Spiegel: Die Erziehung der Eltern

  • Hallo Katta,


    ich habe es nicht genau im Gedächtnis, aber es sind wohl ca. 350 000 Kinder, die da betroffen sind. Für die alle Spezialschulen zu beschaffen, wird wohl kaum klappen. Zudem kann das nicht jede Familie bezahlen.


    Die Vorstellung, dass die Lehrer dort besonders geschult wären, hatten wir auch mal. Das stimmt nicht.


    In Hessen ist es so, dass laut Kultusministerium jede Schule gleich gut für Hochbegabte geeignet ist. Aus dem Grund kann man Kosten für spezielle Schulen nicht einmal von der Steuer absetzen, geschweige denn, dass man dafür Zuschüsse bekäme. Bei mehreren Kindern ist das also nicht zu machen.


    Laut dieser Schrift, die ich zitiert habe, tragen die Lehrer die Verantwortung für die optimale Entfaltung der Kinder. Wobei sie gleichzeitig keine Chance haben, diese überhaupt zu erkennen, sie also systembedingt gefährden.


    Wir haben es schriftlich vom "Gymnasium um die Ecke", dass man sich außerstande sieht, hochbegabte Kinder aufzunehmen. Die daraus resultierenden Kosten tragen wir allein. Sie steigen von Jahr zu Jahr.


    Wenn wir also erklärt bekommen, dass absolut jede Schule unseren Kindern gerecht werden würde, wir gleichzeitig aber ständig erklärt bekommen, wir sollten doch bitteschön die Schule verschonen und unsere Kinder auf ein HB-Internat entsorgen, stößt mir das bitter auf. Das würde es dir mit Sicherheit auch.


    Grüße Enja

  • Hallo,


    leider hatte ich nicht die Zeit, meinen "Senf" zu den letzten Beiträgen dazuzugeben, obwohl ich es gern getan hätte.


    Es ist traurig aber wahr, dass in den Schulen nur die Norm-Kinder erwartet werden und auch nur diese dort gut zurecht kommen. Alle anderen, ob hochbegabt, teilleistungsgestört oder verhaltensauffällig müssen teilweise ziemlich viel Leid ertragen.


    Ich kann gut nachvollziehen, dass Ihr Lehrer es nicht leicht habt, bin nicht der Meinung, dass Ihr einen leichten Vormittagsjob genießt, aber trotzdem glaube ich, dass mit etwas mehr Wissen in der Lehrerschaft über Legasthenie, Kiss, Hochbegabung und mehr ganz vielen Kindern, vielen Eltern und euch selbst das Leben erheblich erleichtert werden könnte. Das Falschbeurteilen und Aussortieren müsste endlich ein Ende haben (Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel).


    Ich denke, dass es nicht zu viel verlangt ist, von Lehrern ein Grundwissen zu erwarten. Dafür reicht schon das Lesen einiger Bücher, das Besuchen einiger Vorträge. Eine Ausbildung als Psychologe, Physiotherapeut usw. ist dafür sicher nicht erforderlich.


    Es ist wirklich schlimm, wie oft hochbegabte Kinder, Kinder mit Teileistungsschwächen aus unterschiedlichen Gründen von Lehrern in die Schublade faul, bockig, dumm, schlecht erzogen, verwahrlost, schlampig usw. gelangen und entsprechend falsch behandelt und mit den geliebten negativen Konsequenzen, Punktabzügen, dem Durchreichen nach unten gequält werden. Einigen Kindern wird damit die ganze Zukunft versaut.


    Wie hier schon gesagt wurde, wozu müssen Lehrer etwas über die Vergangenheit bezüglich Pädagogik/Didaktik und was sonst noch lernen, wenn die Zeit dann nicht mehr reicht, Wissen über die aktuellen Probleme vieler Kinder zu erlangen?


    Wenn nicht endlich etwas passiert, werden wir uns vor psychisch Kranken, Gewalttätigen, Drogenabhängigen usw. kaum noch retten können.


    Wie ich schon mehrmals betonte, bereits vor der Geburt und im ersten Lebensjahr eines Menschen ist schon viel zu verbessern. Dafür seid Ihr Lehrer nicht verantwortlich. Jedoch könnten auch Lehrer m.E. einen großen Beitrag leisten, vielen Kindern das Leben zu erleichtern, aus ihnen optimistische, erfolgreiche Erwachsene zu machen, die dann auch in der Lage sein werden, später ihre Kinder wieder zu starken Persönlichkeiten zu erziehen.


