Beiträge von Antimon

    Unterdessen bin ich im Zug und habe bis Rheinfelden wieder Zeit zu tippen :)


    Aber womöglich hängt es (AUCH) damit zusammen, dass es einfach viel zu früh war. Ich gehöre zum Jahrgang, der in 7. angefangen hat (der Jahrgang vor mir in der 6.) und außer an "Na+ + Cl- -> NaCl" (und alle anderen Varianten) kann ich mich an NICHTS erinnern

    Das ist ja furchtbar. Wie Quittengelee oben mal schrieb, man muss bei Kindern erst mal das Interesse an Naturwissenschaften wecken und das passiert sicher nicht mit Reaktionsgleichungen. Ich hospitiere gerade bei einer meiner neuen Kolleginnen, die hat im Anfangsunterricht sogar ein Plakat mit dem Johnstone-Dreieck aufgehängt um den SuS konkret zu zeigen, auf welcher Ebene sie im Denken gerade unterwegs sind. Vielleicht mache ich das auch mal. In meinem Kopf ist es immer aber vielleicht hilft es wirklich, das den Jugendlichen so konkret zu zeigen. Was will ich denn überhaupt mit meinen komischen Reaktionsgleichungen? Wenn ich meinen Viertklässlern eine Teilchenskizze hinlege, sind sie tatsächlich in der Lage, eine Wort- und Reaktionsgleichung dazu zu formulieren, habe ich letzte Woche konkret verifiziert. Wenn die Teilchenvorstellung aber noch nicht ausgerift ist, fehlt eine Ecke im Dreieck und ich kann logischerweise keine "Runden" drehen. Man sollte mit Dreizehnjährigen üben, sicher zu experimentieren und Beobachtungsprotokolle zu schreiben. Es macht auch überhaupt nichts, wenn meine 18jährigen dann feststellen, sie haben mit 13 oder 14 schon mal Seife gemacht. Mit 18 verstehen sie dann halt erst denn Prozess der Fettverseifung, vorher war es im Idealfall nur lustig. Man kann mit zu viel Formalismus im falschen Moment echt viel kaputt machen. Ich habe auch im Kollegium ein paar Chemie-geschädigte Sprachlehrpersonen, irgendwann schreibe ich für die eben doch noch einen Laborkurs als schulinterne Weiterbildung aus ^^

    Zu Schülervorstellungen gibt es ein sehr schönes Buch von Schecker und Kollegen, möglicherweise ist es auch das Buch, das Antimon meinte:

    Genau, das ist es :) Ich habe mir das einige Jahre nach der Lehramtsausbildung erst gekauft, in der Fachdidaktik hatten wir aber sicher einige Beispiele daraus besprochen. Das Buch war unter anderem meine Beschäftigung als ich mit dem gebrochenen Wirbel bewegungslos im Bett lag ^^


    Hast du Beispiele für diese fortbestehenden/ koexistierenden Fehlvorstellungen?

    Der Klassiker ist wahrscheinlich die Impetus-Theorie in der Newtonschen Mechanik. Wenn du danach googlest, wirst du feststellen, dass es die historisch ja wirklich mal gegeben hat, die Vorstellungen waren früher eben schon genau gleich falsch wie heute immer noch bei unseren Kindern und Jugendlichen. Die denken, dass man Kraft einem Körper mitgeben kann, wenn man ihn schubst, und dann wird sie durch die Bewegung wieder verbraucht. Dass ein Körper nicht einfach Kraft "hat", sondern diese erst als Reaktion in Erscheinung tritt, wenn ich beim Schubsen eine Kraft auf den Körper ausübe (und meine eigene Kraft eben auch erst in genau diesem Moment in Erscheinung tritt), finden die meisten bis zum Ende der Schulzeit hochgradig mysteriös. Newton 3 is a fucking bitch :P

    Es ist ganz oft so, dass Schülerinnen und Schüler in der Physik zwar formal korrekt mit irgendwelchen Formeln rechnen können, aber wenn du sie eine Beobachtung in Worten beschreiben lässt, tun sich wahrhaftige schwarze Löcher auf. Viele Physiklehrpersonen lassen aus genau diesem Grund in Prüfungen überwiegend rechnen, dann haben beide Seiten mehr oder weniger ihre Ruhe und es gibt ein hübsches Zeugnis. Ich versuche einen Kompromiss aus beidem zu finden. Tatsächlich sind meine Physiknoten im Schnitt etwas schlechter als meine Chemienoten, aber nun auch nicht auffallend schlecht.


