Mathe zu leicht? Ein Prof regt sich auf...

  • und das ist so absurd. Der sächsische Lehrplan für die Grundschule sieht ein Verfahren für die schriftliche Subtraktion vor, nämlich das Abziehverfahren mit Entbündeln. Alternativ wird das Ergänzungsverfahren vorgeschlagen.

    Und das ist ein Problem in der Grundschule, was das erreichen der Kernkompetenzen angeht: schlechte oder ungenaue Lehrpläne, verwirrte Lehrkräfte, die das knappe Stundenkontingent damit verschwenden, unnötige Sachen mit den Kindern zu erlernen, statt die Zeit sinnvoll zu nutzen.

    Der sächsische Lehrplan für die Förderschule L sieht beide vor, das ist in der Tat bemerkenswert.


    Ansonsten sind die sächsischen Lehrpläne sehr detailliert, die Lehrpläne, in denen nur steht, dass man bis Ende Klasse 4 lesen und bis 1 Mio rechnen können soll gibt es in anderen Bundesländern.

  • Nun denn, im Ausgangsbeitrag geht es um einen Artikel, in dem Prof Krötz sich über das viel zu leichte Abi aufregt und mit indischer Hochschulzugangsberechtigung vergleicht. Daraus:


    Denn Krötz bekommt aus erster Hand mit, wie gut das Abitur auf ein Studium der Mathematik vorbereitet. Sein ernüchterndes Fazit: gar nicht. Studenten im ersten Semester seien „mathematische Anfänger“. Verantwortlich wäre dafür der viel zu seichte Unterricht in der Oberstufe. „Über die Anforderungen im naturwissenschaftlichen Bereich kann man in Asien nur lächeln“, sagt Krötz


    Könnt ihr daraus lesen, dass deutsche Studienanfänger kein Bruchrechnen beherrschen?


    Es geht im Artikel nicht darum, dass die Abiturientinnen und -enten zu wenige Grundlagen aus Klasse 9 und 10 beherrschen, sondern dass sie angeblich viel zu leichte Aufgaben in der SekII bearbeiten.


    Frage an die Mathematiklehrkräfte in der Oberstufe an deutschen Gymnasien: seht ihr das auch so? Was müsste in den Lehrplänen verankert sein, damit ein Studium begonnen werden kann? Wie sehen es die Lehrpersonen aus den Naturwissenschaften, die in der Sek|| unterrichten?


    So hätte mein Ausgangsbeitrag wahrscheinlich lauten müssen. Es interessiert mich persönlich tatsächlich, was die betreffenden Kolleg*innen ändern würden, wenn sie könnten. Ich würde mir wünschen, dass sich dabei nicht über die SuS beklagt wird. Besser so?


  • Ich will ja nicht die Taschenrechner an sich verteufeln, sie haben ja auch ihre Berechtigung, z.B. um Logarithmen auszurechnen oder Gleichungssysteme oder Werte der Binomialverteilung (yeah, endlich keine Tabellen!). Aber gerade das müsste doch dazu führen, andere Themen in den Vordergrund zu schieben, die der Rechner (damit meine ich die in der Schule verwendeten GTR/CAS) eben nicht berechnen kann:

    • Muster in Zahlenfolgen oder Parketten erkennen -> Abbildungen, Folgen und Reihen
    • Fehlerfortpflanzung beim Rechnen mit Näherungswerten -> Zahldarstellungen, Mengen, Numerische Mathematik
    • Graphische Darstellung von Funktionen auf dem GTR -> diskrete und stetige Funktionen
    • Begründen und Beweisen -> Aussagenlogik, synthetische Geometrie
    • Grenzwerte (sind in Niedersachsen nur ein Randthema, bloß nicht zu formal)
    • aber auch: Wie "rechnet" der GTR/CAS? Warum gibt er Ergebnisse ungenau oder falsch aus (z.B. sin(5pi))? -> Numerische Mathematik, Binärdarstellung

    Stattdessen wird die Geometrie immer weiter aufs Konstruieren und vektorielles Rechnen reduziert, Grenzwerte so gut es geht vermieden, Funktionen viel zu früh eingeführt und auf die Berechung von Stellen, Funktionswerten und Steigungen beschränkt (sehr monoton...), argumentiert wird mit Zahlenwerten und auch Beweise enden damit, dass c=3 sein muss.


