Beiträge von Antimon

    Ergänzung: Zu dem unsäglichen Spruch, Korrekturfächer seien das Paradies auf Erden, sag ich jetzt lieber mal nichts. Der ist, insbesondere im Kontext des Threadthemas, sowas von unterirdisch, dass er mehr über die Person, die das äußert, aussagt als über Korrekturfachlehrer und deren Belastung.

    Danke dir dafür. Es ist wirklich nur noch zum Davonlaufen. Wie kann man eigentlich so dermassen kein Gespür für irgendwas haben und sich gleichzeitig für so grossartig halten?

    Vollkommen anekdotisch: Die Kolleginnen und Kollegen, die ich bis anhin habe in eine Krankschreibung wegen Überlastung gehen sehen, unterrichten Wirtschaft/Recht, Physik, Geschichte und Latein. Meine Partnerin hat als Geschäftsleiterin in einem Biotech-Unternehmen für 1 1/2 Jahre den Deckel zugemacht. Das Wichtigste wurde hier eigentlich schon mehrfach geschrieben, bitte Mr_Brightside werd den Gedanken los, dass irgendetwas deine "Schuld" sein könnte. Es ist in dem Kontext auch vollkommen wurscht, welche Fächer du unterrichtest, das sind ja sicher die, an denen du irgendwann mal Freude im Studium hattest. Du wirst hoffentlich in der Therapie einen Weg für dich finden. Ich sehe hier immer noch jeden Tag, wie schwer es ist für jemanden, der jahrelang 120 % gearbeitet hat, plötzlich auf 80 % eingepfercht zu werden und akzeptieren zu müssen, dass es das jetzt ist.

    Alles Gute dir! :rose:

    Stichwort Raum als dritter Pädagoge.

    Uh ... Ja, sorry, jetzt muss ich doch mal anfangen zu prollen.

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    Sorry, hab grad kein Foto von der zugehörigen Dart-Scheibe, die hängt rechts davon an der Wand. An die habe ich in liebevoller Bastelarbeit Neodym-Magneten mit Heisskleber befestigt und mir hobbylos-heroisch mehrfach die Finger dabei geklemmt. Dart-Scheibe, Pfeile und die Box habe ich übers Fachschaftsbudget abgerechnet. Im Zimmer der Kollegin kann man Tischtennis spielen. Schläger und Bälle sind übers Fachschaftsbudget abgerechnet, gespielt wird in der Pause über die Tische. Wir haben im Schulhaus auch einen Kraftraum und einen Kicker zur allgemeinen Benutzung, wir haben uns in der Chemie mal irgendwann gedacht, die Zimmer werden ja nur von uns genutzt, also können wir da sowas einrichten. Das ist nicht uuh ... die Lehrperson hat die tolle Dart-Scheibe gekauft sondern: In der Chemie kann man Dart und Tischtennis spielen. In der Chemie gibt's auch ne Mikrowelle und einen Wasserkocher, es hat in jedem Jahrgang ein paar "Stammgäste", die immer ihre Pasta bei uns warm machen.

    Und zu Weihnachten bricht in der Chemie eine Art Konkurrenzkampf um den schönsten Weihnachtsbaum aus:

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    Der animiert regelmässig junge Menschen zum Singen. Er kostet mich genau 0 CHF, die Farbstofflösungen habe ich einmal angerührt und dann wohnen sie bis nächstes Jahr in einer Vorratsflasche in der Sammlung. Bis auf das Chlorophyll, dafür muss ich immer die letzten paar Löwenzahnblätter vor dem Schulhaus rupfen. Die Plastikgirlande kommt aus dem Kaufland in Lörrach, die 3.50 € habe ich auch mal übers Fachschaftsbudget abgerechnet.

    Übers Fachschaftsbudget haben wir auch die 30 IKEA-Tassen abgerechnet, die wir im Schwerpunktfach zum Teetrinken hinstellen. Die Teebeutel ... oha, ja die zahle ich aus der eigenen Tasche weil ich regelmässig zu faul bin, mir das Geld aus der Handkasse zurückgeben zu lassen.