    Viele Grüße
    Erika

    "Die Lehrer bezeichnen Lesen, Schreiben und Rechnen als Grundlagenfächer. In Wirklichkeit handelt es sich aber bei diesen Lehrstoffen bereits um sehr komplexe Prozesse, die sich nur bei einer einwandfreien geistigen Verarbeitung der durch die Sinnesorgane aufgenommenen Wahrnehmung erlernen lassen." A. Jean Ayres

  • Zitat

    woman123 schrieb am 26.08.2005 21:56:


    Ich würde es erheblich besser finden, wenn Lehrer deutlich sagen, ich habe keine Ahnung von Kiss, LRS, HB ect.


    Also, wenn wir Lehrer uns hinstellen und sagen würden: "Wir haben keine Ahnung von KISS, wir haben keine Ahnung von LRS, und wir haben keine Ahnung von HB", dann kämen garantiert die Eltern an und würden fragen: "Was lernen die überhaupt im Studium?", und meine hessischen Kollegen würden noch mehr Weiterbildung draufgebrummt bekommen.


    Gruß


    Animagus

  • Zitat

    oh-ein-papa schrieb am 25.08.2005 08:44:


    Beim Streit "Rechtschreibwerkstatt contra Lollipop" habe ich mir einmal eine Untersuchungsbeschreibung angeschaut:
    http://www.kjp.uni-marburg.de/…gast/for/msm_projekt.html
    Ein Umfang von 5 (fünf) bzw. 10 (zehn) Klassen. In meinen Augen absolut lächerlich.



    Schade, dass die deutsche Öffentlichkeit nicht mit ähnlich kritischem Verstand auf die OECD-Studie über die Lehrer reagiert hat (Datenbasis: „Gespräche“ mit Schülern und Lehrern an insgesamt 8 deutschen Schulen – 8 von etwa
    40 000 !!!).


    Gruß


    Animagus

  • Ich denke, ein Eingeständnis über nichtwissen, macht von vornherein eine Zusammenarbeit fruchtbarer, als ein herumdoktern an dem Kind.


    Und aus meiner jetzigen Erfahrung, ist es überhaupt nicht so, dass nur die Lehrer etwas tun müssen.


    Ich kann mal kurz skizzieren, wie es bei uns verläuft, bzw. verlaufen ist:
    Eltern haben Lehrkräfte zweimal, in Abständen von ca. drei Monaten, aufgesucht. Eltern sehen eine andere Lernfähigkeit, als Lehrer. Es wird sich darüber unterhalten. Lehrer haben ihre bewährten Techniken im Kopf, die ja oft auch stimmen, und geben Eltern diese mit auf den Weg.
    Eltern beobachten, aber es verändert sich nichts. Es wird alles probiert, aber nichts fruchtet. Eltern suchen wieder Kontakt zu den Lehrern, zunehmend hilfloser. Lehrer werden auch hilfloser, sprechen das aber nicht aus.
    Beide Parteien gehen auseinander, Eltern nicht sonderlich glücklicher. Wieder 2 bis 3 Monate später, entscheiden Eltern, dass ein dritter Unabhängiger, auf die Situation gucken sollte und melden sich bei dem zuständigen Schulpsychologen an.


    Innerhalb kürzester Zeit, ist klar, was mit dem Kind los ist.
    Eltern werden aufgeklärt und bekommen Mittel an die Hand, ebenfalls wird mit dem Kind ein Plan erarbeitet.
    Das bringt schon totale Entlastung, in die Familie.


    Das Kind hatte sich zum Glück, noch nicht völlig verweigert.
    Dann gehen Eltern zu den Lehrern und berichten über die neue Situation.
    Lehrer sind auch sehr interessiert und es wird auch zugegeben, dass eine völlige Hilflosigkeit bestanden hat.


    Jetzt wäre der Schritt der Lehrer, auch auf Anraten der Psychologin, Informationen, über das herausfiltern von sehr leistungsstarken Kindern und sehr leistungsschwachen Kindern, heranzuholen und zu unterstützen. Psychologin stellt sich natürlich jederzeit zur Verfügung.


    Damit will ich sagen, dass alle Parteien in einem Boot sitzen.
    Eltern müssen was tun, Kind ebenfalls und auch die Lehrer.


    Auch wir Eltern haben viele Dinge nicht richtig eingeordnet, obwohl wir unser Kind am besten kennen. Wir wussten es einfach nicht besser .


    Und dieses nicht alles wissen können, gestehe ich den Lehrern genauso zu. Und wenn Eltern meinen, das Lehrer dann fortwährend Seminare oder sonstwas aufsuchen müssten, der irrt. Manchmal sind es ganz einfache Mittel, um eine Situation zu verändern.


    woman123

  • Hallo woman,


    bei uns lief es so:


    Kind verhält sich manchmal merkwürdig. So das ein oder andere habe ich ja schon mal beschrieben. Noten gerade mal so. Ständige Beschwerden der Lehrer. Die Mitschüler grenzen es aus, weil sie es als Streber einstufen. Insgesamt alles sehr merkwürdig.


