du für den Schulbetrieb nicht halb so "nützlich" bist wie die Politik, die dir diese Möglichkeit ja schlussendlich überhaupt erst bietet, es gerne hätte. Was dir gerade passiert ist symptomatisch für ein kaputtes System. Das ist nicht deine Schuld aber du wärst gut beraten auch wirklich mal die Perspektive zu wechseln um wenigstens versuchen zu verstehen, woher der Frust kommt. Du bist einfach nicht die "Heilsbringerin" auf die alle gewartet haben. Das System braucht keine kreativen Notlösungen, sondern stufengerecht qualifiziertes Fachpersonal.
Ich arbeite selbst in der Sekundarstufe II und ich kenne es, seit ich in diesem Beruf arbeite, überhaupt nicht anders, als dass ich aus der Mittelstufe in meinen Fächern schlecht ausgebildete Jugendliche in den Unterricht bekomme. Das ist immer schon ein systemisches Problem. Chemie gibt es bei uns im Kanton in der Mittelstufe nicht als eigenständiges Fach, es heisst "Biologie mit Chemie". Im Idealfall unterrichtet eine Lehrperson, die für die Sek I ausgebildet ist und genau diesen Fachbereich im Studium auch vertieft hat. Häufig ist das aber nicht der Fall und es gibt auch immer schon gerade in diesem Fachbereich sehr häufig Lehrerwechsel und Stellvertretung, weil sich zu wenige Lehramtsstudierende dafür interessieren. Wenn es nicht ideal aber immer noch gut läuft, unterrichtet eine Lehrperson, der selbst bewusst ist, dass sie Chemie nicht so gut kann und dann eben nur phänomenologische Biologie macht. Das ist mir als Sek-II-Lehrperson, die übernimmt, tausend mal lieber als wenn sich da jemand abkrampft und irgendeinen Blödsinn erzählt. Dann lass es lieber bleiben, das macht wenigstens nichts kaputt. Die besten Erfahrungen mache ich eigentlich mit den Jugendlichen, die aus dem Leistungszug E übertreten, die hatten nämlich im NaWi-Bereich gar keinen Theorieunterricht sondern "nur" phänomenologische Laborarbeit. Die können immerhin alle einen Gasbrenner bedienen, Flüssigkeiten unfallfrei von A nach B umfüllen und einen Erlenmeyerkolben von einem Becherglas unterscheiden.
Ich unterhalte mich oft mit den Jugendlichen über diese Probleme, die merken in der 1. Klasse bei uns sehr schnell selbst, dass irgendwas vorher nicht ganz rund gelaufen ist. Dann erkläre ich ihnen genau das: Das ist nicht die Schuld der Kolleginnen und Kollegen, die an der Sek I arbeiten. Von denen wird häufig irgendwas verlangt, wofür sie gar nicht ausgebildet sind, sie unterrichten zu viele Wochenlektionen und plagen sich obendrein noch mit unqualifizierten Aushilfskräften rum. Und die Politik wundert sich, warum sich immer weniger Studierende für die Primar und Sek I an der PH einschreiben bzw. nach kürzester Zeit wieder hinschmeissen. Es läuft überhaupt nur noch in der Sek II einigermassen OK, das ist bei uns halt eine modulare Ausbildung bestehend aus Fachstudium an der Uni + Fachdidaktik/Erziehungswissenschaften an der PH.
Wie ich aber bereits weiter oben schrieb, wird es auch für uns zunehmend schwieriger, noch ausreichend qualifizierte Leute zu finden. Ich erwähnte diesen merkwürdigen Trend mit den Sportlern, die meinen so beiläufig noch dies, das und jenes unterrichten zu können. Wenn in "dies, das und jenes" die Not nur gross genug ist, dann nimmt man die halt und hofft, dass in 1 oder 2 Jahren wieder bessere Bewerbungen im Körbchen landen. Lustig ist das aber für beide Seiten absolut nicht, da sind bei uns schon mehr als einmal Tränchen geflossen bei Leuten, die wieder gehen mussten. Weil man ihnen leider ganz direkt sagen musste, sorry, deine Fachkompetenz ist nicht ausreichend.
Aber auch das wird hier im Forum gerne mal ein bisschen lächerlich abgetan, Gymnasium sei ja immer noch fachwissenschaftlicher Kindergarten. Ich hab's nur wirklich nun mehr als 1 x schon erlebt, dass Leute mit nem halben Fachbachelor genau daran letztlich scheitern und ich bin überzeugt davon, an der Sek I könnten die sehr wohl noch einen guten Job machen. Sei also insofern beruhigt, die Selbstwahrnehmung scheint mir auch bei berufserfahrenen und regulär ausgebildeten Lehrpersonen nicht immer die beste zu sein.