Studienwahl - Einige Fragen

  • Hallo!


    Ich brauche euren Rat bzgl. meiner Studienwahl.


    Kurz zu meiner Ausgangssituation:
    Ich habe nach meinem Realschulabschluss eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten bei einer kleinen Gemeinde absolviert und besuche nun die Fachoberschule Klasse 12B um die Fachhochschulreife in einem Jahr zu erlangen.
    Nun neigt sich dieses Jahr dem Ende zu und ich weiß noch nicht 100%ig was ich studieren möchte.


    Ich kann mir eigentlich gut vorstellen Lehrer am Berufskolleg zu werden. Klar, dienten dazu auch meine Lehrer in der Berufsschule und jetzt in der Fachoberschule als "Vorlage". Ich erkläre anderen gerne Dinge und bin auch im Unterricht "gefragt", wenn mein Sitznachbar etwas nicht verstanden hat, danach geht zu 95% ein Licht auf ;)
    Ich denke mal, dass das gute Voraussetzungen sind.
    Weiterhin kenne ich bisher nur den öffentlichen Dienst und habe positive Erfahrungen gemacht. Die freie Wirtschaft kenne ich nicht, daher ist Lehrer natürlich auch eine gute Wahl da man im ÖD bleibt.


    Ich möchte gerne mit meiner Fachhochschulreife Lehrer werden, somit kommt Wirtschaftspädagogik in Hessen oder Niedersachsen in betracht.
    In Hessen wäre es Kassel, in Niedersachsen ist mir Oldenburg aufgefallen.
    Als erstes Fach wäre es Wirtschaft, als zweites könnte ich mir Englisch vorstellen (z.Zt. Note 1).
    Die Probleme die ich nun habe mögen einigen komisch vorkommen, aber sie plagen mich nun schon seit geraumer Zeit:


    - Beide Unis bieten jew. "of Education" an, so dass der Weg in die Schule meiner Meinung nach extrem fix ist. Andere Unis bieten ein normales Wirtschaftswissenschaftliches-Studium an und setzen dann einen WiPäd-Master, allerdings "of Science", oben drauf und werben gleichzeitig mit den Möglichkeiten der freien Wirtschaft.
    Ich würde mir gerne eine Hintertür offen lassen, daher meine Frage: Sind die "of Education" Studiengänge empfehlenswert?


    - Zukunftschancen:
    Ich würde höchstwahrscheinlich Englisch als 2. Fach wählen, da es mir Spaß macht und meine Leistungen gut sind.
    Nun habe ich die Webseiten der einzelnen Schulministerien abgeklappert und habe mal wieder Förderalismus at its best kennengelernt.
    Jedes Land hat eine andere Prognose (das leuchtet mir ja ein), aber jedes Land baut auch die Prognosen unterschiedlich auf. Niedersachsen sagt z.B. nur das im Textilbereich gar kein Bedarf mehr sein wird, während in den Pflegeberufen extrem hoher Bedarf sein wird. Das wusste ich allerdings auch schon vorher. Eine konkrete Aussage für die einzelnen Fächer wäre mir lieber.
    Mein Englischlehrer meinte, dass ich keine Angst haben sollte, denn mit Englisch würde man immer was finden, notfalls zunächst bei freien Bildungsträgern. Er meinte auch, dass er mich sofort einstellen würde, wenn er könnte, da an unserem Berufskolleg ein extremer Englisch-Lehrerbedarf herrscht.
    Wie sieht also die Chance für Wirtschaft+Englisch aus bzw. können sie als "gut" bezeichnet werden.


    - Verbeamtung:
    Die Verbeamtung zum Studienrat ist mir eigentlich schon sehr wichtig. Ich finde es halt extrem daneben, dass man mit einem Master nach E13 mit 1700€ netto nach Hause gehen darf.
    Wie sieht das in den nächsten Jahren aus?


    - und zu guter letzt Bildungsgänge:
    Wie wird man denn in den Schulen eingesetzt? Ich würde z.B. auch gern Verwaltungsfachangestellte unterrichten, vllt. in Bürgerlichem Recht o.ä., kann man sich dann melden oder wird das einfach so zugeteilt. Ist meine Berufsausbildung dafür von Vorteil?
    In Kassel gibt es auch noch Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht. Das scheint mir sehr speziell, könnte mir allerdings auch Spaß machen. Wie sieht die Zukunft für sowas aus bzw. ist das förderlich?