    Kind wird psychisch krank. Depressionen. Essstörungen. Dramatisch. Binnen weniger Wochen. Klassenlehrerin vermutet HB und schickt uns per Stadtschulamt zu einer spezialisierten Psychologin. HB wird festgestellt. Gutachten der Lehrerin vorgelegt mit der Bitte es vertraulich zu behandeln. Lehrerin jubelt. Welch Sensation in ihrer Klasse. Lehrerin erklärt, das Kind müsse die Schule umgehend verlassen und ein HB-Internat besuchen.


    Auf Vorschlag des Schulamts besucht das Kind an einem Tag der Woche eine Veranstaltung für hb Jugendliche an einer Uni. Die Lehrerin hat das Gutachten allen anderen Lehrern vorgelegt und es auch den Mitschülern mitgeteilt. Eine wahre Welle an Mobbing bricht aus. Mitschüler reißen Witze. Lehrer machen nette Bemerkungen. Das Kind hält das nicht aus.


    Die Therapie bei der Psychologin, die zunächst gut anschlug, wird von ihr abgebrochen, da sie meint, eine reine Krisenintervention bei immer wieder heftigsten Vorfällen in der Schule sei völlig sinnlos. Das Kind müsse auf ein HB-Internat.


    Das Gewicht des Kindes ist noch genau 100 g über der Grenze, ab der eine Einweisung in die Psychiatrie zwingend nötig wird. Wir finden einen Platz in einem HB-Internat. In einem furiosen Finale kommt es zur Nicht-Versetzung, worauf der Platz hinfällig wird.


    Das Kind wird inzwischen vom Jugendamt, seiner Psychologin und der Schulpsychologie unterstützt. Seine Lehrer bestehen auf einer Nachprüfung. Kind besteht die Nachprüfung ohne Probleme.


    Das HB-Internat ist eine andere Geschichte.

  • Oh man, die Geschichte deines Kindes, ist eine Bankrotterklärung für das deutsche Schulsystem.


    Kein kompetenter Lehrer weit und breit, ganz im Gegenteil. Kind soll sofort abgeschoben werden. Viel schlimmer kanns wohl nicht kommen.


    woman123


  • Ich wollte auch nicht sagen, dass Spezialschulen bzw. Internate die ultimative Lösung sind, genau so, wie ich sehr sehr gut verstehen kann, dass man sein Kind nicht in ein Internat geben möchte, sondern es auch ganz gerne um sich hat.


    Über die Ausbildung von solchen Lehrkräften weiß ich nichts, von der Regelung in Hessen auch nicht (wie gesagt, ich bin im Studium, was Schulrecht usw. angeht, weiß ich überhaupt nichts, das kam nie als Thema vor - und ehrlich gesagt, hatte ich bislang noch keine allzu große Lust, es privat zu tun - obwohl ich einen Band EInführung in das Schulrecht zu Hause rum stehen habe, aber ehrlich gesagt, noch nicht reingeguckt... :rolleyes: ). Aber ehrlich gesagt kann ich mir nicht vorstellen, dass man nicht doch zumindestens eine Fortbildung gemacht haben muss, zumindest wenn die Schule sich ausdrücklich als Schule für Hochbegabte nennt. Vielleicht bin ich da ja naiv, aber mir wurde schon öfter vorgeworfen, ich würde zu sehr in das Gute im Menschen glauben - aber das finde ich für einen angehenden Lehrer auch nicht verkehrt. :D


    Das einzige, was ich sagen wollte, war, dass es möglich ist, dass die Lehrer sich sehr wohl privat weiterbilden, aber vielleicht eben auf anderen Gebieten, als diejenigen, die jetzt gerade für dein Kind die wichtigen wären. Mehr nicht.


    Und das soll auch keine Wertung in irgendeine Richtung sein.


    Leibe Grüße
    Katta

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

    Einmal editiert, zuletzt von katta ()

  • Hallo woman 123,


    sicher müssen alle etwas zur Verbesserung beitragen, nicht nur Lehrer. Es sagt doch niemand, dass nur Lehrer etwas tun müssen, aber auch. M.E. haben sie großen Einfluss darauf, ob ein Kind in der Schule scheitert oder nicht. Sie könnten eine ganze Menge tun, womit nicht gemeint ist, dass sie stundenmäßig grundsätzlich zu wenig tun oder alle nicht engagiert sind.


    In deinem Beispiel scheint die Schulpsychologin eine Lösung für gewisse Probleme gefunden zu haben. Welche Probleme gab es denn da, welche Ursachen hat die Psychologin gefunden und welche Ratschläge hat sie gegeben? Nicht alle Auffälligkeiten haben eine rein psychologische Ursache.


