GU - Schule

  • Hallo, wir sollen GU-Schule werden, so hat es sich zumindestens die Schulaufsicht überlegt, um bei zurückgehenden Schülerzahlen unseren Standort zu sichern. Außerdem bietet im näheren Umfeld keine weitere Grundschule dieses Angebot. Ich versuche nun, mir eine Meinung zu bilden. Begeistert bin ich von der Idee zugegebenermaßen nicht. GU habe ich an einer anderen Schule schon zwei mal erlebt. Da hatte ich jeweils eine Schülerin mit Förderschwerpunkt Lernen in der Klasse und dann 3 Stunden wöchentlich eine Kollegin von der Förderschule in meiner Klasse. Das war der berühmte "Tropfen auf den heißen Stein" und ich habe mich über weite Strecken sehr allein gelassen gefühlt. Ich weiß natürlich nicht genau was auf uns zukommt. In meiner Stadt wird nun eher das Konzept gefahren, viele GU- Kinder an ausgewählten Schulen zu sammeln und dann entsprechend mehr Stunden in Doppelbesetzung, bzw. einen Sonderpädagogen im Haus zu haben. Ich bin hin und her gerissen. Natürlich ist ein gemeinsamer Unterricht für manche Kinder eine Chance. Leider ist die Integration wie sie meist betrieben wird (aus meiner Sicht) ein Sparmodell. Ich weiß nicht, ob ich noch ein Päckchen tragen kann.
    Kann eine Schule überhaupt ablehnen, GU Schule zu werden? Wer entscheidet das? Ich möchte mich zumindestens schlau machen. Demnächst kommt der Schulrat zu Besuch um uns "einzunorden".
    Wie seht ihr das? Gibt es bei euch diese Diskussionen auch?

  • Hallo!


    Dein Beitrag ist ja nun schon etwas länger her! Habe gerade das gleiche "Problem". Schulleitung und Aufsicht wollen Gu-Schule aus uns machen. Steht anscheinend schon fest, ohne uns gefragt zu haben. Gleiche Begründung: zu wenig Schulanmeldungen- "eventuell" steht Schulschließung an. Scheint übliche Praxis zu sein Schulen die "eh schon keine andere Wahl haben, das aufs Auge zu drücken".
    Vieleicht habt ihr ja nun inzwischen ein paar Erfahrungen damit GU-Schule zu sein!? Bekommt man damit wirklich mehr/genügend Schüler? Und wie läuft das bei euch so? Welche Erfahrungen gibt es bei euch?
    Wir werden wahrscheinlich, so wie es auch jetzt gelaufen ist, ins kalte Wasser geworfen.
    Schade das man als Kollegium nicht einbezogen wird und auch das wie immer kein Konzept und nicht genügend Gelder, Personal bereit gestellt werden - das soll pädagogischer Fortschritt sein! Kein Wunder das jeder Respekt vor der kommenden Inklusion bekommt!

  • Das Thema ist bei uns auch noch brandaktuell. Bis Ostern sollen wir im Kollegium zu einer Abstimmung kommen. Immerhin hat der Schulrat verkündet, es hätte keinen Zweck uns gegen den Willen und die Bereitschaft des Kollegiums zur GU Schule zu machen. Im Kollegium sind wir nicht einig was wir tun sollen. ?(
    Ich persönlich würde lieber die "normale", auf alle zukommende Inklusion abwarten. GU in der aktuell praktizierten Form ist auch nur ein Sparmodell. Schulrat und Schulleitung drängen jedoch zur GU-Schule zum kommenden Schuljahr. Mal sehn, was die Abstimmung ergibt und ob unsere ablehnende Entscheidung gegebenfalls respektiert wird.

  • Hi!


    Das hat sich ja bei euch ganz schön hingezogen! Aber wenn ihr zumindest abstimmen sollt, gibt es vieleicht eine Chance da wieder raus zu kommen!? Habt ihr dem Schulleiter oder dem Schulrat denn signalisiert, dass ihr dagegen seid? Oder warum dürft ihr überhaupt abstimmen? Unser Schulleiter hat uns "aufgeklärt" jede Schule sei GU-Schule. Das Schulamt hätte ihm das vorgeschlagen wegen der schlechten Anmeldezahlen und nun wären wir eben GU Schule, da gäbe es auch nichts abzustimmen (man würde die Veränderung eh kaum bemerken HA,HA,HA).
    Seid ihr denn mehrheitlich dagegen? Bin jedenfalls sehr gespannt wie es bei euch weitergeht! Wir sind ratlos und auch sprachlos!
    :(