    Und zum Sendungsbewusstsein gehört sicherlich auch dazu, und das kenne ich persönlich vor allem auch aus dem #twlz, dass man Teil einer Community ist, die sich vernetzt, gerne teilt und sich bestärkt. Da entstehen richtig wertvolle Sachen, wie im #twlz zum Beispiel das kollaborativ erarbeitete Buch #moodlekannmehr. Ist es dann Arbeitszeit, wenn ich dort Kapitel beitrage? Macht es einen zum heldenhaft-hobbylosen Mann, wenn man das in seiner Freizeit macht?

    Wozu? Ich meine, ausser um sich beweihräuchern zu lassen? Ich stelle meinen Weihnachtsbaum da einfach hin, ich mag den. Meine Schöfli mögen ihn auch und was der Rest der Welt darüber denkt ist mir vollkommen wumpe. Ich stelle mich auch nicht vor den Konvent und verkünde theatralisch, dass ich jetzt mal meinen Weihnachtsbaum schmücken gehe. Ich schreibe das alles hier nur genau deshalb, weil natürlich einzelne sich jetzt bemüssigt fühlen kundzutun, was sie nicht alles in welch aufopferungsvoller Art und Weise fürs Wohlbefinden ihrer Schüler*innen leisten ... Um sich zu profilieren, was denn sonst.

    Weisst, was meine Schüler*innen am meisten an mir schätzen? Meinen Unterricht. Der ist fachlich fundiert und strukturiert, das Unterrichtsklima ist wertschätzend, die Erwartungen sind hoch aber die Lernziele stets transparent. Wer bei mir aus dem Schwerpunktfach mit mindestens einer 5.0 geht, macht an der Uni im Nebenfach Chemie keinen Finger mehr krumm. Dafür werde ich bezahlt. Die Teetassen und Dart-Pfeile sind Beiwerk. Ich mag sie gern, meine Schöfli und ein bisschen eitel bin ich halt schon auch. Wenn mein Unterricht nicht gut wäre, würde sie das einen Scheiss interessieren, da sind sie echt gnadenlos und unbestechlich. Die allermeisten unserer jungen Leute wissen, warum sie bei uns sind und sie werden echt hässig, wenn man ihnen nichts Vernünftiges beibringt.

    Unter "jenseits des Berufsauftrags" verstehen nur manche schon alles, was wahlweise über fachlich fundierten Unterricht oder 13:15 Uhr hinaus geht

    Es ist eigentlich egal, was "manche" darunter verstehen, mein Arbeitgeber aka Kanton hat eine sehr definierte Vorstellung davon. Und meine Schulleitung muss zusehen, dass ich die entsprechenden Stunden auch tatsächlich abreisse. Ich habe meine Ämtli, ich weiss, woher meine Stunden neben dem Unterricht kommen. Der Rest ist Sache des Rektorats, dafür sind die auch besser bezahlt als ich.

    Klar, am Coolsten wäre es, einfach sein Ding zu machen und auf niemandes Lob angewiesen zu sein, aber das können nicht alle.

    Das kann überhaupt niemand. Das "Lob" der Schulleitung ist enorm wichtig. Jeder muss hin und wieder hören, dass er sein Zeug gut macht. Im Idealfall macht man das auch im Kollegium untereinander. Gefühlt wird bei uns auch untereinander sehr viel mehr gelobt als geätzt.

    Kannst du dieses Kleinod hier nicht einstellen für die Ewigkeit? Und irgendwann wird ständig einer danach fragen, wie nach diesem einen Artikel, den nur noch Chilipaprika zu haben scheint...

    Ja, aber eine Seite muss fehlen. Da gab es doch noch so einen legendären Artikel, von dem immer allen eine Seite fehlt, weil irgendjemand die mal nicht aus einem Buch kopiert hat.

    In diesem von dir angesprochenen Fall hätte ich das nicht so verstanden, aber wenn man genau darüber nachdenkt, ist auch diese Erwartung nichts anderes.

