Wird es in NRW auch in Zukunft Förderschulen geben?

  • meine -schwammige- info ist auch, dass die förderschulen langfristig aufgelöst werden sollen. es sollen dann kompetenz-zentren entstehen. heißt in grün, dass die kollegen dieser schulen nur noch im auto sitzen und von einer schule zur anderen in ihrem zugeteilten gebiet fahren, um dort zu fördern - 2 stunden pro woche pro schüler. (wie gesagt, ganz sicher bin ich mir auch nicht...)


    zu langsam, matthias war schneller.

  • Ich denke, auch in NRW werden die Schulen für Geistig- und Körperbehinderte nicht zu 100% abgeschafft werden können. Auch wird dies bei den Seh- und Hörgeschädigten sehr schwierig sein. Man sieht ja auch bei den sogenannten Vorzeigeländern in puncto Integration/Inklusion, dass dort nicht 100% aller SuS mit sonderpädagogischem Förderbedarf allgemeine Schulen besuchen.


    Die Anzahl der Sonderschullehrerstunden pro Schüler wird sicherlich von der Behinderungsform abhängig sein, vermute ich? Zwei Stunden werden in vielen Bundesländern pro S-, L- und E-Schüler angerechnet, bei G- oder K-Schülern sind es in der Regel mehr. Auch gibt es ja Konzepte, bei denen mehrere SuS mit Förderbedarf in einer Integrationsklasse unterrichtet werden, so dass sich die Stunden der Sonderpädagogen addieren und man längere Zeiten Doppelbesetzung hat.


    Aber das sind nur allgemeine Gedanken hierzu. Ich komme nicht aus NRW und weiß nicht, was dort konkret geplant ist.

  • Plattenspieler
    Nur um da etwas mehr Realität in deine Aussage zu bringen (wobei ich konkret nur für Niedersachsen sprechen kann):
    Die Anzahl der Förderschullehrerstunden errechnet sich nach Klasse und liegt bei 2 Stunden pro Klasse! Da ist es auch egal ob da 1, 2 oder 5 Schüler mit Förderbedarf drin sind und auch ob verschiedene Beeinträchtigungen zusammentreffen. Das macht es selbst an großen Grundschulen schwer durch eine Bündelung Integrationklassen einzurichten. Allerdings bekommt man für ein Kind mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung 5 Stunden (und dann tatsächlich pro Kind).
    MfG
    Cyan


    Sorry, mir gefällt irgendwie meine Formulierung im letzten Satz nicht, das klingt irgendwie so marktwirtschaftlich ("man bekommt pro Kind...soundso viel...") aber ich weiß nicht wie ich es anders verpacken soll!

