Offene / flexible Schulanfangsphase

  • Hallo!


    Hat jemand Erfahrung mit der offenen bzw. flexiblen Schulanfangsphase (Klasse 1/2)?


    Findet ihr dieses Konzept eher gut oder eher schlecht? Wie ist es als LehrerIn, in diesen Klassen zu unterrichten? Wie kommen die Kinder damit klar?


    Freue mich über eure Berichte und Meinungen! :)

  • Keiner Erfahrung mit dem Konzept? Ich habe bisher nur jahrgangsbezogen gearbeitet.


    Jetzt stehe ich selber vor der Wahl, mein Kind in eine Schule mit offener Schulanfangsphase oder mit jahrgangsbezogenen Klassen zu schicken. Und offene/flexible Schulanfangsphase kenne ich eben nur in der Theorie bzw. von Hörensagen. Ich selber bin eher skeptisch, was das offene System angeht. Auch als Lehrer stelle ich mir das in den Klassen sehr arbeitsintensiv vor. Da frag ich mich halt, gibt sich da jeder Kollege richtig Mühe, jedes Kind zu fördern oder artet es irgendwann in Arbeitsblatt-Schlachten aus, weil man das Vorbereitungspensum anders kaum schaffen kann?
    Ist das für die Kinder nicht merkwürdig, wenn sie jedes Jahr andere Klassenkameraden haben?

  • Ich arbeite jahrgangsübergreifend und es ist toll, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Die Klassen dürfen nicht zu groß sein, häufige Doppelbesetzungen und/oder teilweise jahrgangsinterne Phase, vernünftige Räumlichkeiten (großer Klassenraum mit abgetrennten Eckchen oder Nebenraum), Kollegen, die hinter dem Konzept stehen und möglichst schon Erfahrung haben...
    Wenn die Rahmenbedingungen nicht passen, ist es Murks...

    Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann und die Weisheit, das Eine vom Anderen zu unterscheiden.

  • Ich arbeite seit Anfang des Schuljahres auch in einer 1/2. Und es stimmt nix an den schon genannten Rahmenbedingungen. Habe genau eine Stunde pro Woche in Doppelbesetzung und im Vertretungsnotfall nicht mal die.
    Obwohl ich nur eine halbe Stelle habe, werde ich nicht fertig mit der doppelten Vorbereitung. Ich finde es schwierig, den Stoff so hin und herzuschieben, dass ich mit jeder Gruppe Ruhe für Einführunsphasen habe. Und dafür wird dann eben noch ein AB kopiert, um die andere Hälfte still zu beschäftigen. Von Kindern mit Lernschwächen, GU, Disziplinproblemen will ich gar nicht reden....
    Lg von einem oft unzufriedenen
    Paulepinguin

  • Ich muss mich den Vorrednern - leider- anschließen. Ich kann dem Konzept grundsätzlich viele gute Seiten abgewinnen, aber so wie die Rahmenbedingugnen in der Realität sind, ist es schlicht eine Zumutung für alle Beteiligten... ich kämpfe mich jetzt das zweite Jahr damit ab (zum Glück auch nur mit halber Stelle, wüsste sonst echt nicht, wie ich das schaffen sollte), und es läuft jetzt auch schon besser als am Anfang, aber trotzdem ist es eher ein Sich-Durchwursteln, immer mit dem Gefühl, das ganz viel auf der Strecke bleibt. Der einzige Aspekt, den ich wirklich uneingeschränkt positiv finde ist, dass ich den schwachen Schülern von Anfang an mehr Zeit lassen kann, weil ich weiß, dass sie auch drei Jahre brauchen dürfen. Da sehe ich dann tatsächlich, dass das Schülern gut tut. Aber ansonsten... grundsätzlich schlimm finde ich, dass ich jedes Jahr wieder eine neu zusammengesetzte Klasse habe (unter diesem Aspekt fände ich soagar JÜL, also Mischung 1-3 besser) und dass man ständig gezwungen ist, diese Klasse zu teilen um irgendwie im Stoff weiter zu kommen. Dadurch ist es extrem schwierig eine gute Klassengemeinschaft aufzubauen, jedes Jahr fängt man von vorne an...
    aber zum Glück ist SaPH in Berlin ab übernächstem Schuljahr endlich freiwillig und es besteht bei uns jetzt schon Eingikeit, dass wir das unter diesen Bedingungen nicht weiter machen werden.
    Was die Schulwahl für dein Kind angeht, würde ich es aber nicht allein von diesem Punkt abhängig machen... es gibt ja auch noch viele andere Faktoren. Meine Tochter ist seit diesem Jahr auch in einer jahrgangsgemischten Klasse und es geht ihr da sehr gut. Zum einen kommt ihr das Arbeiten mit dem Wochenplan sehr entgegen (macht sie superselbständig)... das heißt es hängt auch vom Kind ab... zum anderen sind da die Rahmenbedingungen doch ein bisschen besser. Das Einzugsgebiet ist angenehmer (sprich: größerer Anteil mit Kindern, die tatsächlich auch in der Lage sind, selbständig zu lernen, weniger verhaltensaufällige Kinder) und es ist eine Ganztagsschule, wodurch die personelle Ausstattung anscheinend doch etwas besser, die Stundenplangestaltung flexibler ist und es hat tatsächlich jede Klasse einen zweiten Raum zur Verfügung (darauf bin ich echt neidich, bei uns müssen sich gerade 7 Klassen um drei Teilungsräume "kloppen", wobei einer davon der Filmraum ist und unter Umständen auch noch von anderen genutz wird....). Also guck dir die infrage kommenden Schulen einfach mal genauer an und lass dir erklären, wie die Schuleingangsphase konkret umgesetzt wird...