  • Wie wird denn eine Grundschule zur GU-Schule? Per Mausklick oder Anordnung des Schulrats oder weil's jetzt alle machen oder als Rezept gegen zurückgehende Schülerzahlen?
    GU ist die Abkürzung für gemeinsamen Unterricht. Für SchülerInnen mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf. Sie werden als von LehrerInnnen ohne und (zeitweise) mit sonderpädagogischer Ausbildung unterrichtet. Das macht keinen Sinn, wenn ein/e SonderpädagogIn pro Woche mal eben so für 2 Stündchen vorbeischaut, dazu gab es hier schon verschiedene Foren.
    Wenn Ihr also mit der Frage konfrontiert werdet, GU-Schule werden zu "wollen" ("müssen" macht ja wohl überhaupt keinen Sinn), fragt nach den Bedingungen, unter denen GU gelingen kann/soll. Zum Nulltarif gibt's ihn nicht, dazu gehören sächliche und personelle Ressourcen als Voraussetzung. Alles andere wäre Etikettenschwindel.

  • Zitat

    Original von rudolf49
    Zum Nulltarif gibt's ihn nicht, dazu gehören sächliche und personelle Ressourcen als Voraussetzung. Alles andere wäre Etikettenschwindel.


    Natürlich ist es ein Sparmodell. Vernünftige sächliche und personelle Ressourcen sind nicht in Sicht.


    Hilfe: Der Schulrat war zu einem Gespräch in der Schule. Natürlich kann vom Schulamt bestimmt werden, dass wir GU Schule werden sollen. Immerhin hat unser Schulrat die Meinung geäußert, es wäre nicht sehr erfolgsversprechend, wenn man uns unter Zwang zur GU Schule macht. Deshalb sollen wir uns gedanklich mit der Thematik beschäftigen und mit Blick auf das nächste Schuljahr eine Entscheidung treffen.
    Im Kollegium gibt es auch Stimmen pro GU Schule. Natürlich möchte eigentlich jeder von uns möglichst vielen Kindern ein gemeinsames Lernen und den Besuch der Regelschule ermöglichen. Wiir wissen jedoch, wie wenig Unterstützung wir vermutlich bekommen werden. Eigentlich bin ich doch jetzt schon am Limit und weiß oft nicht wie ich allen gerecht werden soll. Ich weiß einfach nicht, ob ich die Kraft habe auch dieses Päckchen noch zu bewältigen. Sich das schön zu reden hat keinen Zweck. Selbst das Argument mit den Schülerzahlen darf bei dieser Entscheidung nicht ausschlaggebend sein. Ich habe schließlich auch den "Regelschülern" gegenüber eine Verantwortung.
    Unsere Schulleitung geht davon aus, dass es für uns ein Vorteil ist, jetzt noch GU Schule nach altem Modell zu werden, bevor im Rahmen der Inklusion ohnehin jede Schule behinderte Kinder aufnehmen muss. Ich würde die weitere Entwicklung gerne abwarten.
    Ich berichte wie es bei uns weiter geht und bin gespannt was bei euch so passiert.

