Beiträge von Antimon

    Die Latinumsbedingung gibt es z.B. in Hamburg immer noch, kann aber im Laufe des Studiums nacherworben werden (so hab ich es auch gemacht).

    Grad mal aus Interesse auf der Seite der Uni HH nachgeschaut: Es sind sogar Englisch-Kenntnisse als Eingangsvoraussetzung in MINT-Studiengängen angegeben, z.B. für Wirtschaftsmathematik auf dem Niveau B1, TOEFL etc. oder in Form von drei Jahren Schulunterricht (hier ohne Note) oder für den Master in Chemie sogar 7 Jahren Englischunterricht (auch hier ohne Note). Mit anderen Worten, man erwartet schon, dass jemand in sieben Jahren Englischunterricht der Sprache auf Niveau B2 mächtig ist, auch wenn sich das nicht im Abiturzeugnis entsprechend widerspiegelt.

    À+

    Ja da zeigt sich dann halt schon der Unterschied in der Wertigkeit der Abschlüsse. Wir gehen hier einfach davon aus, dass mit der bestandenen Matura die entsprechenden Englischkenntnisse vorhanden sind, ohne dass das noch mal durch ein Zertifikat oder sowas nachgewiesen werden muss. Bei Englisch haut das sicher auch hin, bei Französisch habe ich da so meine Zweifel ^^ Ich habe gerade auch extra nachgeschaut, es steht nicht mal bei den Sprachstudiengängen explizit dabei, dass die entsprechenden Sprachkenntnisse vorausgesetzt werden. Wenn man die Fremdsprache am Gymnasium unterrichten will, muss man irgendwann verpflichtend ein Auslandssemester machen.

    Das Lateinobligatorium gibt es unter anderem noch in Zürich. Dafür gibt's in Basel z. B. für die Biologen die "strengere" Mathe, so bildet sich halt jede Uni irgendwas ein. Wie wohl überall auf der Welt.

    OK, das wusste ich nicht. Bei uns hier gibt es nur für Medizin und Sport einen Eingangstest. Alle anderen Fächern sind komplett frei, es gibt in Basel auch kein Lateinobligatorium mehr für Geschichte und die romanischen Sprachen. Die Matura muss für alle Fächer nur bestanden sein, der Notenschnitt ist egal.

    vielleicht verstehe ich auch etwas anderes darunter

    Ich glaube, das. Wir schreiben irgendwo aneinander vorbei aber ich bin mir ziemlich sicher, wir meinen eigentlich das gleiche. Das Angebot muss für alle das gleiche sein. Dass nicht alle Kinder und Jugendliche das gleiche draus machen, ist klar. Das ist aber auch nicht schlimm, die Matura ist bei uns mit einer 4.0 genauso bestanden wie mit einer 6.0. Dazwischen liegt eine kleine Welt.

    Was müsste in den Lehrplänen verankert sein, damit ein Studium begonnen werden kann?

    Gar nichts. Mit dem bestandenen Abitur und allenfalls einen bestimmten Notenschnitt vorausgesetzt, kann jeder alles studieren. Da hat Herr Krötz etwas grundlegend falsch verstanden und mein erster Beitrag im Thema lautete dementsprechend auch sinngemäss "ich nehme das gar nicht ernst". Natürlich bereitet das Abitur nicht explizit auf ein Studium der Mathematik vor, auch nicht auf ein Studium der Chemie. Es gibt Fächer, die an der Schule gar nicht obligatorisch unterrichtet werden und für die man sich trotzdem einschreiben kann. Wirtschaft- und Rechtslehre ist z. B. meines Wissens in Deutschland wenn überhaupt nur in einzelnen BL ein (Wahl-)Pflichtfach. Für BWL schreiben sich aber dennoch tausende von Studierende ein und schliessen das Studium auch erfolgreich ab. Das Abitur sollte nur die allgemeine Studierfähigkeit nachweisen.

    Ich schrieb ja, wir waren am letzten Donnerstag an der Uni Basel zum Austausch über die erwarteten Kompetenzen im Fach Mathematik. Ich habe dann irgendwann mal ganz ketzerisch nach den Durchfallquoten bei den Prüfungen gefragt und siehe da, die liegen nur bei etwa 30 %. Das ist ja deutlich geringer als das, woran ich mich so erinnern kann, wie das bei uns vor 20 Jahren war. Dass die sich trotzdem ärgern, dass Studierende der Naturwissenschaften in der Vorlesung bei simplen Termumformungen nicht mitdenken können, das kann ich absolut nachvollziehen. Ich finde es auch immer noch bizarr, dass jemand sich für eine Naturwissenschaft einschreibt, der solche Probleme in der Mathe hat. Aber wahrscheinlich sind das dann die 30 % und alles ist in Ordnung.