    Zitat

    Jetzt wäre der Schritt der Lehrer, auch auf Anraten der Psychologin, Informationen, über das herausfiltern von sehr leistungsstarken Kindern und sehr leistungsschwachen Kindern, heranzuholen und zu unterstützen.


    Wenn du damit meinst, dass jedes Kind entsprechend seiner Schwächen bzw. Stärken erkannt und gefördert werden sollte, dann ist das genau meine Meinung.


    Zitat

    Damit will ich sagen, dass alle Parteien in einem Boot sitzen.
    Eltern müssen was tun, Kind ebenfalls und auch die Lehrer.


    Dem kann ich nur zustimmen. Wenn Lehrer aber z.B. der Meinung ist, Kind hat schlechte Handschrift, weil es sich zu wenig Mühe gibt oder Kind ist zu langsam, weil es nicht will, oder meint, schlechtes Sozialverhalten liegt an der Erziehung der Eltern (das ist nämlich lange nicht immer der Grund), dann haben die Lehrer das Boot verlassen bzw. sind nie eingestiegen. Umgekehrt gilt das natürlich auch für Eltern.


    Zitat

    Und dieses nicht alles wissen können, gestehe ich den Lehrern genauso zu.


    Das tue ich auch, ätzend finde ich nur, wenn sie so auftreten, als wenn sie alles wüssten bzw. Eltern gar kein Wissen zutrauen.


    Viele Grüße
    Erika

    "Die Lehrer bezeichnen Lesen, Schreiben und Rechnen als Grundlagenfächer. In Wirklichkeit handelt es sich aber bei diesen Lehrstoffen bereits um sehr komplexe Prozesse, die sich nur bei einer einwandfreien geistigen Verarbeitung der durch die Sinnesorgane aufgenommenen Wahrnehmung erlernen lassen." A. Jean Ayres

  • Ich bin mir nicht so sicher, ob Lehrer den Umgang mit hoch begabten Kindern durch Fortbildung lernen. Mein Eindruck war eher, dass die guten Lehrer überhaupt kein Problem hatten, aber bei den anderen sich die Probleme potenzierten.


    Im Grunde war es eine Art Mobbing, die mein Kind in die Schwierigkeiten trieben. Irgendwie funktionierte es nicht. Und nach dem Test erst recht nicht. Die meisten wollten ihm beweisen, dass das wohl ein Irrtum sei und es das einsehen müsse. Dabei hielt es sich selbst für völlig unfähig und kapitulierte dann. Andere wollten nun Super-Leistungen aus dem Stand und nahmen es dem Kind übel, wenn es nicht klappte. Ich wüsste nicht, wo da eine Fortbildung ansetzen sollte.


    Fortbildungen in der Richtung befassen sich meist mit den Grundtatsachen. Was ist Hochbegabung? Wie kann man das messen? Aber nicht: Was macht man, wenn man das weiß?


    Vielleicht gibt es da auch keine Patentrezepte.


    Grüße Enja

  • Hallo Katta,


    Zitat

    mir wurde schon öfter vorgeworfen, ich würde zu sehr in das Gute im Menschen glauben - aber das finde ich für einen angehenden Lehrer auch nicht verkehrt.


    Das sehe ich auch so. Kinder brauchen es bitternötig, als "gute Menschen" angesehen zu werden, auch wenn sie nicht immer nur "Gutes" tun. Passiert das nicht, entwickeln sie sich ganz schnell zum Bösewicht. Ich denke, du verfügst dann wohl über eine wichtige Lehrerfähigkeit.


    Viele Grüße
    Erika

    "Die Lehrer bezeichnen Lesen, Schreiben und Rechnen als Grundlagenfächer. In Wirklichkeit handelt es sich aber bei diesen Lehrstoffen bereits um sehr komplexe Prozesse, die sich nur bei einer einwandfreien geistigen Verarbeitung der durch die Sinnesorgane aufgenommenen Wahrnehmung erlernen lassen." A. Jean Ayres

  • Hallo Enja,


    einige Lehrer haben von Natur aus soziale Kompetenz, andere nicht. Fortbildung oder einfach nur Lesen über Thema Hochbegabung kann m.E. schon etwas bringen. In diesem Zusammenhang erfährt man ja auch, dass z.B. nicht alle Hochbegabten immer nur super Spitzenleistungen auf allen Gebieten bringen, sondern auch Schwachstellen haben können, z.B. Rechtschreibung oder oft auch Sozialverhalten. Sie arbeiten oft mehr mit der linken Gehirnhälfte. Hochbegabung heißt besondere Begabung in bestimmten Bereichen, die es zu fördern heißt. Nach meiner Erfahrung haben Lehrer oft Schwierigkeiten damit, zu verstehen, dass ein Kind hochbegabt sein soll, wenn es z.B. trotzdem eine miserable Rechtschreibung hat.


