Hallo Mayine,
ich arbeite mit keinem Lehrwerk, bzw. ich erstelle selbständig Themenhefte, da meine Schule ein Lehrwerk beschlossen hat (Denken und Rechnen), dass ich nicht geeignet halte für offenes Arbeiten. Also habe ich selbst erstellte Themenhefte, die durch das AH von Denken und Rechnen ergänzt werden.
Ich bin übrigens damals zu meinem System gekommen, weil ich an einer sogenannten I-Schule gearbeitet habe. Das heißt ich hatte sowohl hochbegabte, als auch wirklich geistig behinderte Kinder und von geistiger Behinderung bedrohte Kinder. Solche Schulen gab es in HH schon seit den 80ern und lange vor der Inklusiondebatte. Ein gleichschrittiges Arbeiten sah ich als unmöglich und erfahrene Kollegen und v.a. die Sonderpädagogen zeigten mir dann wie man es machen kann. Damals noch mit Einstern. Das System passte zu mir und so blieb ich dabei. Auch nach zwei Elternzeiten und zwischenzeitlichem Schulwechsel.
Zum offenen Arbeiten:
Ja, ein breites Mittelfeld ist im selben Heft, aktuell zum Beispiel bei mir Rechnen im Tausenderraum mit Übergängen. Das heißt aber nicht, dass sie an der selben Stelle sind. Das ist ja ein breites Feld. Und mir ist weniger das offene Arbeiten wichtig, als das individuelle Tempo. Ich möchte, dass sich jedes Kind für eine Aufgabe die Zeit nehmen kann, die es braucht. Ich halte nichts davon, dass alle Kinder im Buch Seite XY machen und das schwache Kind schafft dann eben nur 1/10 Aufgaben. Dein System hört sich für mich genauso gut an. Ich halte es allerdings für mindestens so aufwändig. Und da muss man dann eben schauen, was zu einem passt.
Ich kann deinen Ansatz verstehen, z.B. den mit dem Anschauungsmaterial. Aber ich glaube, dass Kinder die den ZÜ bis 20 nicht verstanden haben, ihn nicht verstehen werden, indem sie sämtliche Aufgaben bis 100 mit Materialien lösen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass diese Kinder dann sehr lange einfach abzählen. Bei manchen klappt es, dass sich das Bild irgendwann verinnerlicht. Aber bei einigen eben auch nicht. Die müssten systematisch den Zehnerübergang üben. Und das immer und immer wieder. Das gilt vor allem für Inklusionskinder, von denen haben wir nicht wenige. Da merkt man wie wichtig das ständige Wiederholen des ZR 10 und 20 ist. Und ich glaube auch, dass du spätestens im Tausender- und Millionenraum an die Grenzen des Anschauungsmaterials stoßen wirst. Allerdings arbeite ich nicht mit Montessori, sondern mit Systemblöcken. Dürfen die Kinder das Material übrigens bei Klassenarbeiten benutzen?
Die Kinder in meiner Klasse machen gerne, die sogenannten a-Seiten (da steht dann Seite 35a), da das eben Seiten mit Anforderungscharakter sind und nicht einfach Zusatzaufgaben. Meine leistungsstarken Kinder sind tatsächlich Kinder, die die Herausforderung suchen. Ich kenne aber natürlich auch das, was du sagtest. Manchmal ist auch Seite 35a fast die gleiche Seite nur anspruchsvoller, wie bei den normalen Kindern die Seite 35. Für die anderen Kinder ist das auch kein Problem, da eben jeder ein Fach hat in dem gut ist und mehr gefordert wird. Und manche sind eben in Mathe gut und bekommen dort besondere Herausforderungen. Genauso wie die Schwächeren das AB dann mit mehr Bildmaterial z.B. kriegen.
Meine Kinder haben einen Wochenplan, d.h. dort steht bei allen 24 tatsächlich eine individuelle HA (bei uns gibt es nur an den M-Tagen Mathehausaufgaben). Manchmal ist das aber auch einfach nur im Programm weiterarbeiten. Am Ende eines jeden Heftes schreibt das Kind einen Lernbeweis. Wird der nicht erbracht, gibt es eine sogenannte Trainingsrunde (auf die Schwächen im Test zusammengestelltes Trainingsmaterial). Der Name ist bei uns so entstanden, weil es bei uns von Klasse 1-3 keine Noten gibt. Mein Jahrgang hat sich für Gewichtheber (siehe Zaubereinmaleins) als Rückmeldung entschieden. Wenn man ein Gewicht noch nicht so gut heben kann, muss man eben ein wenig traineren. Wobei das wirklich sehr selten vorkommt und wenn dann eher eine Aufgabe/Aufgabentyp pro Arbeit betrifft.
Das mit den gemeinsamen Phasen mache ich ja genauso. Da sind wir uns total einig. Ich finde das wichtig und ich finde auch, dass es nicht schadet, wenn die Starken zuhören, obwohl sie das können oder die Schwachen eben noch nicht. (Schrieb ich ja schon.)
Wir haben neben unserem AH, meinen selbst erstellten Programmen noch ein Mathestar pro Kind (individuell verschieden). Außerdem habe ich ein großes Freiarbeitsregal in Mathe. In meinen Programmen sind immer wieder Spiele (Partner-, Gruppen-, EInzel-,) eingebaut. Oft bewusst welche, bei denen man kommunizieren muss. Aber auch Sachen wie Super-Acht, Einmaleins-Bingo usw..). In meinen Programmen gibt es auf einzelnen Seiten dann ein Symbol, so dass die Kinder wissen welches Spiel jetzt gespielt werden soll.
Ich habe nicht den Eindruck, dass Kinder mit Absicht langsam arbeiten, damit Sachen gestrichen werden. Ich kenne meine Pappenheimer nach fast 3 Jahren ziemlich gut. Und ich streiche ja auch nicht immer. 
Wiederholen wurde in HH abgeschafft. Sollte ein Kind die Ziele einer Klasse nicht erreichen, dann wird das im Zeugnis vermerkt. Ist das Kind ab Klasse 3 schlechter als 4, muss es in den Förderunterricht (Fördern statt Wiederholen). In meiner jetzigen Klasse 3 betrifft das 4 Kinder, wobei 2 den sonderpädagogischen Förderbereich Lernen haben. Aber auch als ich im Refendariat eher traditionell Mahematik unterrichtet habe, hatte ich Kinder mit Fünfen in Mathe. Also eine Erfolgsgarantie gibts wohl leider bei keinem System. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich wirklich Rechenprobleme sowieso erst in Klasse 3 zeigen. In Klasse 1 und 2 haben Kinder ziemlich gute Verdeckungs- und Vertuschungsstrategien.
Da Hamburg Vera in Klasse 2, 3 und 5 macht, habe ich ziemlich gute Vergleichswerte, sowohl mit meinem Jahrgang, anderen Hamburger Schulen und bundesweit und so kann ich beruhigt sagen, dass meine Schüler und ihr Lernzuwachs nicht grundsätzlich unter meinem System leiden. Gut, besser geht vielleicht immer und wäre ich kinderlos könnte ich bestimmt auch noch intensiver arbeiten. Aber so arbeite ich nach bestem Gewissen mit zwei Kindern unter 8.
Das war jetzt ein Roman. 
LG Anja