  • Hallo,
    ich arbeite seit 1979 als Sonderschullehrerin. In den letzten 20 Jahren an Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen. Meine Schule ist in NRW, eine Schule mit sehr guten Erfolgen bei der beruflichen Integration unserer Schüler. Seit Jahren arbeiten wir in Kooperation mit einer Hauptschule zusammen. Es wird Förderdiagnostik durchgeführt und in interativen Lerngruppen gearbeitet, Rücküberweisungen, bei Aussicht auf Erfolg, finden ebenfalls statt. Nun wird auch in unserem Land die Inclusion vorangetrieben.Grundsätzlich finde ich den Gedanken der gemeinsamen Beschulung, speziell für Schüler mit dem Förderschwerpunkt Lernen, sehr gut. Allerdings nur, wenn die Bedingungen stimmen. Ich erfahre es im Moment so, dass hier auf Biegen oder Brechen der zweite vor dem ersten Schritt gemacht wird. Erst schicken wir mal die Kinder ins Regelschullsytem: ohne Konzept, ohne rechtliche Absicherung der Kollegen,ohne die entsprechende Fortbildung der Kolleginnen und Kollegen im “Normalschulsystem”, mit einigen Stündchen der Sonderschullehrer. Die Realität sieht so aus, dass es keine vernünftigen räumlichen, materiellen und personellen Voraussetzungen gibt, um die betroffenen Kinder angemessen zu fördern. Da sitzen geistig behinderte Kinder, die eigentlich im lebenspraktischen Bereich gefördert werden müssten, in einer Grundschulklasse und malen den ganzen Tag Hohlbuchstaben oder Zahlen nach, weil die erforderlichen Therapie- und Unterrichtsräume gar nicht vorhanden sind und die Sonderschullehrer nur gelegentlich für sie da sind. Ist das individuelle Förderung? Hyperaktive, lernschwache Kinder, die enorm den Unterricht stören, bringen die Grundschulkollegen an den Rand der Belastbarkeit. Die gelegenliche Anwesenheit der Förderschulkollegen bringt nur wenig Hilfe. Gefördert wird in dunklen, fensterlosen Räumen oder auf dem Flur, weil keine Förderräume vorhanden sind. Der Erziehungsauftrag unseres Berufes bleibt hier vollkommen auf der Strecke. Die Erfolge unserer Arbeit beruhen zum großen Teil auf unserer erzieherischen Bemühungen in Kooperation mit vielen anderen Instiutionen. Wie kann ich im integrativen Unterricht Talente und Stärken fördern? Viele unserer Schüler sind bei uns regelrecht aufgeblüht, haben Verantwortung übernommen, sind viel selbstbewusster geworden. Sie wären im “Normalschulsystem” durch Netz gefallen. Inclusion ja, aber nicht zum Nulltarif und nicht auf Kosten der Städte und Gemeinden. Erst die Voraussetzungen schaffen und dann erst das Schulsystem verändern. Dann gibt es da noch eine andere Seite der Medaille. Was mutet man hier den Sonderschullehrern, spezielle auf dem Lande, zu? Fahrt schön mit dem eigenen PKW zum “Includieren”, auch in 30km entfernte Orte. Wenn ihr einen Unfall auf dem Weg dahin habt, dann müsst ihr die Kosten, die dadurch entstehen selbst tragen. Ihr könnt euch aber auch auf eigen Kosten dagegen versichern. Die Fahrtzeit wird euch natürlich nicht als Arbeitszeit angerechnet. Das könnt ihr schön in euren Pausen beim Pendeln zwischen der Stamm- und Inculsionsschule verbringen. Pausen braucht ihr ja nicht, ihr könnt euch ja beim Fahren erholen. Alle diese Probleme sind vorhanden und nicht geregelt. Da gibt es einen neuen Studiengang ” Entwicklung und Inclusion” an der Uni Siegen. Angedachte Arbeitsorte sind u.A. Grund- und Hauptschulen.Werden wir und unser KNOW HOW überfüssig? Machen die anderen, neuen Kollegen, die Arbeit zu einem kleineren Gehalt? Das Problem der Diskriminierung ist bei Förderschülern zweifellos vorhanden. Wird sie aber durch Inclusion abgeschafft? Werden diese Schüler nicht auch hier vielleicht noch mehr ausgegrenzt? Wird diesen Schülern auch so eine hervorragende Berufsvorbereitung angeboten?


    Alle diese Probleme gehen mir in letzter Zeit oft durch den Kopf. Ich sehe unser Kollegium, dass zum Wohl der Kinder unserer Schule, den Spagat vollbringt, die Standards an unsere Schule zu halten und gleichzeitig, die von oben verordnete Inclusion zu verwirklichen. Das bedeutet Konzepte entwicklen, das keine vorhanden, an beiden Schulen an Konferenzen und Teambesprechungen teilnehmen, für Material zu sorgen usw. Ausgeschriebene Stellen für Sonderschullehrer bleiben unbesetzt, weil keine Kollegen auf dem “Markt” sind. Seiteneinsteiger werden eingestellt, die weder testen noch abgeordnet werden dürfen.Sie können studieren,ja, aber auf Kosten des Stundenkontingents der Schule. Leider wird im Moment kein Aufbaustudium an den UNis durchgeführt. Also wieder nichts.Unser enorm hohes Engagemant bekommt langsam Risse, weil die Vielfalt der Aufgaben eigentlich nicht zu bewältigen ist, wenn man seinen Beruf liebt und ernst nimmt.


    Inclusion zum Nulltarif ist nicht zu haben. Sie kostet viel, viel Geld und benötigt viel Personal. Warum besetzt man nicht alle Klassen mit Förderschullehrern doppelt, schafft die benötigten räumlichen Voraussetzungen, baut Barrieren ab, bildet entsprechend aus und fort? Das alles in Kooperation und unter Einbeziehung des NOW HOWS der Förderschullehrer. Dann wäre der Traum von Inclusion vielleicht machbar. Sicher nicht von heute auf morgen, aber auf lange Sicht vielleicht. Was hier im Moment statt findet ist reine Augenwischerei, die keinem etwas nützt: Nicht den Kindern mit Förderbedarf, nicht den “Normalschülern”, die auch ein Recht auf Bildung und Förderung haben. Bildung ist teuer und muss sich nicht im wirtschaflichen Sinne rechnen.

Werbung