    Gruß Erika

    "Die Lehrer bezeichnen Lesen, Schreiben und Rechnen als Grundlagenfächer. In Wirklichkeit handelt es sich aber bei diesen Lehrstoffen bereits um sehr komplexe Prozesse, die sich nur bei einer einwandfreien geistigen Verarbeitung der durch die Sinnesorgane aufgenommenen Wahrnehmung erlernen lassen." A. Jean Ayres

  • Mein Kind hat keine Teilleistungsstörungen, sondern eine gleichmäßige Hochbegabung, kann sozusagen alles, wenn man es lässt. Lernt leicht Sprachen. Hatte immer schon eine gute Rechtschreibung. Mathematisch eine Spitzenbegabung. Musikalisch. Sportlich. "Von Gott auf beide Wangen geküsst", wie sich mal jemand äußerte.


    Jetzt, wo alles vorbei ist, kann man eigentlich nur staunen. Und das gönnen wir uns auch.


    Das Problem war, dass er nach langen Jahren, in denen er immer wieder erklärt bekam, dass er nichts taugt, kein Selbstvertrauen mehr hatte und sich für grundverkehrt auf dieser Welt hieß. Sich dann wegzuhungern, ist eine klassische Reaktion auf so eine Situation.


    Die Psychologin packte das sehr sinnvoll an und baute ihn eigentlich erfolgreich wieder auf. Aber die Lehrer arbeiteten eben dagegen. Wir hatten um eine Art Klassenkonferenz mit der Psychologin gebeten, worauf man sich aber nicht einließ. Er sollte weg. Das wurde ganz klar so formuliert.


    Wir wären dem auch gerne nachgekommen. Ging aber nicht so flott, wie gewünscht. Und dann ging es rund.


    Grüße Enja

  • Hallo Enja,


    warum wurde deinem Sohn denn erzählt, er tauge nichts, wenn er alles konnte - unangepasstes Verhalten (ist ja auch nicht so selten und für mich nachvollziehbar bei Hochbegabten)?


    Gruß Erika

    "Die Lehrer bezeichnen Lesen, Schreiben und Rechnen als Grundlagenfächer. In Wirklichkeit handelt es sich aber bei diesen Lehrstoffen bereits um sehr komplexe Prozesse, die sich nur bei einer einwandfreien geistigen Verarbeitung der durch die Sinnesorgane aufgenommenen Wahrnehmung erlernen lassen." A. Jean Ayres

  • Hallo Erika,


    in unserem Fall war es ja so, dass wir uns an die Schulpsychologin gewandt haben und nicht die Lehrkräfte.
    Die Lehrer haben unsere Problematik gar nicht gesehen oder erkannt. Deshalb haben wir auch zwei unterschiedliche Sichtweisen gehabt.


    Ich denke, dass in erster Linie wichtig ist, dass den Eltern und dem Kind geholfen wird. Das beide Mittel an die Hand bekommen, wie die Situation zu verändern ist.


    Der riesige "Koloss" Schule ist ja von uns nicht zu verändern. Und darauf bauen, dass Lehrer aufgrund unserer Problematik ihr Verhalten ändern, sollte man auch nicht.
    Wenn ich auf verständnisvolle und engagierte Lehrer treffe, habe ich Glück.


    Natürlich ist es wichtig, dass Bewegung in das Schulsystem kommt, dass steht völlig ausserfrage.
    Für mich heisst das: Ich werde in meinem Kreis immer wieder Aufklärungsarbeit leisten.
    Das wichtigste für mich ist aber, dass ich mein Kind so gut es geht durch die Schule begleite, trotz aller Widrigkeiten.


    Ich werde mich nicht damit aufhalten, die Lehrkräfte zu verändern, dass ist für mich verschwendete Energie.


    Eine Mutter hat vor zwei Tagen zu mir gesagt, dass ich ihr mit meinen Erkenntnissen geholfen hätte. Wenn ich das erreiche, dass mehrere Menschen ein anderes Bewusstsein bekommen, dann hat es sich für mich schon gelohnt.


    Und ich sehe es so wie Enja, es gibt wohl kein Patentrezept.


    woman123

  • Hallo,


    ich denke mal, es geht nicht darum, den Koloss Schule zu ändern.


    Lehrer können nicht für alles da sein und jede Sache "behandeln". Ich erwarte lediglich Verständnis, offene Augen und Ohren und den Willen zu einer guten Zusammenarbeit.


