Zum Fach Chemie: Das wird gerne von den Schülern und Schülerinnen unterschätzt. Das erlebe ich jedes Jahr, wenn ich eine Anfängerklasse habe. Tatsächlich ist es ähnlich wie bei einer Sprache, weil in Chemie sehr viel aufeinander aufbaut. Die Schüler und Schülerinnen realisieren das häufig aber nicht oder zu spät, weil es - zumindest im nicht-naturwissenschaftlichen Zweig - häufig kein Kernfach ist und sie häufig denken, es ist ählich wie in Biologie, wo man tatsächlich ganz gut mitkommt, wenn man den Stoff der letzten zwei Stunden parat hat. In Chemie gelingt das aber nicht, das Vorwissen, z.B. Atombau, ist für spätere Inhalte essenziell. Gleichzeitig wird vieles auf der abstrakten Teilchenebene erklärt und da tun sich viele schwer. Daher ist Chemie für viele ein anstrengendes und eher unbeliebtes Fach. Ich habe gelernt, damit zu leben und habe diese Woche erst eine Arbeit mit einem Notenschnitt von 4,0 herausgegeben.
Insofern ist die Note 3 in Chemie ganz und gar nicht ungewöhnlich. Befriedigend, okay. Das bedeutet "3" und ich sehe hier vor allem enttäuschte Schüler und Eltern, die nun ihre Enttäuschung bei dir ablassen. Hilfreich ist bei solchen Gesprächen aktives Zuhören: "Verstehe ich richtig, dass Sie...?", "Meinen Sie also, dass...?", wo man Eltern in ihrer Empörung auch gerne Wind aus den Segeln nehmen kann. Ähnliche Tipps kamen hier schon von den Schreibern vor mir.
Ich hatte vor vielen Jahren auch mal ein Gespräch mit einem Schüler, der mir vorwarf, er wäre im Vorjahr besser gewesen und nur bei mir so schlecht. Ich schaute im Schülerakt nach und stelle fest, dass der Schüler im Vorjahr nur minimal besser gewesen ist. Der Schüler war tatsächlich beleidigt, dass ich nachgeschaut hatte, aber ich basiere meine Gespräche lieber auf Fakten statt auf Vermutungen und danach war mit diesen Vorwürfen Ruhe. So wie es ähnlich bei dir war mit der Aussage, die Schülerin wäre "naturwissenschaftlich begabt". Und auch in diesem Fall muss man lernen. Genauso wie jemand, der sprachlich begabt ist, dennoch die Vokabeln lernen muss.
Ich bin mir bewusst, dass ich ein bei Schülern eher unbeliebtes Fach unterrichte, zeige aber gerne meine Begeisterung für mein Fach (für beide Fächer) im Unterricht und bekomme dann auch entsprechende Rückmeldungen. Eine gute Lehrkraft zu sein, heißt nicht automatisch, bei den Kindern beliebt zu sein. Vieles bei unserer pädagogischen Arbeit ist anstrengend, für beide Seiten. Da gehört auch dazu, sich bei den Schülern unter Umständen unbeliebt zu machen. Ich freue mich, wenn die Schüler und ich ein gutes Verhältnis miteinander haben und wir auch unsere Späße im Unterricht machen können, aber bisweilen muss ich auch unbequem sein und damit gehr einher, dass manche mich dann nicht lieben. Und unabhängig davon - ich mag auch nicht alle Menschen gleich gerne und bei meinen 200 Schülern pro Jahr sind immer welche dabei, die mich und meine Art nicht mögen werden. Mir geht es ja umgekehrt nicht anders, aber von mir als Lehrkraft kann man erwarten, dass ich damit professionell umgehe. Von den Schülern kann man das im Gegenstück nicht erwarten.
Sarek