Ich freue mich, dass du den Mut aufgebracht hast und auf mein Inklusionstagebuch verwiesen hast.
Ich mache das in letzter Zeit öfter, auch weil es auf die Realität verweist. Die Kollegen gucken dann immer sparsam oder nicken wahlweise zustimmend. Ich habe immer noch das Gefühl, dass es nicht politisch korrekt ist, das derzeitige System der Inklusion zu kritiseren. Frei nach dem weiter unten von Rollingplanet zitierten Kommentar - wenns nicht geht, dann will der Lehrer einfach nicht... Wer's glaubt.
Ich weiß nicht, welche Symptomatik der autistische Junge zeigt. ... Mein Autist im Schülercafé braucht sehr, sehr genaue Anweisungen. Er macht im Unterricht nichts von sich aus und braucht ständig individuelle Betreuung. Oft sind diese Kinder ja wirklich sehr intelligent und könnten mit Unterstützung dem Unterricht folgen. Einige laufen ständig durch die Klassen, reagieren auf Veränderungen ihrer gewohnten Abläufe aufgeregt, aggressiv und zuweilen auch selbst aggressiv.
Ich könnte mir vorstellen, dass in einem Gymansium mit den ständig wechelnden Raum- und Lehrerwechseln und auch in den Pausen schwierig werden könnte. Diese Kinder brauchen oft Rückzugsräume, andere sprechen nicht. In der GE Schule meines Mannes wird mit gestützter Kommunikation gearbeitet. ....Wenn ihr Glück habt, bekommt ihr evtl. noch einen Integrationshelfer, die mit ihm bei Bedarf den Raum verlassen kann. Kommt denn auch ein Sonderpädagoge, um ihn zu betreuen?
Ich kann nur aus zweiter Hand berichten, da ich weder in der Originalklasse noch in der neuen unterrichte. Von sich aus arbeitet er in keinem Unterricht mit. Er benötigt in Klassenarbeiten spezielle Arbeitsblätter mit sehr klaren, kleinschrittigen Anweisungen. Wenn etwas nicht soo klappt, wird der Schüler aggressiv. Intelligent ist er definitiv. Ohne den Autismus wäre er mit Sicherheit ein guter Gymnasiast.
Die Unbeständigkeit im gymnasialen Alltag ist für den Jungen jedoch sehr schwer. Fachlehrer mit Wechsel zu Fachräumen. Teils Raumwechsel, weil ein Raum für Fortbildungen o.ä. benötigt wird. So kommt es, dass der Schüler schon mal einfach vergessen wird, weil er vor allem spontane Wechsel (Vertretungen etc.) nicht mitbekommt und die Mitschüler auch nicht drandenken. Lehrer ebenfalls. Keine böse Absicht, aber wir sind nicht geübt. *seufz* gibt es nicht. Immer und überall ist Trubel. Einen Integrationshelfer hatte (!) er. Präteritum. Einen Sonderpädagogen gibt es nicht. Lediglich überforderte und von hinten überrollte Fachkollegen mit einer halbtägigen Fortbildung.
Auf jeden Fall hätte man nicht nur die Lehrer, sondern vor allen Dingen auch die anderen Schüler darauf vorbereiten müssen. Viele Kinder haben erst einmal Angst vor diesen Kindern, weil sie sich so "merkwürdig" verhalten. Zuweilen habe ich den Eindruck, dass die Förderkinder lediglich die Aufgabe haben, dass sich die anderen an sie gewöhnen. Wie es den Kindern dabei geht, können viele nicht äußern.
s.o. Vorbereitung, vorher ankündigen, Unterstützung, Hilfe - Fehlanzeige bzw. nur ein ausgesprochenes Minimum. Der Junge läuft so mit, mehr nicht. Ich weiß jetzt nicht mehr, wo ich es gelesen hatte ( Forum oder von hier verlinkter Artikel), aber dies trifft eigentlich alles genau: Man gewinnt den Eindruck, die I-Schüler sind da, damit die anderen sehen können, dass es auch solche Menschen gibt. Mehr nicht. Anschauungsmaterial. Traurig.
Grüße
Raket-O-Katz