    Wenn ein Lehrer weiß, dass ein Kind leicht in Panik gerät, weil sein Selbstbewusstsein im Keller ist, kann er da beruhigend eingreifen. Wenn ein Lehrer weiß, dass ein Kind aufgrund schlimmer Vorerfahrungen Angst hat vor Gleichaltrigen, kann er ein Auge darauf haben.


    Es geht nicht um Schulungen und Fortbildungen in meinen Augen, es geht um Verständnis für Kinder, die es vielleicht schwerer haben.


    Es gibt Lehrer, die werden unsicher, wenn ein Kind z.B. im Verhalten so gar nicht in eine Richtung passt. Da erwarte ich zwar bzw. hoffe, dass man mich informiert über Probleme, allerdings will ich gerne mit den Lehrern nach Lösungen suchen. Außerdem halte ich es für ziemlich schlimm, wenn ein Lehrer nach 4 Wochen die klare Ansicht hat, dass dieses Kind es nicht schafft, sich zu verändern.


    Dazu gehört es, auch die Eltern als Partner zu sehen. Ich will der Partner der Schule sein, ich will mit den Lehrern zusammenarbeiten, aber gleichberechtigt.


    Bei uns ging es im letzten Schuljahr von:


    "Das wird das Kind nie schaffen zu ändern, die Auffälligkeiten sind zu groß!" Dies nachdem ich vom schlimmen Vorjahr erzählt hatte.


    über die Mitteilung, dass man das Kind nicht mit auf Klassenfahrt im Mai nimmt (für Vorfälle, die noch vor Weihnachten waren - da war es teilweise noch schlimm)


    bis zu


    einer Zwei im Betragen im Endzeugnis.


    Die Klassenlehrerin musste zugeben, dass die Kleine sehr an sich gearbetet hatte und sie als Lehrerin hätte es nie für möglich gehalten, dass so etwas möglich ist.


    Ich habe ihr allerdings nicht gesagt, wie sehr das Kind leidet, dass es einzelne Schüler gibt, die ihr sehr zusetzen und es geradezu anlegen, die Kleine in Schwierigkeiten zu bringen. Es nutzt ja nichts, wenn die Täter leugnen.



    Ich fnde es z.B. gut, wenn Lehrer Eltern Hilfsmöglichkeiten aufzeigen.


    Aber das ist nicht immer so, es gibt leider viele Lehrer, die wollen mit dem Schulspychologischen Dienst nichts zu tun haben. Denn oft wäre es ja sinnvoll, wenn sich eine neutrale Person ins Klassenzimmer setzt und die Lage beobachtet.


    Denn ich hatte versucht, im letzten Schuljahr zu erwirken, dass der Schulpsychdienst sich mit der Schule in Verbindung setzt, die blockten ab.


    Sogar eine Zusammenarbeit mit der Schulsozialarbeiterin lief nur sehr schleppend.


    Gespräche mit behandelnde Ärzten konnten nur nach langen Anläufen gestartet werden.


    Ein Mal hätte ich eine Einschätzung der Schule gebraucht, für einen Arztbesuch, und unsere Kinderärztin bat per Brief um eine schriftliche Stellungnahme. Sie wurde nur angerufen, man gäbe so etwas nicht raus. Aber zumindest sprach man über die Sachlage.


    Das finde ich traurig, denn wie kann ich vernünftig einen Weg finden, wenn ich nicht einmal von der Schule eine schriftliche Schilderung der Probs erhalte. Da kann ein Facharzt viel damit anfangen und neue Wege beschreiten.


    Denn die Lehrer haben in persönlichen Gesprächen viele wichtige Punkte aufgeführt.


    Es wurden auch keine Protokolle der Gespräche gemacht.


    Da müssten, wenn wirklich große Probleme bestehen, die Schulen sich mehr öffnen, bzw. unsere Schule.


    Ich will denen doch nichts Böses! Ich lege schon Wert auf die Beobachtungen und Schilderungen.


    Mal sehen, was unser neues Schuljahr bringt.


    Doris

  • Guten Morgen, Doris,


    natürlich hast du recht, ich würde mir auch wünschen die Lehrer hätten mehr Verständnis, Wissen ect.


    Aber erzwingen kann ichs nicht. Und das ist das Problem.
    Ich verlasse mich nicht auf die Lehrer, dass sich in deren Köpfen etwas ändert, denn dann bin ich verlassen.


