soziale Kompetenz - Mangelware

  • Ich muss mal Frust ablassen: Ich bin (schon seit einigen Wochen) völlig angenervt von meinen Hausaufgabenkindern an der Hauptschule. Schon wenn ich daran denke, sie am gleichen Tag noch sehen zu müssen, würde ich am liebsten den Job kündigen.
    Sie nerven mich einfach nur noch. Ist das normal? Eigentlich arbeite ich doch so gerne mit Kindern und auf meine Nachhilfekinder freue ich mich immer und auch an meiner Praktikumschule bin ich super gut klar gekommen und habe mich wohl gefühlt.


    Die Kids sind unverschämt, haben keinen Respekt - weder vor mir noch vor ihren Mitschülern, nutzen jede Kleinigkeit um sich gegenseitig zu beleidigen oder gar zu schlagen, nehmen keine Rücksicht aufeinander und sind völlig unmotiviert zu lernen. Will man nett zu ihnen sein und auch mal schöne Dinge mit ihnen machen, nutzen sie das aus um Caos zu verbreiten.


    Was soll man mit solchen Kindern machen? Mittlerweile bin ich übrhaupt nicht mehr motiviert ihnen außer der notwendigen Arbeit irgend etwas Angenehmes zukommen zu lassen (z.B. kleine Spielchen zwischendurch oder Arbeitsblätter mit Rätseln für die besonders Schnellen...).
    Ich bin einfach nur noch völlig angenervt von diesen Kindern und gleichzeitig eigentlich ziemlich traurig darüber.

  • Zitat

    Finchen schrieb am 09.02.2006 19:58:


    Was soll man mit solchen Kindern machen?


    Hallo Finchen,


    ich habe ganz gute Erfahrungen damit gemacht, eine kleine Anzahl Stunden "doppelt" vorzubereiten. D.h., in der ersten Version habe ich etwas Nettes, Buntes, Spannendes eingebaut. Die zweite Version bestand aus stinklangweiligen Arbeitsblättern.


    Ich habe meiner Klasse am Anfang der Stunde angekündigt, was wir heute Nettes, Buntes, Spannendes machen werden - allerdings unter der Bedingung, dass der Unterricht geordnet und ruhig abläuft. War das nicht der Fall, habe ich sofort abgebrochen und bin zu den Arbeitsblättern übergegangen. Nach ein paar Mal durchziehen hat es dann geklappt.


    Was mir sonst noch einfällt: Viel Struktur, aber auch viel Abwechslung in die Stunden bringen - nicht mit großem Arbeitsaufwand, aber einfach durch Methodenwechsel und kleine Veränderungen im Ablauf, die immer wieder die Aufmerksamkeit der Schüler ansprechen. Darauf achten, dass man selbst ruhig bleibt und nicht in eine Eskalationsspirale gerät. Konsequent, aber freundlich bleiben. Das Verhalten der Kinder nicht persönlich nehmen.


    Viel Glück!
    Eva

    Nemo: "Ich habe aber eine kaputte Flosse!"
    Kahn: "Ich auch. Das hat mich niemals von irgendetwas abgehalten."

  • Ich fürchte, du legst den Finger auf die Wunde - das genau ist das Problem (einiger) Hauptschüler, dass sie weder eine Arbeitshaltung haben noch wissen, wie sie mit sich und anderen umgehen sollen. Also wird Rabatz gemacht auf Teufel komm raus, damit man sich nicht langweilt. Respekt kann man sich nur unendlich mühsam erarbeiten, Arbeitsklima ist erst nach langer Zeit herzustellen. Gedanken ins Blaue:


    Wie ist die Situation? Siehst du die Kinder nur zur HA-Erarbeitungszeit (hast also selber kaum pädagogischen Input)? Wie groß ist die Gruppe? Wie alt sind die Schüler? Kannst du in dieser Zeit auch "Entwicklung von Arbeitshaltung" mit ihnen üben oder gibt es ein festes Programm? (Wenn ja, fällt mir erst mal nix ein, weil du ja keine Zeit hast, was zu bewegen...)


    Wenn du doch was machen kannst:
    - Erst einmal rauskriegen, wer sie eigentlich sind. Was interessiert sie? Worauf sind sie stolz? Was würden sie tatsächlich gern können? Wenn sie noch nicht in der ultracoolen Phase sind, könntest du mit ihnen z.B. eine Collage anfertigen (selbst malen klappt meistens nicht) oder sie ein Fotoplakat gestalten lassen.