    Um dies zu ändern, müssten die Mathematikdidaktiker, die an den KCs mitgewirkt haben, jedoch ihre liebgewonnenen Forschungsgebiete aufgeben und sich neuen Bereichen widmen, in denen sich aber schon die Konkurrenz tummelt. Schwierig.


    À+

  • Was müsste in den Lehrplänen verankert sein, damit ein Studium begonnen werden kann?

    Gar nichts. Mit dem bestandenen Abitur und allenfalls einen bestimmten Notenschnitt vorausgesetzt, kann jeder alles studieren. Da hat Herr Krötz etwas grundlegend falsch verstanden und mein erster Beitrag im Thema lautete dementsprechend auch sinngemäss "ich nehme das gar nicht ernst". Natürlich bereitet das Abitur nicht explizit auf ein Studium der Mathematik vor, auch nicht auf ein Studium der Chemie. Es gibt Fächer, die an der Schule gar nicht obligatorisch unterrichtet werden und für die man sich trotzdem einschreiben kann. Wirtschaft- und Rechtslehre ist z. B. meines Wissens in Deutschland wenn überhaupt nur in einzelnen BL ein (Wahl-)Pflichtfach. Für BWL schreiben sich aber dennoch tausende von Studierende ein und schliessen das Studium auch erfolgreich ab. Das Abitur sollte nur die allgemeine Studierfähigkeit nachweisen.


    Ich schrieb ja, wir waren am letzten Donnerstag an der Uni Basel zum Austausch über die erwarteten Kompetenzen im Fach Mathematik. Ich habe dann irgendwann mal ganz ketzerisch nach den Durchfallquoten bei den Prüfungen gefragt und siehe da, die liegen nur bei etwa 30 %. Das ist ja deutlich geringer als das, woran ich mich so erinnern kann, wie das bei uns vor 20 Jahren war. Dass die sich trotzdem ärgern, dass Studierende der Naturwissenschaften in der Vorlesung bei simplen Termumformungen nicht mitdenken können, das kann ich absolut nachvollziehen. Ich finde es auch immer noch bizarr, dass jemand sich für eine Naturwissenschaft einschreibt, der solche Probleme in der Mathe hat. Aber wahrscheinlich sind das dann die 30 % und alles ist in Ordnung.


    Dass mathematische Verfahren an der Schule nicht eingeschliffen und verinnerlicht werden halte ich schlichtweg für ein Symptom von Desinteresse an mathematisch-naturwissenschaftlichen Fragestellungen. Das muss man so akzeptieren. Ich akzeptiere nur kein Rumgejammere und bekomme hin und wieder einen Anfall, wenn insbesondere die Mädchen anfangen mit "das hab ich noch niiiie gecheckt". Behalt deine Unlust einfach für dich oder kneif die Arschbacken. Es gibt bei uns am Gymnasium wenige (ein paar mehr an der FMS), die wirklich Mühe mit dem Verständnis haben, denen erkläre ich selbstverständlich alles noch ein hundertstes Mal. Für Gequengel sind mir meine Zeit und meine Nerven aber zu schade.


    Edit: Was mir in letzter Zeit aber häufiger auffällt (und ich glaube, es fällt mir nur auf, das war wahrscheinlich noch nie anders) ist, dass doch ziemlich viele nicht recht verstehen, was Mathe eigentlich ist und was es nicht ist. Wenn ich noch einmal auf deinen 1. Beitrag in diesem Thema verweisen darf - offensichtlich schmeisst du Mathe auch in den Topf der Naturwissenschaften. Mathe ist aber keine Naturwissenschaft, wirkliche Mathematik befasst sich überhaupt nicht mit realen Sachgegenständen. Wenn ich SuS danach frage, woran sie eine Proportionalität in der Physik erkennen, lautet die Antwort "weil man das so ausrechnen kann". Sie verstehen nicht, dass die Formel im Formelheft nur ein mathematisches Modell ist, welches die reale Beobachtung beschreibt und das auch nur unter bestimmten Bedingungen. Mathe erscheint ihnen "wahr" und die Natur muss sich an das halten, was die Mathe eben so vorgibt. So wird es nota bene auch von den populärwissenschaftlichen Medien verkauft. Dass die Natur einfach so ist wie sie ist und sich an überhaupt nicht "hält", die Idee wird mehrheitlich als befremdlich wahrgenommen. Ich kann nicht mehr tun, als das immer und immer wieder zu erklären. Es wird nicht bei allen ankommen, so ist es einfach.