    Guck mal kurz in den Thread Hausaufgaben.
    Erika stellt die Frage
    , ob es Sinn macht einem HB Kind Hausaufgaben zu geben und ob es nicht eher eine Qual ist. Und dann lies dir die Antwort von A. durch.
    Wurde auf Erikas Frage und Problem eingegangen? Also, ich kann das nicht sehen. Die Frage wurde beantwortet, indem gesagt wurde,wie die anderen Kinder sich fühlen. Das war aber nicht Erikas Frage, ihr ging es um ihr Kind. Sowas nenne ich abgebügelt.
    Dann könnte man noch weiter analysieren, warum A. auf die Frage so reagiert und die Frage eigentlich nicht beantwortet hat?
    Kann A die Frage gar nicht beantworten, weil A. keine Ahnung vom Thema HB hat? Oder keine Lust auf Erika? Oder, oder oder......


    So, und nun sollte man daran gehen in A.`s Denken etwas zu verändern?
    Für mich ist das verschwendete Energie.


    woman123


    Ich muss mich revidieren, Erika hat keine Frage gestellt, sondern eine Meinung geäussert. Inhaltlich ändert sich trotzdem nichts.

  • Im Nachhinein kann man nicht mehr nachvollziehen, wie es dazu kam, dass wir alle davon überzeugt waren, dass dieses Kind schulisch nicht genug leistete. Ich kann mal exemplarisch zwei Fälle schildern.


    In der Grundschule waren wir eigentlich von Anfang an abgestempelt als überehrgeizige Eltern mit minderbegabtem Kind. Genauso erklärte der Klassenlehrer uns das Problem. Das Kind hatte phasenweise nicht wirklich Lust seine Hausaufgaben zu machen und ließ es dann bleiben. Wir erfuhren das nicht. Weil der Lehrer befürchtete, wir würden das Kind dann drängen, sie zu erledigen. Damit hatte er auch völlig recht. Erst als wir fragen kamen, weil die Noten abrutschten, bekamen wir erklärt, das Kind habe ein halbes Jahr lang keinerlei Hausaufgaben gemacht. Dieser Lehrer bot dann dem Kind an, ihm beizustehen, um ihm das Gymnasium zu ersparen. Trotz Einser-Notenschnitt.


    Nachdem uns trotz Gymnasialempfehlung alle erklärt hatten, das Kind sei keinesfalls gymnasial geeignet, klapperten wir natürlich nach der Umschulung sozusagen mit den Zähnen, ob das wohl gut gehen würde. Kind schrieb munter Einsen in Mathe. Ich traf den Lehrer. Er erklärte mir, das sei aber in Wirklichkeit nichts. Das Kind sei unmöglich, die guten Noten zufällig. Dem Kind wurde gesagt: "Du hast zwar die Hausaufgaben als einziger richtig gelöst, aber guck mal, wie hübsch dein Nachbar sein Heft bemalt hat. Das wirst du nie so hinkriegen."


    LK Mathe in der Oberstufe. Elternsprechtag. Ich bedanke mich bei dem Lehrer für die tollen Leistungen meines Sohnes. Der guckt mich merkwürdig an und sagt: "Ja, mag schon sein. Aber wenn er erst Dreien schreiben wird, wird er sich wohler fühlen. Ich halte ihren Sohn für einen typischen Dreierschüler."


    Es hat jedesmal geklappt. Irgendwann schrieb er Dreien. Oder gar nichts mehr. Davon hat er sich erst im Abitur befreit.


    Was hätte da Fortbildung oder mehr Wissen der Lehrer geholfen? Man kann ja überall nachlesen, dass Begabung nicht unbedingt Leistungsfähigkeit bedeutet. Sie hätten dann ihre Meinung noch wissenschaftlich untermauern können.


    Grüße Enja

  • Hallo,


    also es gibt Dinge, da bin ich mit Lehrern einer Meinung:


    Hausaufgaben müssen gemacht werden, auch wenn es dem Kind auf den Zeiger geht.


    Ich gebe zu, dass ich nicht nachvollziehen kann, wieso ein Kind unter den Hausaufgaben leidet und diese eine Qual sind. Klar, wenn man sich langweilt, unterfordert ist und den Sinn nicht sieht, besonders wenn man es wirklich gut kann.


    Hausaufgaben machen den wenigsten Kindern Spaß und auch die wenigsten Kinder freuen sich auf Hausaufgaben.


    Denn was würde das denn für andere Kinder bedeuten? Da muss ein Kamerad die Hausaufgaben nicht machen, weil er HB ist und dies für ihn eine Qual ist? Das verstehen Kinder nicht! Dadurch wird man zusätzlich zum Außenseiter.


    Dann macht man halt die Hausaufgaben, damit es nicht auffällt und die Lehrer sich nicht irgendwelche Gedanken machen. Ob das Sinn macht, ist zweitrangig, so geht man Schwierigkeiten aus dem Weg.


    Es gibt nun mal im Leben Dinge, die ziemlich unangenehm sind und denen man sich stellen muss. Überall gibt es sinnlose oder ätzende Aufgaben/Pflichten, die man nicht leiden mag.