    Dass mathematische Verfahren an der Schule nicht eingeschliffen und verinnerlicht werden halte ich schlichtweg für ein Symptom von Desinteresse an mathematisch-naturwissenschaftlichen Fragestellungen. Das muss man so akzeptieren. Ich akzeptiere nur kein Rumgejammere und bekomme hin und wieder einen Anfall, wenn insbesondere die Mädchen anfangen mit "das hab ich noch niiiie gecheckt". Behalt deine Unlust einfach für dich oder kneif die Arschbacken. Es gibt bei uns am Gymnasium wenige (ein paar mehr an der FMS), die wirklich Mühe mit dem Verständnis haben, denen erkläre ich selbstverständlich alles noch ein hundertstes Mal. Für Gequengel sind mir meine Zeit und meine Nerven aber zu schade.

    Edit: Was mir in letzter Zeit aber häufiger auffällt (und ich glaube, es fällt mir nur auf, das war wahrscheinlich noch nie anders) ist, dass doch ziemlich viele nicht recht verstehen, was Mathe eigentlich ist und was es nicht ist. Wenn ich noch einmal auf deinen 1. Beitrag in diesem Thema verweisen darf - offensichtlich schmeisst du Mathe auch in den Topf der Naturwissenschaften. Mathe ist aber keine Naturwissenschaft, wirkliche Mathematik befasst sich überhaupt nicht mit realen Sachgegenständen. Wenn ich SuS danach frage, woran sie eine Proportionalität in der Physik erkennen, lautet die Antwort "weil man das so ausrechnen kann". Sie verstehen nicht, dass die Formel im Formelheft nur ein mathematisches Modell ist, welches die reale Beobachtung beschreibt und das auch nur unter bestimmten Bedingungen. Mathe erscheint ihnen "wahr" und die Natur muss sich an das halten, was die Mathe eben so vorgibt. So wird es nota bene auch von den populärwissenschaftlichen Medien verkauft. Dass die Natur einfach so ist wie sie ist und sich an überhaupt nicht "hält", die Idee wird mehrheitlich als befremdlich wahrgenommen. Ich kann nicht mehr tun, als das immer und immer wieder zu erklären. Es wird nicht bei allen ankommen, so ist es einfach.

    noch dass in der Uni etwas von Betreuer*innen aus der Uni gegengelesen wird

    Ja, weiss ich, dass das nicht überall so gemacht wird. In Heidelberg schon und schon vor 20 Jahren war das so. Auch meine erziehungswissenschaftliche Arbeit, die ich an der FHNW abgegeben habe, wurde vom betreuenden Dozenten gegengelesen bevor ich sie definitiv abgegeben habe. Über Feedback- und Fehlerkultur hat man in der allgemeinen Didaktik bzw. in den Erziehungswissenschaften in der Lehrerausbildung mal was gelernt und weiss eigentlich, dass solche Methoden hocheffektiv sind. Dass das auch bei uns an der Schule viele nicht ernst nehmen, schrieb ich bereits. Ich mache mich seit Jahren dafür stark, dass mindestens eine vollständige Feedback-Schleife bei der Betreuung der Maturarbeiten und Selbständigen Arbeiten der FMS verpflichtend wird. Es scheitert daran, dass eine Mehrheit der KuK den Aufwand scheut. Natürlich müsste die MA-Betreuung dann auch besser entlöhnt werden. Das passt aber der SL nicht in den Kram. Stattdessen echauffieren wir uns weiter über den sprachlichen Bullshit, den halt in jedem Jahrgang ein Teil der SuS abgibt. Wie erwähnt, zum Glück gibt es jetzt ChatGPT, dann haben alle eine "Mutti", die gegenliest. Für die Chancengerechtigkeit ist damit viel gewonnen.

    Gott sei Dank habe ich dieses Problem nicht

    Ich schon. Wir haben an der FMS Klassen mit 70 - 80 % Migrantenkindern von denen keins fehlerfrei deutsch schreiben kann. Ich habe aufgehört mich zu fragen, wie das überhaupt passieren kann. Ich weiss es nicht. Aber dann sind sie eben da und es wird dann auch was draus. Halt keine Germanistik-Studenten sondern Physiotherapeuten und Rettungssanitäter.

