Ich kenne alle Klassenschnitte in allen Fächern von wirklich allen Klassen weil die Notenblätter für den Klassenkonvent allen Lehrpersonen zugänglich gemacht werden. Ich weiss, dass ich von allen Chemielehrpersonen an unserer Schule immer den besten Klassenschnitt raushabe und ich weiss, wer immer den schlechtesten Schnitt raushat. Noten sind ein guter Prädiktor für den Studienerfolg, insbesondere in den Naturwissenschaften, das ist ein Faktum. Der Klassenschnitt ist aber nicht das erste, was mir als Argument einfällt, wenn mich jemand fragt, wie ich mir so sicher sein kann, dass mein "System" einigermassen funktioniert. Die Kausalitäten werden da verdreht.
Ich habe ehemalige Schüler, die sich 2 Jahre nach der Matura bei mir melden um mir mitzuteilen, dass sie an der ETH die Chemieprüfung fürs Nebenfach ohne zu lernen mit einer 6 bestanden haben. Der Schüler hatte bei mir noch nicht mal besonders gute Noten, er hat im Unterricht einfach immer sehr gut mitgemacht. Ich habe ehemalige Schüler, die mir 2 Jahre nach der Matura erzählen, sie hätten die Chemieprüfung im Medizinstudium in der 1. Runde verkackt und dann sei ihnen aufgefallen, man hätte einfach mal die alten Schulunterlagen anschauen müssen. Jupp, die hatten beide nur einen 2er in der schriftlichen Abschlussprüfung. Ich habe einen ehemaligen Schüler, der überhaupt nichts studiert für das man Chemie noch gebrauchen könnte, aber unterdessen im Baselland als Politiker im Landrat sitzt und findet, was wir im Unterricht immer so diskutiert hätten, das sei total nützlich für diese Art von Arbeit. Ich habe ehemalige Schüler, die mir 4 Jahre nach der Matura erzählen, sie würden jetzt selbst Chemie unterrichten, weil das bei mir immer so "lustig" war. Was ich davon halten soll ... nun ja. Und dann gibt es noch den Schüler, der in der mündlichen Abschlussprüfung mal eben spontan über die Paracetamol-Synthese referiert obwohl das gar nicht auf seinem Prüfungsblatt gestanden hat. Und die Schülerin, die mir vollkommen ungefragt die Titrationskurve einer schwachen Säure aufzeichnet und mir was über Puffersysteme erzählt, weil wir gerade noch 5 min übrig haben, sie die 6 sowieso schon eingetütet hat und sie findet, ach, das weiss sie jetzt aber auch noch. Die meisten meiner SuS, wenigstens im Schwerpunktfach Chemie, schaffen es am Ende der 4 Jahre sich mit einer gewissen Spontanität zum Fach zu äussern, ungefähr so, wie man in einer Fremdsprache halt irgendwann einfach mal spricht. Es ist nicht perfekt, aber man versteht's. Zwangsläufig haben die dann auch wenigstens eine genügende Note im Zeugnis stehen, die kommt ja nicht vom Baum gefallen.
Edit: Der Schüler, der letzte Woche mit dem Medienartikel zu synthetischen Kraftstoffen kam, hat in der Standortbestimmung zur mündlichen Abschlussprüfung eine 3.5 gemacht. Er hat einfach gar nicht dafür gelernt, null, er hatte keine Lust. Wär's tatsächlich die Abschlussprüfung gewesen, hätte ich ihm eine 4.0 gegeben. Der macht also aus dem Stand eine Genügende, einfach nur, weil er 4 Jahre lang da war und irgendwie zugehört hat. Der Kurs war in der 1. Klasse im Corona-Lockdown, die können sich bis heute dran erinnern, dass sie in Chemie fürs perspektivische Zeichnen von Molekülen daheim Modelle aus Zahnstochern und Styroporkugeln gebaut haben. Die wissen bis heute noch, dass Frau B. sie für Bio daheim hat mit Hefe experimentieren lassen und sie auf den Kompost geschickt hat um da Würmer rauszuziehen. NICHTS davon wurde benotet.