    Danke schon einmal im Voraus an alle die sich den langen Text angetan haben und mir antworten!


    Gruß
    Mattes

  • Hallo Mattes,


    Master of Education


    Die Bezeichnung des Grades legt dich nicht auf den Bildungsbereich fest. Wenn du fachlich dem jeweiligen Anforderungsprofil entsprichst, findest du auch geeignete Arbeitsplätze in der freien Wirtschaft (z. B. Personalabteilung, Angebote auf öffentliche Ausschreibungen u. ä.).


    Zukunftschancen


    Dazu müsste man die berühmte Glaskugel befragen, denn Prognosen sind bekanntlich dann unzuverlässig, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen :lach2:.


    Bei deinen Qualifikationen bist du in einer privilegierten Lage. Solltest du nicht in den Schuldienst übernommen werden, könntest du dich außer in der freien Wirtschaft auch auf einen Bürgermeisterposten bewerben. Verwaltungsausbildung + wirtschaftwissenschaftliches Studium sollten eigentlich genügen. Zusätzlich Beziehungen (und das richtige Parteibuch) schaden dabei nur dem, der sie nicht hat.


    Verbeamtung


    siehe Glaskugel


    Lehrereinsatz


    An welcher öffentlichen Schule du eingesetzt wird, entscheidet letztlich die Schulaufsichtsbehörde, über die Deputatsverteilung die Schulleitung. Du wirst Wünsche äußern können, die nach Möglichkeit berücksichtigt werden. Du solltest dich aber auch darauf einstellen, an der Schule eine gewisse Hackordnung vorzufinden, d. h. ältere ‚bewährte‘ Lehrer unterrichten überwiegend Wirtschaftsmathematik (schont die Stimme, leicht zum Korrigieren, gute Lösungsschlüssel zum Schulbuch), während Neuzugänge erst einmal im Berufsvorbereitungsjahr feststellen müssen, dass sie hier weniger fachlich, dafür aber um so mehr pädagogisch gefordert sind.


    Auf welches Gebiet du dich innerhalb der Wirtschaftswissenschaften im Studium spezialisert hast, interessiert später meist niemanden mehr. ‚Der gute Lehrer fragt nicht, wie das Fach heißt, sondern er unterrichtet es,‘ notfalls nach dem Motto: ‚Dem Schüler eine Stunde voraus.‘ Das erwartete der Schulleiter von mir, als ich als Referendar Textilwarenkunde und Stenografie unterrichten musste, ohne davon die geringste Ahnung zu haben.



    Wie entscheiden?


    Das ist wie bei der Dialektik: Man weiß, dass man nie zu einem Endziel gelangen kann, sondern immer nur zu neuen Ebenen, von denen aus man sich neu orientieren muss. Du bist mit deiner Berufsplanung auf einem sehr guten Weg. Nur Mut und nicht zu viele Gedanken um Details!

  • Hallo Jorge,


    vielen Dank für deine Antwort :)


    Danke auch für den Hinweis auf den Bürgermeisterposten:
    Sowas könnte ich mir tatsächlich auch vorstellen 8)
    Von A13 in den B-Bereich der Besoldungsordnung zu springen, wäre mir recht :D


    Mir haben sich aus deiner Antwort und ein paar meiner weiteren Gedanken noch ein paar Fragen, vllt. kannst du mir dabei auch noch weiterhelfen:


    Lehrereinsatz:
    Wird denn die evtl. Vorbildung (in meinem Fall die Berufsausbildung) überhaupt nicht berücksichtigt?


    Hast du Erfahrungen mit Berufsvorbereitungsjahr u.ä. Bildungsgängen?


    Zu deinen Fächern:
    Du hast WiWi + Recht + Englisch (die anderen Sprachen lasse ich mal außen vor, wobei ich das sehr beeindruckend finde) angegeben.


    Wie ist deine Belastung? Gerade Englisch ist ja nicht zu unterschätzen
    Wie fandst du Englisch im Studium? Hattest du Auslandsaufenthalte?
    Wie bist du an Recht "drangekommen"; Was für Recht unterrichtest du? (BGB, HGB, etc.)