    Ich finde das fast ein Paradebeispiel. Jemand, der mich überhaupt nicht kennt und gar nicht weiss, was ich jenseits von Abschlussfeiern an Arbeit für meine Jugendlichen leiste, meint ein solches Fass aufmachen zu müssen. Ganz genau so läuft das auch unter Kolleginnen und Kollegen, wer weiss denn schon so genau, was der oder die andere arbeitet um derartig urteilen zu können? Das steht alleine der Schulleitung zu und deren Aufgabe ist es, sich einen umfassenden Überblick zu verschaffen. Wir sind ein grosses Kollegium, wir haben echt nur sehr wenige Leute, die überhaupt so drauf sind. Aber einem davon bin ich auch schon mal ganz kräftig über den Mund gefahren, dass ihm sein Geschwätz einfach echt nicht zusteht. Ich bin eben grad keine, die sich besonders publikumswirksam engagiert aber ich bin an sehr vielen Stellen im Hintergrund am Rödeln ohne dass man es merkt, wenn man nicht explizit hinschaut. Meine Schulleitung (neu wie alt) weiss das seit Tag 1, im Kollegium hat es einen Moment gebraucht. Es gab durchaus mal 1 - 2 unschöne Momente, dass jemand versucht hat Lorbeeren abzugrasen, die ganz klar mir zugestanden haben. Meine Klappe ist gross genug, dass ich sie im rechten Augenblick dann schon aufbekomme, andere haben keine Lust auf irgendwelche blöden Kleinkriege und lassen die Grossmäuler "gewinnen".

    In der Konferenz. Die Schulleitung hat eine Einladung für das drölfte Supidupiprojekt im Angebot. Frau Müller, pikiert: "Ich finde, da können auch mal die Informatiklehrer eine Aufgabe übernehmen. Ich als Geografielehrerin muss ständig Atlanten stapeln und Globen polieren und habe im letzten Schuljahr das Geocachingschulhausrallyeevent mit Elternbeteiligung organisiert, außerdem wasche ich immer alle Tassen ab. Ach übrigens, die leckere Schokolade am Kaffeeautomaten war von mir. Die war sehr teuer, aus Belgien, ich mach das voll gerne für euch, aber ich wollte es einfach mal sagen. Ich meine, es wäre schon schön, wenn von euch auch mal jemand Schokolade kaufen könnte, aber naja, muss ja nicht sein. Es ist zwar etwas enttäuschend, wenn immer dieselben Schokolade kaufen und Tassen abwaschen, sollte ja eigentlich auch selbstverständlich sein, auch mal was Süßes mitzubringen, wenn man sich dann bedient aber wer bin ich, euch zu richten.

    So etwa?

    Ich sag dir wie: Oh ... Du gehst nicht gerne auf Abschlussfeiern? Ach, das ist aber sehr verwerflich, also geradezu respektlos gegenüber den Jugendlichen. Aber sonst ... gell, soll doch jeder arbeiten wie er will, ne. Der eine mag halt lieber dies, der andere lieber das. Aber das mit den Abschlussfeiern, also das ist schon respektlos, das geht eigentlich gar nicht. EXAKT DAS MEINE ICH!!!!

    Warum ich heute übrigens um 20 Uhr erst aus dem Schulhaus raus bin: Ich hatte zwischendurch ein Date in der Stadt mit zwei ehemaligen Schülerinnen. Auf deren Abschlussfeier ich ganz respektlos nicht war. Wir haben uns sehr herzlich begrüsst, mit Umarmung und so, es geht ihnen gut, den zwei Frauen. Und jetzt warte ich grade drauf, dass die 24 Muffins fertig backen, die ich meiner diesjährigen Abschlussklasse morgen zum Frass vorwerfe. Weil jemand letzte Woche mal ganz dezent angemerkt hat, ach ... ein bisschen anstrengend sei ich gegen Ende des letzten Schuljahres schon gewesen. Sie wüssten ja warum, aber sie sind schon froh, dass es jetzt wieder lustiger mit mir ist. Ey ... Das können die mir nicht sagen ohne dass es einen Muffin dafür gibt. Ich bin nicht hobbylos, ich bin kinderlos und kompensiere offensichtlich irgendwas.

