Jahresarbeitszeitmodell in NRW

  • Das haut aber nur hin, wenn ein Arbeitszeitmodell tatsächlich zur Entlastung führen würde. Die Erfahrungen aus Hamburg haben aber ergeben, dass alle Lehrer im Schnitt 2 Std. mehr zu arbeiten hatten als vor Einführung des AZM. http://www.hvoss.com/Lehrerarbeitszeit/AZM.pdf (siehe Folie 25 der PPP) Was den Verdacht, unter dem Vorwand der Gerechtigkeit ein Sparmodell zu installieren, bestätigt.
    Vielleicht darf ich -vor allem die jüngeren KollegInnen- daran erinnern, dass es einst ein sehr bewährtes Instrument gab, besondere Belastungen z.B. durch Korrekturfächer auszugleichen, das waren eine deutlich höhere Zahl von Verfügungsstunden, die schulintern vergeben werden konnten.

  • Diskussionswürdig sollte doch nur oder zumindest in erster Linie das sein, was uns Entlastung im Alltag bringt ... Dass dies beim Arbeitszeitmodell nicht der Fall ist, haben die Hamburger doch deutlich gemacht.
    Wie wird denn Unterrichtszeit und Systemzeit gemessen? Bekomme ich bei der Unterrichtszeit in einer stark pubertierenden, unerzogenenen und ungezogenen Klasse 8 irgendwelche Boni im Vergleich zu Kollegen, die im Jahrgang 5 alle Probleme mit Ringelpietzspielchen überdecken (und damit den Grundstein für das Chaos in 7 und 8 legen?)
    Dass solche Diskussionen und Entscheidungen letzlich in die Hand der Kollegien gelegt werden sollen, finde ich außerdem atmosphärisch sehr bedenklich...
    Aber das ist nur meine Meinung.
    LG,
    Peselino

  • Zitat

    Original von kleiner gruener frosch


    Und damit sind wir beim Problem. Ein Sport- und Kunstlehrer (um bei dem Beispiel zu bleiben), kann doch zu Hause in seine Arbeitszeitübersicht "eintragen", dass er 3 Stunden lang ein Bild gezeichnet hat, um es am nächsten Tag den Kindern vorzuführen. Oder ein Sportlehrer schreibt auf, dass er 7 Stunden unterwegs war, um einen Kletterpark auszuprobieren, obwohl er sich nur via Internet informiert hat. Wie will man das kontrollieren, wenn man nicht einen festen Arbeitsplatz mit Stechuhr vorschreibt?


    Lass diese Art der Argumentation mal nicht deine Schüler lesen! Dann sagen die demnächst, sie hätten für die 15 Vokabeln drei Stunden gebraucht, danach hätten sie keine Zeit mehr für weitere Hausaufgaben gehabt.


    Der eine lernt die Vokabeln in 7 Minuten, der andere in 12 und noch ein anderer in 15 Minuten. Wenn ich die Zeit meiner Schüler für Hausaufgaben überschlage - jeder verantwortliche Klassenlehrer muss das tun! - dann gehe ich von einem realistischen Mittelwert aus. Wenn wir das Zeitvolumen für unsere Tätigkeiten und die unserer Schüler nicht mehr einschätzen könnten, könnten wir unseren Beruf an den Nagel hängen. Wir könnten keinen Unterricht planen, weil wir ja nicht wissen, wie lange die Schüler für die Lösung einer Aufgabe brauchen. Wir könnten keine Klassenarbeiten planen, weil es ja sein kann, dass die Schüler den Stoff nur halb verstanden haben usw.. Aber wir sind alle von einem Zeitkorsett umgeben und müssen in begrenzter Zeit klar beschriebene Aufgaben erledigen. So etwas lernt man übrigens schon in der Referendarzeit. Man sollte es zumindest, sonst werden die Fachleiter sauer!


    Ich möchte von meinem Arbeitgeber wissen, wieviel Zeit er mir für die Bewältigung bestimmter Aufgaben zugesteht, denn davon hängt auch die Qualität der zu leistenden Arbeit ab.