    Zu deiner Schule:
    Fachschule für Wirtschaft in BW.....da habe ich mal interessenhalber Google bemüht und doch noch Informationsbedarf.
    An "unseren Berufskollegs" (NRW) wird der Betriebswirt, welcher ja Ziel in der Fachrichtung Wirtschaft ist, eigentlich nur in Teilzeit (3 - 4 Jahre je nach Vorbildung) angeboten und ist auch an einem Wirtschafts-Berufskolleg angedockt.
    Verstehe ich das richtig, dass es in BW Schulen gibt die "nur" Betriebswirte ausbilden, d.h. du mit keinen anderen Bildungsgängen zu tun hast?


    Aufstiegschancen:
    Ob ich ewig "nur" Studienrat sein möchte weiß ich nicht. Wie sieht es mit Aufstieg aus?
    Ich habe gelesen, dass dafür heutzutage Sonderaufgaben (Stundenplanung, etc.) übernommen werden müssen. Soetwas gibt es ja auch nicht zuhauf...


    Leider mache ich mir viel zu viele Gedanken. Ich hänge schon seit ca. einem Jahr über diesem ganzen Thema "Studienwahl" und komme zu keinem richtigen Entschluss...Wenn ich da andere in meiner Klasse sehe, die, überzogen gesagt, noch nicht mal wissen was eine Uni ist....


    Ich denke aber, dass ich mit WiPäd grds. ersteinmal nichts falsch mache. Im Notfall kann ich ja spätestens im Master etwas anderes machen. Ich denke auch, dass es vom arbeiten her mehr oder weniger angenehm ist.


    Gern können sich aber noch andere in das Thema einklinken, ich freue mich über jede weitere Antwort :)


    Gruß
    Mattes

  • Zitat

    Original von Mattes


    Aufstiegschancen:
    Ob ich ewig "nur" Studienrat sein möchte weiß ich nicht. Wie sieht es mit Aufstieg aus?
    Ich habe gelesen, dass dafür heutzutage Sonderaufgaben (Stundenplanung, etc.) übernommen werden müssen. Soetwas gibt es ja auch nicht zuhauf...


    Und ob! Zwar sind die nicht alle an Beförderungen gebunden, aber ich habe gerade mal auf unseren GEschäftsverteilungsplan geguckt: Außer Unterricht, Elterngesprächen etc. laufen bei uns (ca. 60 Kollegen) noch 94 andere Aufgaben, für die irgendjemand zuständig ist. Zugegeben, als Stellwandbeauftragter gehört man nicht unbedingt zum inneren Kreis der Schulleitung, aber es gibt an jeder Schule eine Menge Dinge, mit denen man sichh ggf. profilieren kann.

  • Hallo Mattes,


    zu deinen Fragen:


    Lehrereinsatz


    > Wird denn die evtl. Vorbildung (in meinem Fall die Berufsausbildung) überhaupt nicht berücksichtigt? <


    Doch schon. Ein gelernter Bankkaufmann wird wohl schwerpunktmäßig in Bankfachklassen eingesetzt werden, aber wenn die Zahl der Azubis bei den Banken einbricht und sie schwerpunktmäßig an einer anderen Berufsschule zusammengefasst werden, muss der Kollege eben in anderen Fächern eingesetzt werden. Ein Bankkaufmann findet sich schon mal in einer Groß- und Außenhandelsklasse wieder, wenn dort Deputatsstunden abzudecken sind und niemand anders zur Verfügung steht.


    > Hast du Erfahrungen mit Berufsvorbereitungsjahr u. ä. Bildungsgängen? <


    Früher einmal in sog. Jungangestellten- und Jungarbeiterklassen (schulpflichtige Jugendliche ohne Ausbildungsvertrag). Eine Erfahrung, auf die man gern hätte verzichten können.


    Zu deinen Fächern


    > Du hast WiWi + Recht + Englisch (die anderen Sprachen lasse ich mal außen vor, wobei ich das sehr beeindruckend finde) angegeben. Wie fandst du Englisch im Studium? Hattest du Auslandsaufenthalte? <


    Wie das bei mir lief, wird dir kaum weiterhelfen, zeigt aber, dass man sich immer wieder neu orientieren kann und muss.