    Ach, hätte ich doch damals das Angebot in Zürich angenommen...

    An meiner Schule arbeiten die wenigsten Lehrperson zu viel. Eine Handvoll fürchtet sich gerade sehr zurecht aus gegenteiligen Gründen. Das ist halt vielen Leuten nicht so ganz bewusst, dass Arbeitszeiterfassung auch heisst, es könnte am Ende rauskommen ... ups ... man macht gar nicht so viel, wie es sich anfühlt.

    Den Kindern macht das auch unglaublich Spaß und sie verstehen es als Ehre, da mitzumachen und lassen auch anderes dafür ausfallen. Mag ja sein, Antimon , dass das in der höheren Schule nicht mehr so ist. Ich habe im Schulchor immer so 130/140 Kinder und im Erstie-Chor ungefähr 70 und es sind sicher 90% immer dabei, weil sie das gerne wollen und es ja auch mega Spaß macht.

    Der Chor ist für unsere Schülerinnen und Schüler mit Schwerpunktfach Musik Pflicht. Die können sich nicht aussuchen an wie vielen Wochenenden sie ihre Freizeit dafür verbraten, sie sind mit der Wahl des Schwerpunktfachs zur Teilnahme verpflichtet. Der grösste Teil des Chores besteht auch bei uns aus Freiwilligen aber auch deren Einsatz ist oftmals absolut jenseits von Gut und Böse und führt regelmässig dazu, dass alles andere liegen bleibt. Dann hört der Spass ganz einfach auf. Es sind junge Menschen, die können selber oft noch keine Prioritäten im Leben setzen. Dass die für Schulveranstaltungen derartig aufgerieben werden, halte ich in der Tat für grenzwertig. Und nur damit du mich nicht falsch verstehst: Ich finde den Chor an sich super, er singt bei uns nur eindeutig zu oft. Also jetzt dann auch nicht mehr, neue Schulleitung und so.

    Wenn es bei euch so ist, dass die Schulleitung einen Lehrer zurückpfeifen muss, wenn er mehr macht als nötig, heißt das noch lange nicht, dass das auch für mich als Rektor so ist. (Zitat von dir; "Doch, das ist wichtig und das solltest du als Rektor auch im Blick haben.") Also: nein.

    Sicher musst du es im Blick haben. Das mit der Fürsorgepflicht gilt allemal, so viel habe ich hier schon gelernt. Was dann die Konsequenzen daraus sind, steht auf einem anderen Blatt. Mir ist durchaus bewusst, auch durch die Arbeit meiner Partnerin, dass das Arbeitsrecht ganz allgemein an der Stelle in der Schweiz anders funktioniert als in Deutschland. Hier gilt für alle Arbeitnehmer die gesetzliche Pflicht, ihre Arbeitszeit zu erfassen und für alle Arbeitgeber die gesetzliche Pflicht zu kontrollieren, dass die maximal zulässige Arbeitszeit nicht überschritten wird.

    Das ist ein sehr passendes Beispiel

    Ist es das? Unser Chorleiter hat jede Menge Entlastungsstunden für die Chorleitung und diejenigen, die darüber hinaus helfen, schreiben sich die Arbeitszeit in den Berufsauftrag. So richtig geschissen hat da eigentlich immer nur der Chor. Drum wählt auch kaum irgendjemand noch Schwerpunktfach Musik.

    Wichtig ist nicht, ob jemand den notwendigen Einsatz bringt oder mehr als notwendig macht.

    Doch, das ist wichtig und das solltest du als Rektor auch im Blick haben. Es gibt einen Berufsauftrag und gesetzlich geregelte Arbeitszeiten. Bei uns ist es ganz klar die Aufgabe der Schulleitung zu kontrollieren, dass beides auch eingehalten wird. Der Auftrag an die Schulleitung kommt von der BKSD, zu Rütteln gibt es da gar nichts.

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