    Ich sehe es als Ausbeutung an, wenn mein Arbeitgeber mir 20 Minuten Zeit für die Korrektur einer Oberstufenklausur zugesteht, für die man in der Regel 45-60 Minuten benötigt. Doch so weit sind wir noch gar nicht! Im Moment gesteht mir mein Arbeitgeber überhaupt keine Zeit dafür zu: Ich muss also bei meiner Stundenvorbereitung "sparen" und regelmäßig in meine Freizeit "ausweichen", in der andere sich oder ihre Hobbys pflegen!

  • Arbeitszeitmodell - Ein Praxisbeispiel:


    Nächste Woche ist Lernstand Deutsch, als FakoVorsitzende fange ich an die an unserer Schule gängige Praxis umzusetzten, alle Deutschkollegen werden ab der 5. Std. freigesetzt und korrigieren gemeinsam. Also der Unterricht, der bei jedem Kollegen ausfällt wird abgezogen, weil nicht gehalten. Statt dessen suche ich - mal wieder - die Jaz-Broschüre, die mir sagt, wie viel Stunden die Kollegen für die Korrektur gutgeschrieben bekommen: pro Klasse 8 Std. für die Korrektur. Hm, kann ja nicht sein. 8 Std. sind 480 Min. bei ca. 30 Schülern je Klasse heißt das wir haben 16 Min pro Arbeit und da sind Korrektur und Eingabe drin. ?( Herzlichen Glückwunsch, der Aufstand ist vorprogrammiert, weil 16 Min. total unrealistisch ist.
    Jetzt habe ich zwei Möglichkeiten: 1. Ich erkundige mich nach welchem Standard wir in 16 Min. korrigieren und das Ergebnis eingeben sollen. Oder 2. Ich versuch mal, ob ich nicht noch ein paar Extrastunden bekommen kann, keine Ahnung, woher die kommen könnten, außerdem ist es blöd, dass ich die Aufgaben nicht kenne und folglich den Arbeitsaufwand nicht exakt einschätzen kann. Egal. Ich entscheide mich für 2. und mache mich auf die Suche nach dem entsprechenden Formular, fülle es aus, mache für morgen einen Termin beim Schulleiter und trete in die Verhandlungen ein. Mal gucken, was rauskommt.


    Die Zeit, die ich fürs System Arbeitszeitmodell investiere, bekomme ich im übrigen nirgendwo wieder, das ist auch weiterhin mein Privatvergnügen.

    There is a difference between knowing the path and walking the path. (Matrix)

  • Kiray:


    Die Entlastung gab es doch nur ganz am Anfang der Lernstandserhebungen? Oder sehe ich das falsch? Da haben wir Unterricht "abgehängt", gemeinsam korrigiert - Austauschgespräche geführt - es war ein erstes Einarbeiten in solche Korrekturmaßnahmen und die Korrekturvorgaben waren zum Teil sehr uneindeutig.


    Wir bekommen nichts. Doch, wir schreiben eine Arbeit weniger, haben da also Korrekturzeit "über". Und die letzte LSE war so schnell zu korrigieren, dass ich davon geträumt habe, nur noch solche Arbeiten zu schreiben. Selbst Mathe war arbeitsaufwendiger. Im Jahr davor war Deutsch aber wohl eine Katastrophe.

  • Zitat

    Original von Boeing
    Kiray:


    Die Entlastung gab es doch nur ganz am Anfang der Lernstandserhebungen?


    Ja, aber hier gehts jetzt um die Praxis im Jaz-Modell, da wird Arbeitszeit gezählt und wir schreiben den Lernstand als zusätzliche Arbeit, also zusätzliche zeitliche Belastung.

    There is a difference between knowing the path and walking the path. (Matrix)

  • Also, ich denke, dass in einem JAZ-Modell die Chance liegt, Zeit für Arbeit zu veranschlagen und Arbeit damit sichtbar zu machen. Es ist völlig klar, dass hier keine absolute Gerechtigkeit hergestellt werden kann, aber immerhin - und da finde ich neleabels Ausführungen sehr überzeugend - werden jetzt einmal Werte für bestimmte Tätigkeiten festgelegt, auf deren Grundlage man verhandeln kann. Besser ich bekomme 16 Minuten für eine Mappe der Lernstandserhebung als gar keine Zeit! Noch einmal: Das Deputatsmodell ist die reine Willkür!

Werbung