    Ich fürchte, das gilt für alles, was man in der Schule erzählt. Frage Jugendliche am Anfang einer Unterrichtseinheit und am Ende zu derselben komplexen Fragestellung und schau, was sie dann jeweils sagen.

    Ach nein, so schlimm ist es jetzt schon auch nicht. Chemie hat den grossen Vorteil, dass Kinder eben ganz lange im Wesentlichen gar keine Vorstellung von Teilchen haben. Da musst du nicht mühsam irgendwelche Präkonzepte anpassen sondern kannst es im Idealfall gleich "richtig" aufgleisen. So habe ich jetzt mit ein paar Übersichtsartikeln im Anhang auch gegenüber der Projektleitung kommuniziert. In der Chemie gewinnen wir meiner Meinung nach was, wenn wir ein Jahr später starten, in der Physik ist es eher egal. Zumindest im Schwerpunktfach gelingt es mir schon, die Mehrheit dazu zu bringen, dass sie am Ende wenigstens an oft geübten Standard-Beispielen zusammenhängend argumentieren können. In der Physik unterrichte ich kein Schwerpunktfach und Interesse spielt halt schon auch eine Rolle. Grundsätzlich bin ich aber auch da nicht so unzufrieden.

    Also Danke euch auf jeden Fall fürs Interesse, von mir aus können wir auch gerne weiterdiskutieren. Es gäbe noch ein paar Sachen, z. B. das was chilipaprika geschrieben hat, auf die ich was erwidern könnte, aber ich muss grad auf den Zug - Trauben ernten und vergären :D

    Kurzes Update zu meiner bisherigen Recherche, falls es jemanden interessiert:

    Ich erinnere mich richtig, dass es zahlreiche Studien dazu gibt, dass gerade im Alter von 14 - 16 Jahren die Vorstellung fürs Teilchenmodell in der Chemie einen enormen Sprung macht. Bis dahin tut sich eine grosse Mehrheit ausgesprochen schwer damit, die Sache mit dem Massenerhalt zu fressen, weil im Kopf einfach kein korrektes Teilchenkonzept vorhanden ist. Auch dass Gase aus irgendwas bestehen, will ein guter Teil der 15-jährigen immer noch nicht recht glauben. Wartet man also ein Jahr, und fängt erst mit den 16-/17-jährigen mit den Teilchen an, hat man tatsächlich was gewonnen.

    Für Physik finde ich tonnenweise Literatur zu diversen Fehlvorstellungen in sämtlichen Teilgebieten. Mir ist eingefallen, dass ich sogar ein ganzes Buch voll damit im Schrank stehen habe. Die ernüchternde Erkenntnis ist dabei: Im Wesentlichen bleiben diese Fehlvorstellungen bestehen. Ein Grossteil der Jugendlichen scheint der Lehrperson nur einen Gefallen damit zu tun, das was sie gerne lesen möchte, aufs Prüfungsblatt zu schreiben. Sprich, die Schülerin nimmt zur Kenntnis, dass das Konzept im Kopf wohl falsch ist, überschreibt dieses aber nicht mit dem korrekten Konzept, sondern lässt dieses gleichberechtigt nebenher leben. Ja doch ... Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr stimme ich dem zu. ;(