    So, wie du es schreibst, lastest du allein den GS-Lehrkräften an, dass die Kinder innerhalb eines Jahres die Inhalte nicht erlernt haben.

    Nein, an der Stelle verstehst du mich falsch. "Schuld" haben die in meinen Augen nur dann, wenn sie eben Zeug voraussetzen, das gar nicht von allen erfüllt werden *kann*. Das geht m. E. an der Primarschule gar nicht. Natürlich müsste der Staat dies, das und jenes, insbesondere erheblich mehr ins Bildungssystem investieren. Tut er aber nicht. Und dann bin ich als Lehrperson in der Pflicht, im Rahmen meiner Möglichkeiten die gleichen Voraussetzungen für alle zu schaffen. Ansonsten sind wir uns in der Sache aber erstaunlich einig :kuss:

    ich hatte selbst als Schülerin Mathe-Nachhilfe

    In der Grundschule? Ich hoffe nicht. Und ja, tatsächlich, wenn am Gymnasium jemand Nachhilfe in mehreren Fächern braucht, empfehlen wir dringend einen Wechsel an eine andere Schulform. Es spricht überhaupt nichts dagegen, sich temporär Hilfe z. B. bei älteren Mitschülern zu holen. Aber dass professionelle Nachhilfeinstitute Geld mit der Vorbereitung auf Übertrittsprüfungen z. B. verdienen (das ist in Zürich die Realität!) finde ich pervers. Wer das OK findet, hat wirklich nicht verstanden, wie soziale Ungerechtigkeit im Bildungsbereich entsteht.


    Hat aber mit den übrigen Themen hier im Thread überhaupt nichts zu tun.

    Doch, doch, ne ganze Menge. Ich hab selber auch Kollegen die finden, nee, also die eignen Kinder gehen sicher nicht in die Berufslehre. Das sind eben die, die dann die Referate zu Hause schreiben.

    Andere Kinder bekommen Nachhilfe, soll das dann am besten auch verboten werden?

    Bezahlte Nachhilfe sollte absolut verboten werden, ja. Wir haben hier noch einen einzigen Kanton mit einer Übertrittsprüfung fürs Gymnasium, was denkst du, wer die schafft und mit welchen Mitteln? Ganz sicher die Kinder von Maurern und Putzfrauen, ne? Ja, halt dann, wenn sie ausreichend intelligent sind. Als Akademikerkind ist das nicht so wichtig, da zahlen die Eltern halt die Nachhilfe, dann klappt das schon. Das ist übrigens der Grund, warum ich niemals in Zürich arbeiten wollte, auch wenn die noch so gut zahlen. So ein System finde ich zum Kotzen.

    ob ich eine Arbeit Korrektur lesen kann

    Weisst du, wer die Maturarbeiten meiner Jugendlichen (also, die, die ich betreue) korrekturliest bevor sie bewertet werden? Ich. Genauso habe ich es an der Uni übrigens gelernt, ich habe nicht eine einzige Arbeit zur finalen Bewertung abgegeben, ohne dass sie vom Betreuer zuvor korrekturgelesen wurde. Leider sind es die wenigsten KuK bei uns an der Schule, die das so machen. Die Mehrheit geht davon aus, dass es zu Hause Eltern gibt, die das machen. Und kotzen dann ab, wenn die Arbeit voller Rechtschreibfehler ist, weil die Eltern halt aus dem Kosovo immigriert sind. Zum Glück gibt es jetzt ChatGPT.

    Ich merke gerade, ich habe voll ins Schwarze getroffen. Das grosse Bedauern für die armen, benachteiligten Migrantenkinder nehme ich hier dann ab sofort niemanden mehr ab.

    Deswegen gibt und gab es an meiner Schule auch eine spezielle Hausaufgabenbetreuung, jetzt im Rahmen der OGTS.

