• Vor einiger Zeit habe ich mit meinen Fünftklässlern den Film Troja angeschaut.
    Lassen wir mal die rechtliche Seite weg! Der Zusammenhang mit dem Unterrichtsstoff war klar, Altersgrenze na ja.


    Probleme mit der Vertrauenslehrerin deswegen, aber - man staune - nicht wegen der Gewaltszenen (die mit den Schülern sehr intensiv vorher relativiert wurden und deren pädagogische Bedenklichkeit ich glaube, aufgefangen zu haben, sondern deswegen, weil eine Schülerin bei einer Liebesszene vor Rührung weinte und die anderen Schüler dieses Ereignis frei und unbefangen berichteten.


    Schande über mein Haupt als schlechter Pädagoge, oder doch nicht?

  • Egal, ob zum Unterrichtsstoff passend oder nicht, egal, ob man glaubt, die Gewaltszenen pädagogisch aufgefangen zu haben (an die Liebes-Szenen denkt man da wohl wirklich nicht) ... aber der Film ist je nach Fassung FSK 12 (Kino) oder 16 (längere Fassung auf DVD) ... das hat mMn in einer 5. Klasse nix verloren.


    - Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich alle 30 Kinder (Individuen) pädagogisch so abfedern kann, dass keinem die reichlich vorhandenen Gewaltszenen stören bzw. keinen verstören.


    - Verständnis für Handlungen und Motive ... auch hier wäre so viel Vorarbeit nötig, dass die dafür aufgewendete Zeit meiner Ansicht nach nicht im Einklang mit dem Nutzen steht ...


    vor allem, weil der Film weder pädagogisch noch inhaltlich noch künstlerisch so wertvoll ist ... wo da der Zusammenhang zum Unterrichtsstoff in der 5. Klasse ist, würde mich schon interessieren (in Deutsch: Sagen? ... mit der "echten" Troja"sage" hat der Film doch außer den Namen kaum etwas zu tun).


    - dass eine Schülerin emotional von einer Liebesszene stark berührt wurde ist EINE Reaktion, von der Du nun weißt ... übertrieben gesagt wäre das durchaus ein Anzeichen, dass die Kinder emotional überfordert waren.


    - die rechtliche Seite kann man hier gar nicht außen vor lassen ... ich bin nun sowohl Lehrer, sogar für Geschichte, als auch Vater einer Tochter, die in die 5. Klasse geht. So schnell kannst Du gar nicht schauen, wie ich bei dem entsprechenden Kollegen wäre, wenn da jemand mit der Klasse Troja im Unterricht schauen würde. Es kann nicht angehen, dass ich als Vater mir wirklich Zeit nehme, um für meine Kinder geeignete Filme auszuwählen (und zugegeben, da halte ich mich auch nicht immer an die Altersfreigabe, das Recht steht aber nur den Eltern zu, da sie ihre Kinder besser kennen und wissen, was man ihnen "zumuten" kann) und eine Lehrer im Unterricht dann einen Film zeigt, den ich NIEMALS mit meiner Tochter angeschaut hätte.


    Wenn der Film altersgemäß ist und die Eltern nur sagen "Den hätten wir mit unserem Kind nicht angeschaut" ist das ein lösbares Problem, aber wenn die Eltern den Film als für ihr Kind ungeeignet empfinden und Du hast dich um die Altersfreigabe wenig gekümmert ... dann hast Du ein wirkliches Problem.


    Nebenbei finde ich, dass die FSK mit den Einstufungen eher zu niedrig liegt ... gibt da ne ganze Menge Filme mit FSK 6, die ich nicht mit 6-Jährigen schauen würde.


    Sorry, aber da bin ich jetzt wirklich etwas fassungslos, wie man den Film in einer 5. Klasse zeigen kann ... vielleicht werd ich langsam alt.

  • Nighthawk, deine Argumente haben mich wohl überzeugt, wenngleich noch dahingehend leise Zweifel bleiben, ob die Schüler nicht - meist ohne Wissen der Eltern, öfter aber auf jeden Fall - ohne jeden "pädagogischen Schutz" durch Gespräche - völlig unreflektiert solche Filme im Privatbereich anschauen.
    Klar geht uns das nichts an, nur: Werden wir unserem pädagogischem Auftrag wirklich voll gerecht, wenn wir Medieneinflüsse, die wir für schlecht halten, einfach ausklammern und unsere Hände in Unschuld waschen?