    Danke dir für den Input. Du vermutest richtig: Woher das Interesse an Naturwissenschaften bei Kindern und Jugendlichen kommt, ist nicht das, was mich interessiert. Es ist grundsätzlich eine gute Sache, wenn man bereits mit Kindern in der Primarschule Naturphänomene anschaut aber mehr als das liegt eben aus entwicklungspsychologischen Gründen nicht drin. Mit Kindern bewegt man sich im NaWi-Unterricht auf der makroskopischen Ebene, meine Aufgabe an der Sek II ist es aber, die submikroskopische und symbolische Ebene begreifbar zu machen. Die fachdidaktische Herausforderung der Chemie ist es eben, dass ich nach 3 Monaten Repetition des Stoffes der Sek I (der sich zumeist auf der makroskopischen Ebene bewegt und nur in einem ersten Schritt auf die submikroskopische Ebene hinführt) beim unvermeidbaren Atombau angekommen bin und ab dann jeder theoretische Erklärungsansatz nur noch in der Abstraktion stattfindet. Während ich in der Physik auch im 1. Jahr der Sek II halt Uhr und Massband in der Hand habe und jede Zahl, mit der ich irgendwas rechne, aus einem makroskopisch begreifbaren Experiment holen kann.

    Bevor jetzt irgendjemand anfängt mit mir darüber zu "streiten", ob das korrekt ist, was ich gerade geschrieben habe: Ich beziehe mich explizit auf *unsere* Lehrpläne der Sek II. Wir haben vor allem im MINT-Bereich eine recht dürftige Ausbildung in der Sek I, ich erwarte nach dem Übertritt in die Sek II im Grunde keinerlei dezidierte Vorbildung in meinen Fächern. Es freut mich, wenn irgendwas da ist, wenn nicht, dann nicht und ich lebe damit, dass die einen mit irgendwas kommen und die anderen halt nicht. Das lässt sich nicht ändern, darum soll es hier auch nicht gehen.

    Es geht um Folgendes: Wir stehen vor einer grösseren Reform der gymnasialen Ausbildung und treten jetzt gerade in die Phase der konkreten Umsetzung ein. Ich darf keine Details spoilen weil ich diesbezüglich Insiderwissen habe, das noch nicht öffentlich diskutiert werden soll. Da der gesetzliche Rahmen aber wiederum öffentlich bekannt und gesteckt ist, sind einige dieser Details ohnehin mehr oder weniger "erahnbar". Wir unterrichten bis anhin die drei Naturwissenschaften 3 Jahre lang mit je 2 Wochenlektionen im Grundlagenfach und zwar von der 1. bis zur 3. Klasse Gymnasium (10. - 12. Schuljahr). Neu werden daraus 2 Jahr mit je 3 Wochenlektionen und die drei Fächer sollen über 3 Jahre versetzt unterrichtet werden. Das ist zwar noch nicht offiziell ausgesprochen aber mit einer derartig grossen Mehrheit aus allen Anspruchsgruppen abgesegnet, dass ohnehin jeder weiss, dass das so kommt. Daher bietet sich eben jetzt die Möglichkeit zu intervenieren und zu argumentieren, dass Chemie bitte ein Jahr später als bisher beginnen soll und Physik stattdessen startet.

    Einer meiner Kollegen ist schon aktiv geworden, wir sind zusammen schon am klöppeln um der Projektleitung was Vernünftiges an die Hand zu geben. Ich bin trotzdem auch hier weiterhin froh um sachdienliche Hinweise :)

    Liebe NaWi-Kolleginnen und Kollegen

    Ich bräuchte mal eure Hilfe: In der fachdidaktischen Ausbildung haben wir uns alle auch mit entwicklungspsychologischen Aspekten des Lernens speziell in Bezug auf die abstrakten Modelle in den Naturwissenschaften beschäftigt. Ich weiss, dass wir uns angeschaut haben, dass Physik mit jüngeren Schüler*innen einfacher zu unterrichten ist als Chemie. Ich erinnere mich an irgendwelche Untersuchungen und Interviews mit Jugendlichen in verschiedenen Klassenstufen, ich habe nur für nichts mehr Literatur bei mir auf dem Laptop. Falls jemand von euch spontan noch was hat, könnt ihr mich das bitte wissen lassen? Ich kann natürlich selber Tante Google bemühen, aber ich brauche relativ zeitnah gute Quellen und da dachte ich mir, ich frag hier mal nach. Meine Kolleginnen und Kollegen an der Schule sind auch schon eingespannt dafür, aber je mehr Infos ich habe, desto besser. Der Hintergrund ist der, dass wir die einmalige Gelegenheit haben, die Stundentafel so anzupassen, dass es für uns Chemikerinnen und Chemiker diesbezüglich besser wird.