  • Sage ich meinen SuS (sowie manchen Kolleg:innen) auch immer:

    Für Mathe muss man nicht die Welt gucken.

    Mathe ist reine Geisteswissenschaft.

    Die mathematischen Modelle passen nicht so gut, weil sich die Natur dem anpasst, sondern weil unser Erkenntnisvermögen so gestrickt ist, dass wir die Natur so beschreiben können und deshalb auch angemessene Schlussfolgerungen/Hypothesen hinkriegen.

    Die Weisheit des Alters kann uns nicht ersetzen, was wir an Jugendtorheiten versäumt haben. (Bertrand Russell)

  • Gar nichts. Mit dem bestandenen Abitur und allenfalls einen bestimmten Notenschnitt vorausgesetzt, kann jeder alles studieren. Da hat Herr Krötz etwas grundlegend falsch verstanden und mein erster Beitrag im Thema lautete dementsprechend auch sinngemäss "ich nehme das gar nicht ernst". Natürlich bereitet das Abitur nicht explizit auf ein Studium der Mathematik vor, auch nicht auf ein Studium der Chemie. Es gibt Fächer, die an der Schule gar nicht obligatorisch unterrichtet werden und für die man sich trotzdem einschreiben kann. Wirtschaft- und Rechtslehre ist z. B. meines Wissens in Deutschland wenn überhaupt nur in einzelnen BL ein (Wahl-)Pflichtfach. Für BWL schreiben sich aber dennoch tausende von Studierende ein und schliessen das Studium auch erfolgreich ab. Das Abitur sollte nur die allgemeine Studierfähigkeit nachweisen.

    Naja, das gilt nicht für alle Studiengänge. Für das Studium der Anglistik/Amerikanistik und anderen Sprachen werden Vorkenntnisse aus mehreren Schuljahren erwartet, und zwar nicht nach Absitzen der Schulzeit, sondern tatsächliches, in einem Einstufungstest abgefragtes Wissen (das man allerdings auch anderweitig erworben haben kann).


    À+

  • OK, das wusste ich nicht. Bei uns hier gibt es nur für Medizin und Sport einen Eingangstest. Alle anderen Fächern sind komplett frei, es gibt in Basel auch kein Lateinobligatorium mehr für Geschichte und die romanischen Sprachen. Die Matura muss für alle Fächer nur bestanden sein, der Notenschnitt ist egal.

  • Die Latinumsbedingung gibt es z.B. in Hamburg immer noch, kann aber im Laufe des Studiums nacherworben werden (so hab ich es auch gemacht).


    Grad mal aus Interesse auf der Seite der Uni HH nachgeschaut: Es sind sogar Englisch-Kenntnisse als Eingangsvoraussetzung in MINT-Studiengängen angegeben, z.B. für Wirtschaftsmathematik auf dem Niveau B1, TOEFL etc. oder in Form von drei Jahren Schulunterricht (hier ohne Note) oder für den Master in Chemie sogar 7 Jahren Englischunterricht (auch hier ohne Note). Mit anderen Worten, man erwartet schon, dass jemand in sieben Jahren Englischunterricht der Sprache auf Niveau B2 mächtig ist, auch wenn sich das nicht im Abiturzeugnis entsprechend widerspiegelt.


    À+

  • Antimon: Wenn es so gut wie keine Einstellungstests gibt und der Notenschnitt egal ist, wie wird in der Schweiz sonst die Zahl an potentiellen Studenten begrenzt? Ich vermute mal, dass auch in der Schweiz auf dem Arbeitsmarkt keine Unmengen an Germanisten und Soziologen benötigt werden.

  • Die Latinumsbedingung gibt es z.B. in Hamburg immer noch, kann aber im Laufe des Studiums nacherworben werden (so hab ich es auch gemacht).