  • Hallo,
    ich arbeite seit 1979 als Sonderschullehrerin. In den letzten 20 Jahren an Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen. Meine Schule ist in NRW, eine Schule mit sehr guten Erfolgen bei der beruflichen Integration unserer Schüler. Seit Jahren arbeiten wir in Kooperation mit einer Hauptschule zusammen. Es wird Förderdiagnostik durchgeführt und in interativen Lerngruppen gearbeitet, Rücküberweisungen, bei Aussicht auf Erfolg, finden ebenfalls statt. Nun wird auch in unserem Land die Inclusion vorangetrieben.Grundsätzlich finde ich den Gedanken der gemeinsamen Beschulung, speziell für Schüler mit dem Förderschwerpunkt Lernen, sehr gut. Allerdings nur, wenn die Bedingungen stimmen. Ich erfahre es im Moment so, dass hier auf Biegen oder Brechen der zweite vor dem ersten Schritt gemacht wird. Erst schicken wir mal die Kinder ins Regelschullsytem: ohne Konzept, ohne rechtliche Absicherung der Kollegen,ohne die entsprechende Fortbildung der Kolleginnen und Kollegen im “Normalschulsystem”, mit einigen Stündchen der Sonderschullehrer. Die Realität sieht so aus, dass es keine vernünftigen räumlichen, materiellen und personellen Voraussetzungen gibt, um die betroffenen Kinder angemessen zu fördern. Da sitzen geistig behinderte Kinder, die eigentlich im lebenspraktischen Bereich gefördert werden müssten, in einer Grundschulklasse und malen den ganzen Tag Hohlbuchstaben oder Zahlen nach, weil die erforderlichen Therapie- und Unterrichtsräume gar nicht vorhanden sind und die Sonderschullehrer nur gelegentlich für sie da sind. Ist das individuelle Förderung? Hyperaktive, lernschwache Kinder, die enorm den Unterricht stören, bringen die Grundschulkollegen an den Rand der Belastbarkeit. Die gelegenliche Anwesenheit der Förderschulkollegen bringt nur wenig Hilfe. Gefördert wird in dunklen, fensterlosen Räumen oder auf dem Flur, weil keine Förderräume vorhanden sind. Der Erziehungsauftrag unseres Berufes bleibt hier vollkommen auf der Strecke. Die Erfolge unserer Arbeit beruhen zum großen Teil auf unserer erzieherischen Bemühungen in Kooperation mit vielen anderen Instiutionen. Wie kann ich im integrativen Unterricht Talente und Stärken fördern? Viele unserer Schüler sind bei uns regelrecht aufgeblüht, haben Verantwortung übernommen, sind viel selbstbewusster geworden. Sie wären im “Normalschulsystem” durch Netz gefallen. Inclusion ja, aber nicht zum Nulltarif und nicht auf Kosten der Städte und Gemeinden. Erst die Voraussetzungen schaffen und dann erst das Schulsystem verändern. Dann gibt es da noch eine andere Seite der Medaille. Was mutet man hier den Sonderschullehrern, spezielle auf dem Lande, zu? Fahrt schön mit dem eigenen PKW zum “Includieren”, auch in 30km entfernte Orte. Wenn ihr einen Unfall auf dem Weg dahin habt, dann müsst ihr die Kosten, die dadurch entstehen selbst tragen. Ihr könnt euch aber auch auf eigen Kosten dagegen versichern. Die Fahrtzeit wird euch natürlich nicht als Arbeitszeit angerechnet. Das könnt ihr schön in euren Pausen beim Pendeln zwischen der Stamm- und Inculsionsschule verbringen. Pausen braucht ihr ja nicht, ihr könnt euch ja beim Fahren erholen. Alle diese Probleme sind vorhanden und nicht geregelt. Da gibt es einen neuen Studiengang ” Entwicklung und Inclusion” an der Uni Siegen. Angedachte Arbeitsorte sind u.A. Grund- und Hauptschulen.Werden wir und unser KNOW HOW überfüssig? Machen die anderen, neuen Kollegen, die Arbeit zu einem kleineren Gehalt? Das Problem der Diskriminierung ist bei Förderschülern zweifellos vorhanden. Wird sie aber durch Inclusion abgeschafft? Werden diese Schüler nicht auch hier vielleicht noch mehr ausgegrenzt? Wird diesen Schülern auch so eine hervorragende Berufsvorbereitung angeboten?


    Alle diese Probleme gehen mir in letzter Zeit oft durch den Kopf. Ich sehe unser Kollegium, dass zum Wohl der Kinder unserer Schule, den Spagat vollbringt, die Standards an unsere Schule zu halten und gleichzeitig, die von oben verordnete Inclusion zu verwirklichen. Das bedeutet Konzepte entwicklen, das keine vorhanden, an beiden Schulen an Konferenzen und Teambesprechungen teilnehmen, für Material zu sorgen usw. Ausgeschriebene Stellen für Sonderschullehrer bleiben unbesetzt, weil keine Kollegen auf dem “Markt” sind. Seiteneinsteiger werden eingestellt, die weder testen noch abgeordnet werden dürfen.Sie können studieren,ja, aber auf Kosten des Stundenkontingents der Schule. Leider wird im Moment kein Aufbaustudium an den UNis durchgeführt. Also wieder nichts.Unser enorm hohes Engagemant bekommt langsam Risse, weil die Vielfalt der Aufgaben eigentlich nicht zu bewältigen ist, wenn man seinen Beruf liebt und ernst nimmt.