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Dankeschön für eure Antworten und auch für eure Ehrlichkeit!


    In der Theorie finde ich den Ansatz der offenen Schuleingangsphase auch prima. :) Aber Theorie und Praxis sind ja 2 Welten...


    OG haben beide in Frage kommenden Schulen, beide haben anprechende Räume und Beschäftigungen sowie interessante AGs. Entfernungsmäßig sind die Schulen fast gleichweit entfernt und beide fußläufig zu erreichen.


    In der Schule mit offener Eingangsphase sind pro Klasse 1/2 ca. 25-27 Kinder mit einer Lehrkraft. Ich weiß, dass die Klassen ab und an für Mathe und Deutsch aufgeteilt werden. Wie oft das ist, muss ich nochmal in Erfahrung bringen. Erfahrung mit diesem System hat die Schule seit ca. 5 Jahren. Es sind fast alles relativ junge Lehrerinnen.


    Die Schule hat einen sehr guten Ruf und weil viele Eltern das Konzept mit Klasse 1/2 so toll finden, bringen sie ihre Kinder teilweise aus entfernteren Stadtgebieten jeden Morgen extra mit dem Auto. Andererseits kenne ich auch Eltern, deren Kinder von dieser Schule weggewechselt haben, weil sie mit dem System nicht klarkamen.


    Die jahrgangsstufenbezogene Schule ist mir grundsätzlich sympathischer, manchmal hat man ja da so ein Bauchgefühl. Lehrer alle nett, kompetent und gesprächsbereit beim Infotag (ok, natürlich zeigen die dann die Schokoladenseite ;)) Es gab auch LehrER und nicht nur LehrerINNEN, was ich sehr gut finde, insbesondere für unseren Sohn. Sie arbeiten dort wohl auch viel mit offenen Methoden, aber trotz allem haben sie eben das Klassenprinzip.
    Nachteil dieser Schule: sie hat einen schlechten Ruf (wobei der eher von den Leuten kommt, die die Schule gar nicht kennen). Schlecht weil relativ hoher Ausländeranteil, angeblich niedriges Lernniveau. Darauf angesprochen meinte die SL beim Infotag, dass sie nicht mehr Ausländer hätten als andere Schulen und dass sie speziell auch Förderprogramme für die guten Schüler hätten.


    Die andere Schule ist katholisch und hat daher einen geringeren Ausländeranteil. Wobei da viele Polen und Russen sind, aber das fällt halt auf dem Schulhof und Klassenfoto nicht so ins Auge wie ein türkisches Kind.


