Mein (nicht leiblicher) Opa, der in das Leben meiner Oma trat, als ich schon ein kleines Kind war, hat im Krieg als junger Mann gedient und auch einige Zeit in (deutscher) Gefangenschaft verbracht. Auf die Deutschen war er nicht gut zu sprechen. Was auch immer da passiert ist, weiß keiner. Nur so Sätze wie "damals war es anders", wenn er der Meinung war, die Kinder seien nicht brav oder die Jugend sei zu aufmüpfig. Meine gute Seele-Oma hat aber immer schnell mit ihm geschimpft und gesagt, man solle auch verzeihen können.
Mein Opa ist nach dem Krieg zurückgekehrt, hat geheiratet, zwei Kinder bekommen, mit denen kaum gesprochen, relativ früh verwitwet und nach Jahren als einzelner Witwe meine Oma "gefunden". Mit seinen Kindern (und Enkelkindern) hat in den 20 Jahren vor seinem Tod (also die Zeit, wo wir ihn kennen), maximal drei Mal, und immer über Anwalt. Wir waren seine neue Familie, wo er versucht hat, es besser zu machen. Aber er war kapput. und gespalten zwischen dem Wunsch einer neuen friedlichen Welt und dem Schmerz des Krieges. und als er gestorben ist, lebte ich schon ein Jahr in Deutschland. Ganz hat er es nie wirklich verstanden.
Meine Oma hat alles verloren, als die Familie nach Frankreich fliehen musste. Mit vier Kindern im Schlepptau, ein paar Wochen vor der Ernte, quasi über Nacht mit nichts in den Koffern. Sie hat aber nach außen hin immer positiv gesprochen. Von der Farm geschwärmt, von den Leuten (die sie dann vertrieben haben), von der Stadt. Sie musste "ihr Land" nach 35 Jahren verlassen, ihr Dorf, ihre Region, war nie wieder dort und hat immer meiner Schwester und mir gesagt: man muss verzeihen. Gott verzeihe.
Meine Mutter (und zum Teil ihre Geschwister) haben es nie gemacht. Nie verziehen. Das ist eine innere Wut, die die Schmerzen nur tagtäglich anfeuert. Damit gehört sie aber einer Minderheit. Kaum vorstellbar, dass in Deutschland eine ganze Generation diese Wut und Trauer weitergeerbt bekommen hat.