    Inclusion zum Nulltarif ist nicht zu haben. Sie kostet viel, viel Geld und benötigt viel Personal. Warum besetzt man nicht alle Klassen mit Förderschullehrern doppelt, schafft die benötigten räumlichen Voraussetzungen, baut Barrieren ab, bildet entsprechend aus und fort? Das alles in Kooperation und unter Einbeziehung des NOW HOWS der Förderschullehrer. Dann wäre der Traum von Inclusion vielleicht machbar. Sicher nicht von heute auf morgen, aber auf lange Sicht vielleicht. Was hier im Moment statt findet ist reine Augenwischerei, die keinem etwas nützt: Nicht den Kindern mit Förderbedarf, nicht den “Normalschülern”, die auch ein Recht auf Bildung und Förderung haben. Bildung ist teuer und muss sich nicht im wirtschaflichen Sinne rechnen.


    Armes Deutschland

  • Hallo rotherstein,
    vielen Dank für deinen Beitrag. Du triffst es genau auf den Punkt und hast viele Fragen, die auch für mich nach wie vor offen sind formuliert.
    Treffender hätte ich es selbst mit sehr viel Zeitaufwand nicht schreiben können.


    Bei uns in Bayern hat die Regierung inzwischen immherhin durchblicken lassen, dass es die Förderzentren wahrscheinlich auch in Zukunft noch geben wird.
    Wo und in welcher Form und Größe wird sich aber noch zeigen.


    Im Rahmen meiner mobilen Dienste (natürlich auch mit dem privat PKW) stelle aber auch ich immer wieder fest, dass die Grundschulen auf unsere Schüler noch nicht vorbereitet sind...


    viele Grüße
    Matthias

  • Hallo Matthias,
    es wäre wohl mal endlich an der Zeit, dass wir die Öffentlichkeit und vor allen Dingen die betroffenen Eltern darüber aufklären, wie es in der Realität läuft.Ich habe schon einige Fernsehsender angemailt, mit der Bitte einen solchen Beitrag zu bringen.Natürlich nur anonym, weil sich sonst keiner traut die Wahrheit zu sagen. Leider fand ich noch kein Interesse. Ich finde, dass wir uns viel zu lange haben alles gefalllen lassen.


    Gruß
    Aniela

  • Hallo Aniela,
    ein Fernsehbeitrag ist schön und gut, allerdings verpufft seine Wirkung recht schnell.
    Ich denke nach wie vor sind die Eltern unserer Schüler (Landeselternverband o.ä), wenn sie sich wehren, die beste Möglichkeit, auf die Mißstände aufmerksam zu machen.
    Viele Eltern sehen momentan das langersehnte Ziel der gemeinsamen Beschulung in greifbarer Nähe. Man sollte die Eltern auf darüber informieren, dass sie sich eine Hintertür für die Rückkehr an die Förderzentrum offen halten sollten.
    Wenn man unsere Förderzentren tatsächlich abgeschafft oder zurechtgestutzt hat, wird es für viele Kinder evtl. keine Rückkehrmöglichkeit mehr geben...
    Sollten aber viele Eltern ein Wahlrecht fordern, selbst zu entscheiden wo und wie ihr Kind beschult werden soll, dann besteht auch weiterhin Bedarf für unsere Schulart...


    viele Grüße
    Matthias

  • Hallo Matthias,
    ich finde deine Idee super. Allerdings habe ich noch wenig Erfahrung mit der Zusammenarbeit mit sochen Verbänden. Werde mich mal erkundigen und evtl. Kontakt aufnehmen. Mal lässt ja nichts unversucht.


    Gruß
    rotherstein

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