    Ich mag z.B. bei meinem Beruf die Aktenablage nicht. Dafür gab es früher in unserer Behörde ein Menge Leute, die das für die gut ausgebildeteten Sachbearbeiter machten. Da aber gespart wird, müssen diese Arbeiten von nun den Sachbearbeitern gemacht werden. Für mich ist das zum Einen furchtbar öde und langweilig, zum Anderen bin ich behindert, kann schlecht laufen, habe in den Schultern Arthrose vom Krückenlaufen. Nur extra Hilfe gibt es nicht, keine Leute mehr dafür da. Da nun mal jeder Kollege das machen muss, mache ich es auch, selbst wenn mich das gesundheitlich beeinträchtigt. Wenn ich das nicht machen, geraten meine Akten ins Chaos. Es ist halt nun meine Pflicht.


    Ich bin zwar nicht HB, aber knapp darunter ( 126).


    Mein Männe ist HB, er hat einen IQ von 135. Er hat auch keine Hausaufgaben gemacht, dafür immer viel Ärger eingehandelt, aber die Lehrer vermuteten, dass er könnte, wenn er wollte.....


    Nur meine lieben Schwiegereltern übten nur Druck aus (auch Schläge) und gaben irgendwann auf. Sie ließen es sein und kümmerten sich nicht mehr. Da wurde nichts hinterfragt, obwohl die Lehrer dazu rieten.


    Selbst ein notwendiger Kuraufenthalt in der GS wegen psychomotorischer Störungen (die Schule schaltete den Schulspy ein) regte nicht dazu an, mehr zu tun.


    Da waren die Lehrer bestimmt gewillt, aber wenn die Eltern nur enttäuscht sind, dass das Kind nicht so ist, wie sie es gerne hätten.


    So hat mein Mann lediglich den HS-abschluss, trotz großer Begabung für Naturwissenschaften.


    Da hätte es halt Eltern bedurft, die mit Verständnis zwar, aber Konsequenz das Kind zu seinen Pflichten anhalten und es unterstützen, fördern und ermutern.


    Ich kann z.B. meine Tochter nicht vom vernünftigen Verhalten in der Schule entlasten, weil sie Probleme hat. Sie muss eben, obwohl es unendlich schwer ist, sich zurückhalten, stillhalten und besonders nichts im Affekt tun, die Regeln verletzten.


    Das führt letztendlich dazu, dass sie sich für sie unangenehmen Situationen nicht entziehen darf, weil z.B. die Schulordnung den Aufenthalt im Treppenhaus verbietet. Wird sie also gepiesackt von den Jungs (die necken eher) und sie will flüchten, dann geht das nicht, weil es eine Strafarbeit gibt.


    Gegen die anderen Kinder und deren Spielchen kann man nichts tun.


    Lehrer sind im übrigen wirklich nur Menschen. Ich kann die ehemalige Klassenlehrerin der Klasse 6 schon verstehen. Da ging plötzlich ein Tornado über sie hinweg. Ein Kind, niedlich, fleißig, höflich zu Lehrern, immer alle Pflichten erledigt, aber mit einem Verhalten teilweise, dass es zumindest zu Anfang ein Schock war.


    Das Bild prägt.


    Ein Kind, das ein "unmögliches" Verhalten an den Tag legt, kann nur ein schlechter Schüler sein. Wenn dieses Bild in Schieflage gerät, sind die meisten Menschen ziemlich verschnupft und verstehen die Welt nicht mehr und suchen nach anderen Erklärungen.


    Wie sagte es an der Schule Klasse 5 der Direktor:


    Es kann doch nicht sein, dass ein so kluge, fleißige und begabte Schülerin nicht kapiert, wie man sich ordentlich verhält. Sie muss über vielem einfach drüber stehen.


    In der Regel sind nämlich die auffälligen Schüler die mit den schlechten Zensuren und deren Eltern interessiert nichts.


    Doris

  • Zitat

    Doris schrieb am 28.08.2005 15:04:
    also es gibt Dinge, da bin ich mit Lehrern einer Meinung:


    Hausaufgaben müssen gemacht werden, auch wenn es dem Kind auf den Zeiger geht.


    Na wenn das "auf den Zeiger" durch Unterforderung verursacht wird, dann ist der Lehrer wohl nur Mittelmaß. Das sollte er/sie dann halt erfahren. Aber im großen Mittel sind Lehrer zwangsläufig nur Mittelmaß.



    Grüße,
    Martin

    Acht Semester mitlesen ersetzt das Lehramtsstudium. ;)

    Einmal editiert, zuletzt von oh-ein-papa ()

Werbung