Grammatikfrage: Satzgliedbestimmung

  • Das kam heute in der S-Bahn auf. Welches Satzglied ist der mit "von" angeführte Täter im Passivsatz? Beispiel:


    "Ich werde von ihm verfolgt."


    oder dann auch:


    "Ich fühle mich von ihm verfolgt."


    Das kann nach der traditionellen Grammatik nur ein Adverbiale oder ein Präpositionalobjekt sein. Ich weiß, was mein Deutschbuch dazu meint, und das ist auch meine eigene Meinung. Aber begründen kann ich das nicht gut genug für mich.


    Hat einer von euch eine gute Begründung, egal für welche Entscheidung?

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • Ein Präpositionalobjekt kann es meines Erachtens nicht sein, da das PO nicht vom Prädikat trennbar ist und bei deinem Beispielsatz kann - wie ja eigentlich in jedem Passivsatz - das "von ihm" weggelassen werden, das täterlose Passiv. Das Passiv kann ja aus Informationsmangel oder als Informationsriegel eingesetzt werden.

  • Diese Unterscheidung ist wirklich eine der übleren der Grammatik ;-). Nachdem ich bei Helbig/Buscha (1999: 13.3.4.1) nachgeschlagen habe, halte ich Dein Satzglied für ein PräpositionalOBJEKT.


    Denn: Beim PO regiert das Prädikat die Präposition, sodass eine bestimmte Präposition nötig ist, die zugleich semantisch "leer" ist.


    Beim PA hingegen trägt die Präposition eine eigene Bedeutung, während sie zugleich nicht eigentlich vom Prädikat abhängig ist bzw. von ihm determiniert wird.


    Was übrigens nicht heißt, dass das Prädikat das PO INSGESAMT verlangen muss (Aktenklammers Argumentation, wenn ich richtig verstanden habe ;-).)


    Um Helbig/Buschas Beispiel zu übernehmen:


    PO ist etwa:
    Er wartet AUF DEN FREUND. (Nach "warten" hier nur "auf" möglich, zugleich ohne eigentliche eigene Semantik)


    PA ist etwa:
    Er wartet AUF DEM BAHNHOF/VOR DEM BAHNHOF/NEBEN DEM BAHNHOF. (Das Prädikat lässt hier verschiedene Präpositionen zu, die zudem semantisch "gefüllt" sind.)


    Dein Beispiel ist nun in diesem Sinne ein PO. Denn:
    "Verfolgt" verlangt das "von" (es geht nicht "verfolgt unter, neben, über ihm"); und das "von" hat eigentlich keine eigene volle Bedeutung (wenigstens nicht: als Präposition).

  • So wie "unter uns" habe ich das im ersten Moment auch gesehen, aber es stimmt wohl nicht ganz.
    Es ist zwar richtig, dass man von einem PO spricht, wenn die Präposition vom Vollverb des Prädikats bestimmt wird (wie bei "warten auf"), aber in Herrn Raus Beispiel geht es ja um einen Passivsatz. Beim Passiv wird der Agens ja immer mit "von" angeschlossen, so dass man nicht sagen kann, die Präposition sei durch das Vollverb bestimmt.


    Er wird von mir verfolgt.
    Er wird von mir bestochen.
    Er wird von mir geschlagen.
    Er wird von mir ...


    Allerdings muss ich auch sagen, dass ich keinen eigenen Lösungsvorschlag habe.
    Gruß,
    Eliah

  • Zitat

    Es ist zwar richtig, dass man von einem PO spricht, wenn die Präposition vom Vollverb des Prädikats bestimmt wird (wie bei "warten auf"), aber in Herrn Raus Beispiel geht es ja um einen Passivsatz. Beim Passiv wird der Agens ja immer mit "von" angeschlossen, so dass man nicht sagen kann, die Präposition sei durch das Vollverb bestimmt.


    Autsch ;). Ja, das stimmt natürlich und das hatte ich nicht bedacht.


    Wobei sich natürlich die Frage stellt: Wie relevant ist es? Es stimmt, das spricht dagegen, dass das Prädikat die Präposition "regiert". Andererseits bleibt sie semantisch unausgefüllt, oder täusche ich mich?