    Das ist super, wenn es das gibt. Und wenn es das nicht gibt, kann ich die Kinder nicht mit Hausaufgaben zuballern und erwarten, dass alle Eltern das zu Hause betreuen können. Es gibt genügend Eltern, die einfach nicht können. Es ist aus Sicht der Kinder ziemlich egal, warum sie nicht können, für die Kinder entsteht aus dieser Erwartung einfach nur ein immenser Nachteil. Eltern haben dafür zu sorgen, dass den Kindern das nötige Arbeitsmaterial zur Verfügung steht und dass sie pünktlich und regelmässig zum Unterricht erscheinen. Das ist Teil ihres Erziehungsauftrags. Auch den erfüllen längst nicht alle, ja, über die ärgere ich mich auch. Das muss man dann wohl mit externer Unterstützung auffangen, drohen, was auch immer. Offenbar gibt es aber längst nicht so viel Unterstützungsangebot, wie es müsste, also liegt der Ball wieder bei den Lehrpersonen. Ihr könnt einfach nicht fordern, was nicht von allen erfüllt werden kann, schon gar nicht in der Primarstufe. Wenn ihr der Meinung seid, dies das und jenes muss zwingend zu Hause geübt werden und dann auf dieser Unbekannten, die ausserhalb der Schule erarbeitet wurde, weiter euren Unterricht aufbaut, müsst ihr euch über Fälle wie diese Grundschule in Ludwigshafen nicht wundern. Es geht hier nicht um "Selbständigkeit", es geht um ganz konkrete Inhalte für deren Vermittlung wir als Lehrpersonen zuständig sind und von denen ich absolut nicht erwarten kann, dass die Eltern zu Hause da meinen Job übernehmen. Ich muss "meinen" Jugendlichen beim Übertritt in die Sek II tatsächlich erst mal beibringen, dass ich wirklich nicht erwarte und auch gar nicht will, dass sie Eltern oder ältere Geschwister zu Hause nach den Lerninhalten fragen. Sie sollen mit dem lernen und arbeiten, was ich ihnen im Unterricht bereitstelle und was sie selber wissen und verstanden haben. Dass das nicht reichen könnte, ist bis dahin so eingeschliffen, dass es mich jedes mal wieder erschreckt.

    begrüßenswert wäre es sicherlich, wenn die Eltern drüber gucken..wenn

    Aha. Also doch. Also hab ich doch ins Schwarze getroffen. Ihr zwei schreibt so viel implizit und explizit zwischen den Zeilen, dass längst klar ist, was eure tatsächliche Haltung gegenüber "denen da" ist.

    Es interessiert mich als Lehrperson überhaupt nicht, was die Eltern zu Hause machen oder nicht. Ich erwarte bezüglich der Inhalte und Aufgaben gar nichts, sonst kann es keine Chancengerechtigkeit geben. Eltern erzählen einfach gerne ungefragt am Elternabend. Eltern erzählen auch sehr gerne ungefragt im Lehrerzimmer. Es sind immer die gleichen, die nur mal schnell wissen wollen, ob die Chemielehrperson der eigenen Tochter das wohl richtig erklärt. Und nur mal schnell schauen wollen, ob wir nicht irgendwo noch einen guten Erklärfilm haben. Oder ob wir am besten gleich unser ganzes Material rausrücken könnten. Alles schon erlebt. :top:

    Ich ziehe den Schluss, dass häufig Lehrkräfte das forcieren, die ihre Arbeit nach Hause auslagern

    Wir ziehen den gleichen Schluss. Und ich glaube, ich habe hier mindestens zwei von der Sorte gefunden, auch wenn sie noch 100 x was anderes beteuern. Die Erwartungshaltung fusst natürlich auf der eigenen Norm. Wer was anderes behauptet, belügt sich selbst.

    Und ob ich damit Ungerechtigkeit zementiere ist mir ziemlich egal

    Genau so sieht es aus. Und die türkische Mutti ist eigentlich die beste Freundin, blabla. Die ist mir im tiefsten Innern aber auch scheissegal, ich schreib nur drüber, damit klar ist, ich mach das alles viel besser. Und euch zwei glaube ich jetzt, dass ihr als Lehrpersonen das nicht genau so auch gegenüber den Eltern rüberbringt? Aber klar, das interessiert euch ja nicht. ;)

    ollen sie statt Klavier und Geige zu üben besser am PC tiktok gucken wie meine Schüler?

    Ich kotz gleich. Genau das gleiche pseudo-elitäre Geschwätz wie neben mir am Schreibtisch. Ich bringe meine Kinder nicht in stinkende Turnhallen, das ist unter meinem Niveau. Die müssen Geige und Klavier lernen. 6 Monate später die Feststellung, dass die Tochter leider übergewichtig ist. Ja, die stinkende Turnhalle würde dagegen helfen und das mit der Geige findet sie übrigens scheisse. Hat man das nötig, wenn man selber nix gerissenen hat? Ich weiss ja nicht, ich hab selber keine Kinder.

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