    Ich will diesen Aspekt nur mal ganz vorsichtig zur Diskussion stellen, bitte nicht gleich, wie ich es hier schon erlebt habe, die Worte im Munde umdrehen und auf radikale Behauptungen reagieren, die so nicht gestellt wurden.


    Ich will also keinesfalls zwecks Abschreckung ohne Rücksicht auf Alter der Schüler die "schlimmsten" Filme anschauen und thematisieren, ich will aber auch nicht, dass sich die Schule in eine Art "Medienwolkenkuckucksheim" zurückzieht, nur um ja nichts auch nur ansatzweise Unbedenkliches zu zeigen!


    Zitat

    vielleicht werd ich langsam alt.


    Tja, mit meinen erst 59 3/4 Jahren hab ich halt noch nicht so viel Erfahrungen und hänge wohl zu modernen Ideen an!

    • Offizieller Beitrag

    Gerade weil die Schüler im privaten Bereich und evtl. auch mit Duldung der Eltern Dinge tun, die nicht gut sind für sie, sollten wir als Lehrer unseren Erziehungsauftrag ernst nehmen und mit gutem Beispiel vorangehen.


    Z.B. trinken von Alkohol: gewiss gibt es auch relativ junge Schüler, die mit Billigung der Eltern mal ein Glas Sekt oder Bier trinken. Und x Schüler gibt es, die ohne Billigung der Eltern sich geradewegs zulaufen lassen.


    Natürlich sollte so ein Verhalten auch im Unterricht an passender Stelle behandelt werden. Aber trinkst du als Lehrer deshalb mit den Schülern ???


    (sorry, ich weiß, jeder Vergleich hinkt irgendwo :D :D)

  • das mit dem guten Beispiel ist ja schon ganz ok, vielleicht ist es auch nur mein Gefühl, vielleicht aber auch mehr, mir kommt das irgendwie wie eine Art "Alibi-Funktion" vor.


    Bewusst überspitzt: Ich weiß ja, ihr schaut auch schreckliche Filme an, aber hier in der Schule verhalten wir uns mustergültig und schauen nur "Heidi".


    Worauf ich hinauswill, ist, eine Art Pädagogik der Ehrlichkeit, ohne die die Vorbildwirkung für mich fraglich ist. Bleibe ich beim Beispiel Alkohol.


    Ich habe mit meinen Schülern schon viele Klassenfahrten unternommen, und dabei auch im Hinblick auf Alkoholerlaubnis Entscheidugen getroffen, die ich heute anders treffen würde (die Gesetzeslage war anders, auch ich selbst bewegte mich am Rande eines Alkoholproblems).


    Ob die Schüler ohne die "Fehlentscheidungen" mehr oder weniger getrunken hätten, während der Fahrten ist müßige Spekulation, auf jeden Fall habe ich mich nie grundsätzlich hinter einer Schablone des Vorbilds verschanzt, sondern eine überlegte Auseinandersetzung gesucht.


    Ein Beispiel: Als ich selbst soweit war, im Jahr vielleicht insgesamt noch knapp 1,0 Promille zusammenzubringen, also praktisch Antialkoholiker, habe ich nach totalem Alkoholverbot und keinerlei Beweise für Nichteinhaltung den Schülern an der Grenze erlaubt, beim Mittagsaufenthalt ein alkoholisches Getränk zu sich zu nehmen. Antwort der Klassensprecher:
    "Nur, wenn Sie auch eines trinken!"


    Beispiele treffen nicht, Vergleiche hinken. Also bitte: Grundsatzdiskussion darüber, was von einer pädagogischen Idee zu halten ist, die eine Vorbildwirkung nur in Verbindung mit ehrlicher Anerkennung menschlicher Schwächen für wertvoll anerkennt!

  • Werden wir unserem pädagogischem Auftrag wirklich voll gerecht, wenn wir Medieneinflüsse, die wir für schlecht halten, einfach ausklammern und unsere Hände in Unschuld waschen?


    Gute Frage ... in Anbetracht der "Killerspieldiskussion" wohl auch hochaktuell.


    Nein, wir können natürlich nicht heile Welt spielen. Es gibt aber nicht nur "entweder" und "oder", sondern eine sehr große Grauzone dazwischen.