    Grad mal aus Interesse auf der Seite der Uni HH nachgeschaut: Es sind sogar Englisch-Kenntnisse als Eingangsvoraussetzung in MINT-Studiengängen angegeben, z.B. für Wirtschaftsmathematik auf dem Niveau B1, TOEFL etc. oder in Form von drei Jahren Schulunterricht (hier ohne Note) oder für den Master in Chemie sogar 7 Jahren Englischunterricht (auch hier ohne Note). Mit anderen Worten, man erwartet schon, dass jemand in sieben Jahren Englischunterricht der Sprache auf Niveau B2 mächtig ist, auch wenn sich das nicht im Abiturzeugnis entsprechend widerspiegelt.


    À+

    Ja da zeigt sich dann halt schon der Unterschied in der Wertigkeit der Abschlüsse. Wir gehen hier einfach davon aus, dass mit der bestandenen Matura die entsprechenden Englischkenntnisse vorhanden sind, ohne dass das noch mal durch ein Zertifikat oder sowas nachgewiesen werden muss. Bei Englisch haut das sicher auch hin, bei Französisch habe ich da so meine Zweifel ^^ Ich habe gerade auch extra nachgeschaut, es steht nicht mal bei den Sprachstudiengängen explizit dabei, dass die entsprechenden Sprachkenntnisse vorausgesetzt werden. Wenn man die Fremdsprache am Gymnasium unterrichten will, muss man irgendwann verpflichtend ein Auslandssemester machen.


    Das Lateinobligatorium gibt es unter anderem noch in Zürich. Dafür gibt's in Basel z. B. für die Biologen die "strengere" Mathe, so bildet sich halt jede Uni irgendwas ein. Wie wohl überall auf der Welt.

    • Offizieller Beitrag

    Für Musik und Kunst muss man auch vorab eine Aufnahmeprüfung machen,

    Auch fürs Grundschule-Lehramt. Leider. Also: ich kann die Aufnahmeprüfung verstehen. Aber beim Grundschullehramt könnte man die Hürde auch etwas senken.

  • Ach so ... Ja ich schreibe gerade über die Uni. Für die pädagogische Ausbildung gibt es ein Assessment*. Wobei das jeder besteht, der nicht gerade Kinder frisst. Ich hatte schon Studenten in der Ausbildung ... Meine Güte. Da war ich mir bei einem nicht so sicher, ob der nicht doch irgendwann jemanden frisst.


    In jedem Fall hätte ich meine Aussage oben wohl darauf präzisieren müssen, dass es für ein Studienfach gar nicht notwendigerweise ein Schulfach geben muss und daher Schule gar nicht explizit auf alles vorbereiten *kann*. Mir war gar nicht klar, dass es in Deutschland unterdessen so viele Auflagen und Einschränkungen gibt. Wir sitzen hier auf der Insel der Glückseligen mit dem zulassungsfreien Zugang zu egal welchem universitären Hochschulstudium. Für den Medizinertest darf sich ja auch jeder anmelden, der die Matura bestanden hat.


    *Ach ... Und natürlich qualifiziert die Fachmatura nur mit Berufsfeld Pädagogik direkt für das entsprechende Studium an der PH. Die Leute aus dem BF Gesundheit/Naturwissenschaften müssen dafür eine Aufnahmeprüfung machen, was ziemlich absurd ist. Sagt derjenige, der diese Prüfungen an der FHNW abnimmt. Das sind die bei weitem besseren Leute, so glorreich ist das BF Pädagogik halt leider nicht.

  • Was willst du denn da begrenzen? Es gibt doch zu wenige Akademiker, drum bin ich ja hier ;)

    Gibt es durchgehend zu wenige Akademiker oder nur in manchen Bereichen? Ich kann mir gerade kaum vorstellen, dass man als Kunsthistoriker eine stark gefragte Fachkraft in der Schweiz ist.

  • Bei einer landesweiten Arbeitslosenquote von 2 % gehe ich nicht von einer Kunsthistorikerschwemme aus. So viele Biologen wie nur immer ins Lehramt wollen würde ich denken, davon könnte es wohl ein paar weniger geben. Wobei da natürlich auch Deutsche dabei sind, da können wir ja nichts dafür :P

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