    Danke euch schon mal für jedwede Hilfe! :rose:

    Um meinen Plan zu verwirklichen, habe ich recherchiert und herausgefunden, dass es vermutlich am einfachsten wäre, in der Schweiz ein neues Studium zu beginnen

    Das ist sicher eine gute Idee, ja. Die Ausbildung zur Primarlehrperson unterscheidet sich recht deutlich zu Deutschland, du brauchst bei uns 5 Unterrichtsfächer. Was dir anerkannt wird, musst du mit der PH deiner Wahl klären, das ist leider oft ziemlich willkürlich. Ich denke aber, irgendwas wird dir angerechnet. Wenn es sich einrichten lässt, gehe NICHT an die PH FHNW (also Basel/Muttenz), das ist die schlechtste Hochschule im ganzen Land. Die letzten Evaluationsergebnisse waren wirklich verheerend.

    Gibt es im Lehramtsstudium für die Primarstufe besonders anspruchsvolle Prüfungen?

    Das glaube ich nicht. Für das Lehramt Primar ist hier keine allgemeine Hochschulreife nötig. Ich unterrichte Fachmaturandinnen im Berufsfeld Pädagogik, ich weiss, was die können und was nicht. Wenn du in Deutschland die Uni überlebt hast, schaffst du die PH in der Schweiz locker.


    Zu Beginn meines Studiums in der Schweiz habe ich bereits einen Bachelorabschluss, konnte jedoch keine Informationen zu möglichen zusätzlichen Gebühren für ein Zweitstudium in der Schweiz finden

    Das ist egal, es kostet immer gleich viel. Die FHNW will 850 CHF pro Semester. Ungefähr das ist es überall.

    Alles Gute dir! :rose:

    Es ist mir weiterhin unbegreiflich, warum so ein widerwärtiges Zeug hier stehen bleibt. Die Moderation dieses Forums ist für mich so dermassen unverständlich geworden, dass ich ernsthaft darüber nachdenke, mich final zu verabschieden. chilipaprika Anstatt mit kotzenden Emojis zu antworten könntest du den Beitrag einfach zensieren.

    Danke dir kodi , ich hatte es irgendwie geahnt. Die "schlimmen Zustände" müsste es bei uns am ZBA geben und ich kenne natürlich Kolleginnen und Kollegen, die dort arbeiten. Irgendwie machen die einfach ihren Job. Ist sicher ne harte Nuss, aber so richtig klagen höre ich die nie. Wahrscheinlich hätte meine Schule auch irgendeinen Index qua Einzugsgebiet. Über den allgemeinen Verfall des Niveaus und der Sitten wird am meisten in Oberwil geklagt. Das sind die mit den Anwalts- und Ärztekindern. Unsere Kinder haben halt Gipser und Lokführer als Väter. Vielleicht ist der Grund, dass wir nicht so viel klagen, dass so viele dieser Kinder irgendwann als Kolleginnen und Kollegen zurück an die Schule kommen.

    Bei uns ist das mit den Präferenzen schon ein bisschen komplementär. Wer die Künstler gerne mag, steht oft nicht so sehr auf Spanisch und Wirtschaft und eben umgekehrt. Am verträglichsten ist tatsächlich Bio/Chemie, die wollen immer alle als Klassenleitung haben. Für das noch gar nicht existierende 1B ab August 2025 ist schon der Krieg ausgebrochen. Ich finde, das sind ganz klar meine.

    Man kann je nachdem schon auf den guten Willen der Schulleitung hoffen. Bei uns ist es seit jeher akzeptiert, dass manche Lehrpersonen z. B. nicht an der FMS unterrichten. Das geht, solange die Stunden problemlos abgedeckt werden können. Ich persönlich habe mal kommuniziert, ich möchte nie wieder Künstler unterrichten. Ich glaube, es gibt genügend Chemikerinnen und Physiker, die die lustig finden, so dass der Plan aufgehen könnte. Ich käme allerdings nicht auf die Idee, mir ein Attest gegen Künstler ausstellen zu lassen, das finde ich schon auch speziell.

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