    Vielleicht hat ja noch jemand eine Lösung?

  • Ich kann mich allem nur anschließen. Intuitiv war ich am Anfang für Adverbiale, schwanke jetzt aber ein bisschen.


    Für die Schule wichtig ist die Unterscheidung in diesem Fall hoffentlich nicht.


    Bei der Überlegung, ob andere Präpositionen möglich sind, bin ich darauf gestoßen: "Ich werde durch ihn bedroht."


    Da hat sich die Bedeutung etwas geändert; aber es ist deutlicher ein Adverbiale, oder?

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • Zitat

    Original von unter uns


    Autsch ;). Ja, das stimmt natürlich und das hatte ich nicht bedacht.


    ??? Wie kommt es denn, dass du die Sache mit dem Passiv übersehen hast? Kam ja diverse Male bei meiner Antwort vor....


    Die "üblere Erklärung" ist die, die auch in den 6er- und7er-Büchern ausgegeben wird, wenn sich die Schüler mit dem Präpositionalobjekt beschäftigen.

  • Hallo Aktenklammer,


    Zitat

    ??? Wie kommt es denn, dass du die Sache mit dem Passiv übersehen hast? Kam ja diverse Male bei meiner Antwort vor....


    Ich habe nicht das Passiv übersehen, sondern dass im Passiv das Agens immer an die Präposition "von" angeschlossen wird, wie Eliah hervorgehoben hat - insofern stand meine (von Helbig/Buscha übernommene) Erklärung auf wackligen Füßen. Mit Deiner Antwort hatte das erstmal nichts zu tun.


    Zitat

    Die "üblere Erklärung" ist die


    Und von üblerer Erklärung habe ich nicht gesprochen, sondern von:


    Zitat

    Diese Unterscheidung ist wirklich eine der übleren der Grammatik ;-).


    Womit die Unterscheidung (!) präpositonales Adverbial/PO gemeint war - weil einfach im einzelnen schwer zu entscheiden ist, was vorliegt. Es ging hier also auch nicht um Deine Antwort.


    Ich meine aber, dass die Formulierung von Dir


    Zitat

    Ein Präpositionalobjekt kann es meines Erachtens nicht sein, da das PO nicht vom Prädikat trennbar ist und bei deinem Beispielsatz kann - wie ja eigentlich in jedem Passivsatz - das "von ihm" weggelassen werden, das täterlose Passiv.


    mindestens irreführend ist - zumindest wirkt sie so auf mich. Es klingt so, als könnte alles, was man weglassen kann, damit kein PO mehr sein - und das stimmt definitiv nicht. Nur weil man sagen kann:


    Er wartet AUF DEN FREUND.


    Und:


    Er wartet.


    ist AUF DEN FREUND nicht sofort ein Adverbial.


    Nette Grüße
    Unter uns

  • Also, immer noch ohne passendere Lösung zu haben, habe ich auch mit dem Adverbialse Bauchschmerzen. Wie sollte man das denn klassifizieren?
    Instrumental? Passt irgendwie auch nicht. Oder stehe ich jetzt auf dem Schlauch?


    [etwas später...]


    Also, ich hab jetzt doch mal in der guten, alten Duden-Grammatik nachgeschlagen. Duden führt für diese "von-Konstruktion" den Terminus "Agensangabe" ein. Von (Präpositional-)Objekt oder Adverbiale ist keine Rede.
    Zu der Alternative "durch" steht auch was darin:
    "Geht es bei der Agensangabe nicht um den eigentlichen Urheber oder Träger eines Geschehens, dann kann die Präposition "durch" gebraucht werden.
    [...]
    Die Präposition "durch" wird auch verwendet, wenn der Urheber oder Täter eines Geschehens im Auftrage eines anderen handelt, wenn er nur Vermittler eines Geschehens, Mittelperson ist."


    Für die Schule finde ich dieses Wissen gar nicht schlecht, es kann ja immer mal sein, dass ein Schüler eine schlaue Frage stellt. Dann kann man es jetzt kurz erklären und mit gutem Gewissen sagen, dass es sich dabei um etwas handelt, was die Schüler nicht wissen/können müssen.


    Gruß,
    Eliah

Werbung