    - Ich hab's schon ein paarmal erzählt, ich habe solche Kinder zu konzentrierten Arbeitern mutieren sehen, als sie aus Sperrholz ein batteriebetriebenes Rennauto basteln sollten. Wichtig war: Sie wollten (und konnten) dieses Auto bauen; sie arbeiteten völlig selbstständig, Fragen wurden vom Lehrer sanft an sie selbst oder die Gruppe zurückgegeben; der Lehrer war unglaublich wortkarg, Zeigen war viel wichtiger als Erklären; die konkrete, weitgehend selbsterklärende Arbeit führte zu unglaublicher Konzentration. Gibt es Möglichkeiten, das auf deine Klasse zu übertragen? Ein konkretes Projekt, an dem erst einmal jeder allein arbeiten kann?


    - Überhaupt nicht böse gemeint: Ich frage mich, ob sie von deinen differenzierten Methoden nicht etwas überfordert sind. Grundannahme: Sie kennen "Arbeiten" nur als Misserfolgserlebnis, sind meist überfordert und schon oft gescheitert. Wie sollen sie eine schöne Zusatzaufgabe als Anreiz erleben?


    Meine vage Theorie ist, dass erst mal Ergebnisse für sie her müssen, klar, greifbar, konkret (also nichts Schriftliches). Wie man das machen kann, liegt sehr an deiner Gruppe und dem, was du mit ihnen anstellen kannst. Kannst du erst mal mehr Info geben?


    w.

    Frölich zärtlich lieplich und klärlich lustlich stille leysejn senffter süsser keuscher sainer weysewach du minnikliches schönes weib

  • Danke für Eure ausführlichen Antworten! Das tut irgendwie gut...


    Die Schüler sind in der 5. Klasse, also zwischen 10 und 12 Jahren alt. Die Meisten sind aber 11 Jahre alt. Die Klasse ist bei der Hausaufgabenbetreuung nicht vollständig, weil es eine freiwillige Angelegenheit ist. Meistens habe ich nur 8 Kinder, aber selbst die sind kaum zu bändigen.

    Das Problem ist, ich mache in der Klasse nur Hausaufgabenbetreuung. Das heist, ich kann methodisch und kreativ kaum etwas machen. Die Kinder haben ihre Hausaufgaben zu erledigen und ich kontrolliere und beaufsichtige das. Natürlich helfe ich auch, wenn Fragen sind und manchmal, bei sehr schweren Aufgaben erarbeiten wir uns die Lösung gemeinsam.


    Bisher habe ich halt immer mal wieder ein kleines Spielchen gegen Ende eingeschoben oder hatte für die schnellen Kinder Arbeitsblätter mit Rätseln dabei, die sie eigentlich auch ganz gerne machen.


    Das Verhalten der Kinder ist aber eine Katastrophe. Wie oben schon erwähnt tanzen sie mir auf der Nase herum, haben aber auch untereinander kein Respekt und beleidigen sich ständig gegenseitig ohne jegliche Einsicht, dass das falsch sein könnte.
    Oft werden sie richtig aggressiv und prügeln aufeinander ein (das ist keine harmlose Rauferei mehr) so dass ich Angst habe, dass sie sich ernsthaft verletzen.


    Mit der Klassenlehrerin habe ich schon geredet. Die ist sehr streng und hat die Klasse anscheinend einigermaßen unter Kontrolle. Klassenregeln braucht die Klasse ihrer Meinung nach nicht...

  • Zitat

    Finchen schrieb am 09.02.2006 22:07:
    Mit der Klassenlehrerin habe ich schon geredet. Die ist sehr streng und hat die Klasse anscheinend einigermaßen unter Kontrolle. Klassenregeln braucht die Klasse ihrer Meinung nach nicht...


    Was ist nicht verstehe: Wenn die Klassenlehrerin so streng ist, warum liegt den Schülern dann nicht daran, die Hausaufgaben ordentlich zu erledigen?
    Hast du mal mit ihr gesprochen, welchen Stellenwert Hausaufgaben bei ihr haben? Wenn das reine Übungsgeschichten sind, die vielleicht nicht einmal im Unterricht später thematisiert werden, ist die Reaktion nicht verwunderlich. Denn die Einsicht, dass Üben ein notwendiger Bestandteil erfolgreichen Lernens ist, darf man bei diesen Schülern nicht erwarten. Wenn das Üben und Kontrollieren nur an dich abgeschoben werden, hast du natürlich schnell den schwarzen Peter.


    Ich denke, es könnte hier nicht primär um soziale Kompetenz. gehen sondern um klassische Konditionierung: Erfahren die Schüler Lob und Heraushebung im "normalen" Unterricht für gute Hausaufgaben, werden sie auch ein besseres Arbeitsverhalten zeigen.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    Einmal editiert, zuletzt von Timm ()

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