    Dass viele Kinder Filme sehen, die sie nicht sehen sollen, ist unbestritten. Dass manche Kinder sie sogar mit elterlicher Erlaubnis sehen, macht das Ganze nicht unbedingt besser.
    Von daher ... wäre die Schule wohl ein Ort, an dem Kinder den Umgang und die richtige Verarbeitung solcher Filme "lernen" könnten ... aber ... haben WIR (also die Schule) die Zeit, die Möglichkeiten und die Ausbildung dazu? Von der rechtlichen Grundlage nun doch mal abgesehen ...


    Wenn ich den Kindern kritischen Umgang mit Medien beibringen möchte, muss ich wohl zeigen, wieso und gegen was man kritisch sein soll.
    In meinr 5. Klasse wäre es wohl so, dass ein Teil - schätze mal so 30 oder 40% - einen entsprechenden Film (meinetwegen Troja) kennen würden, die anderen 60/70% nicht. Wenn ich sowas also thematisieren will, müsste ich den Film also mit der Klasse anschauen, damit alle mitreden können. Aber schon die Tatsache, dass ihn 70% nicht kennen zeigt möglicherweise unter anderem:
    - dass die Eltern den Film wohl nicht unbedingt als geeignet empfinden
    - dass der Film viele Kinder in dem Alter vielleicht gar nicht interessiert, sie vielleicht selber fühlen, dass der noch nichts für sie ist (dann würde die Konfrontation mit einem solchen Film doch Probleme schaffen, die vorher gar nicht da waren).
    Ja nach Ort der Schule und Schulform mögen die Zahlen anders liegen ...


    Dazu kommt, dass ich - wenn Medienerziehung mein Anliegen ist - auch eine Lernkurve habe ... ich schmeiß einen Nichtschwimmer auch nicht gleich ins Springerbecken, wo das Wasser 4m tief ist.
    Wenn ich einem Kind das Reiten beibringe, setze ich es nicht auf einen kaum zugerittenen Hengst.
    Wenn ich einem Kind der 5. Klasse Medienkritik vermitteln möchte, gibt es - meiner Meinung nach - passendere Ansätze als Troja. Man könnte ja noch drüber reden, ob der eine oder andere Ausschnitt evtl. ok wäre - aber so einen Film ganz anschauen?


    Es gibt auch in altersgemäßen Filmen wohl genügend Szenen (egal welcher Art: Liebe, Gewalt usw), die man thematisieren kann. Wie schon gesagt, die FSK Angaben erscheinen mir da manchmal nicht ganz nachvollziehbar, deswegen schau ich mir alle Filme erstmal privat an.


    Edit: vielleicht werd ich ja im Alter wieder risikofreudiger ;)
    Über Erfahrung wollte ich mit der Bemerkung übrigens wirklich keine Aussage machen. Mir ging's eher so, dass ich langsam feststelle, dass ich manche Vorlieben/Einstellungen von Jugendlichen nicht mehr ganz nachvollziehen kann und ich dachte, dass Du evtl. eben zu einer "neuen" Generation von Lehrern gehörst, die vielleicht die Dinge eben anders und nicht so starr sehen, wie ich möglicherweise (wobei mir bisher noch nicht aufgefallen wäre, dass ich so weit weg wäre von den jüngeren Kolleginnen/Kollegen, aber alles fängt ja irgendwann mal an). Naja, da lag ich eben daneben.

  • Hallo Kollege Nighthawk,


    wenn ich deinen letzten Absatz richtig verstanden habe, werte ich ihn als eines der größten Komplimente, die ich je bezüglich meiner Einstellung bekommen habe!


    Mir ist anhand deiner Argumentation auch klar geworden, dass ich mit dem Film in der von mir gewählten Form wohl über ein Ziel hinausgeschossen bin, aber aus Fehlern lernt man und ich bin noch lernfähig.


    Auf jeden Fall freut es mich mehr, mit einer gewissen Skepsis als ein Angehöriger einer neuen, vielleicht modernen, Lehrergeneration betrachtet zu werden, als als verknöcherter Lehrer, der nur auf seine Pension wartet.


    Klar kann ich meinen Schülern durch keinerlei Thesen und Meinungen vorspielen, dass ich ein junger, dynamischer, vielleicht revolutionär denkender Lehrer bin ;(, die grauen Haare und so würden mich Lügen strafen, aber
    ich denk mal, meine Idee ist hier rübergekommen und vielleicht geht die Diskussion weiter.


    Das Wichtigste ist, glaub ich, dass kein Lehrer vergessen sollte, dass er selbst Schüler war, egal, wie lange das her ist.

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