    Tschuldigung, das ist ja ein Endlos-Roman geworden. Ich glaube, wenn man nicht gerade Grundschullehrerin ist, fällt einem die Schulwahl für die eigenen Kinder doch wesentlich leichter. Man hat einfach zu viel Hintergrundwissen. *lach*

  • Da wäre ich mir gar nicht so sicher, (dass die Entscheidung für Lehrer schwerer ist). Ich hatte im Gegenteil das Gefühl, dass ich entspannter war als viele Eltern in meinem Umfeld. Ich weiß auch nicht, vielleicht, weil mir klar ist, dass letztlich eh alle nur mit Wasser kochen und es die perfekte Schule ohnehin nicht gibt. Ich habe mir bewusst nur die Schulen angesehen, die für uns gut zu erreichen sind (drei an der Zahl), habe die dann für mich in eine Wunschreihenfolge gebracht und entsprechend den Antrag gestellt. Es wäre aber auch kein Drama gewesen, wenn das Kind an der Wunschschule keinen Platz bekommen hätte. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich selber in einer Brennpunktschule unterrichte und mir die Bedingungen an den Schulen hier im Vergleich eh alle harmloser erschienen. Und ich sehe auch an unserer Schule: trotz der widrigen Umstände kommen die Kinder gern und fühlen sich wohl bei uns, und ja: lernen tun sie auch was... (obwohl ich doch denke, dass viele mehr könnten....)
    Außerdem hatte ich nicht die Unsicherheit, die hier erstaunlich viele Eltern haben: ist mein Kind denn schon weit genug... ? Da hat man als Lehrer ja doch klarere Vorstellungen, und auch Vergleichsmöglichkeiten...
    Jedenfalls denke ich, solltest du auf dein Bauchgefühl hören! Und der Ausländeranteil (scheint ja bei euch eh eher ein "gefühlter" Wert zu sein) würde mich da nicht schrecken. Ich finde es sogar positiv, wenn Kinder nicht nur unter "ihresgleichen" aufwachsen... solange es wirklich eine Mischung ist würde ich das als Vorteil werten.

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Dankeschön für die Antwort.


    Hm, du hast recht. In Sachen Schulreife etc. mache ich mir keine großen Gedanken. Da hat man wirklich einen Vorteil. :)


    Bei der Schulwahl tun sich die Nicht-Lehrer in meinem Umfeld doch leichter. Nur das Beispiel flexible Schuleingangsphase. Eine Nachbarin ist zum Infoabend dieser Schule hingegangen. Dort hat man ihr gesagt, dass jedes Kind in seiner individuellen Zeit die ersten beiden Schuljahre durchläuft. Also findet sie es eine gute Sache. Inwiefern 1 Lehrer 27 Kindern ein individuelles Lernprogramm zusammenstellen kann, darüber denkt sie halt nicht nach.


    Ich habe mich kürzlich mit einer Erzieherin unterhalten, die ähnliche Probleme hatte, für ihre Tochter eine Kita auszuwählen. :D


    Jedenfalls tendiere ich auch sehr zu der "Bauchgefühl-Schule". ;)

  • Habe nun auch mal das Schulprogramm der Grundschule mit der flexiblen Anfangsphase untersucht. Es steht nichts dazu drin (was mich schon sehr wundert), außer ein paar Sätzen:


    "Nach wie vor stellt dabei die Unterrichtsgestaltung (in der Anfangsphase)
    immer noch einen großen Schwerpunkt unserer derzeitigen Arbeit dar.
    Hier wird in der näheren Zukunft weiterhin großes Gewicht darauf liegen, die Arbeitsökonomie
    für die beteiligten Kolleginnen in einer Weise zu gestalten, dass Synergien
    noch intensiver genutzt werden als das bisher bereits der Fall gewesen ist."


    Ich übersetze das für mich mit: "Wir sind noch dabei, am Konzept rumzutüfteln, aber selber noch nicht so ganz zufrieden. Die überarbeiteten Kollegen versuchen wir zu entlasten. " Oder wie übersetzt ihr das? ;)


    Danke euch allen auf jeden Fall nochmal! Ich denke mal, diese Aussagen im Schulprogramm geben mir den letzten Tick in Richtung der anderen Grundschule.

  • Aha.... ja , ich glaube das würde ich genauso übersetzen. Klingt ein bisschen nach sich entschuldigen, weil es noch nicht so läuft.... (finde es ehrlich gesagt etwas merkwürdig, das so ins Programm zu schreiben). Und in Anbetracht dessen, dass dir die andere Schule ja auch sonst symphatischer ist, ist das doch noch ein guter Grund mehr....
    Na dann hoffe ich mal, dass du dich jetzt entscheiden kannst... geht einem ja dann doch besser... (im Nachhinein wundert man sich eh, weshalb man sich so viele Gedanken gemacht hat)

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

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