    Ich hatte als Student zwei Semester an einer Universität in Italien verbracht, als Werkstudent in den Semesterferien dort unten gearbeitet und meine Diplomarbeit über die betriebliche Aus- und Fortbildung bie FIAT geschrieben. Damals wurde massiv dafür geworben, neben Wirtschaftswissenschaften noch eine Fremdsprache zu wählen. Für Italienisch wurden mir Scheine aus Italien anerkannt, und so nahm ich Italienisch in der Diplom-Prüfung.


    Als Referendar wurde mir dann erklärt, dass Italienisch die falsche Sprache sei, die am Studienseminar auch gar nicht angeboten wurde. Man brauchte Englischlehrer, und so rutschte ich dort in die Englisch-Gruppe. Ein Austauschjahr mit den USA als Schüler reichte dann auch, Englisch im 2. Staatsexamen zu schaffen.


    Irgendwann wurden Lehrer für Spanisch (meine Zweitsprache) gebaucht. Ich wurde zu einem Kurs geschickt, musste ein Kolloquium ‚bestehen‘ und bekam einen Schein, der mich zum Spanischlehrer qualifizierte.


    Heute sind die Hürden wohl viel höher, aber ich unterrichte trotzdem nicht ganz ohne Erfolg diese Fremdsprachen und bringe meine Schüler regelmäßig durch die Cambridge- und DELE-Prüfungen. Fremdsprachen sind für mich auch ein willkommener Ausgleich zu den Wirtschaftswissenschaften.


    >Wie bist du an Recht "drangekommen"; Was für Recht unterrichtest du? (BGB, HGB, etc.) <


    Recht ist lt. Bildungsplan eigentlich Teil der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre. Um zu verhindern, dass die BWL zu sehr ‚verrechtlich‘ wird, haben wir den Rechtsteil heraus gelöst und lassen BWL und Recht von verschiedenen Kollegen unterrichten. So kam ich zu ‚meinem Recht‘, in der Grundstufe überwiegend BGB und HGB, in der Fachstufe Arbeits- und Steuerrecht.


    Zu deiner Schule


    > Verstehe ich das richtig, dass es in BW Schulen gibt die "nur" Betriebswirte ausbilden, d. h. du mit keinen anderen Bildungsgängen zu tun hast?<


    Ja, ist zwar nicht die Regel, aber an unserer Schule gibt es nur Fachschulen.


    Aufstiegschancen


    >Ob ich ewig "nur" Studienrat sein möchte weiß ich nicht. Wie sieht es mit Aufstieg aus? Ich habe gelesen, dass dafür heutzutage Sonderaufgaben (Stundenplanung, etc.) übernommen werden müssen. Soetwas gibt es ja auch nicht zuhauf...<


    Früher wurde man mehr oder weniger automatisch von A 13 (Studienrat) nach A 14 (Oberstudienrat) durchgewunken. Erst A 15 (Studiendirektor) war eine Funktionsstelle. Heute werden in BW schon A 14-Stellen für bestimmte Aufgaben ausgeschrieben. Sonderaufgaben gibt es genügend, aber Bildungspolitik wird oft vom Finanzminister gemacht. Dass dies nicht überall gilt, zeigt ein Blick auf die Besoldungstabellen der Europäischen Union:


    http://oeffentlicher-dienst.in…d=beamte-eu-2009&matrix=1


    Also überlege es dir: Lehrer, Bürgermeister oder ab nach Brüssel. :)

  • Danke für eure Antworten!


    Jorge:


    Ich finde deinen Berufsweg sehr interessant. Das zeigt mir, dass nach dem Master mit 2 Fächern nicht Schluss ist, sondern halt noch mehr kommen kann, sofern man das möchte.


    Zur Zeit ziehe ich noch in Erwägung zunächst BWL bzw. Wirtschaftswissenschaften zu studieren und danach ein WiPäd-Master obendrauf zu setzen.
    Ich werde mich aber auf jeden Fall auch für einen WiPäd-Bachelor bewerben.


    Vielen Dank auf jeden Fall für eure Antworten, dass hat mir auf jeden Fall neue Informationen aus erster Hand und einen besseren Eindruck vermittelt.


    Und ja, ich werde versuchen mir weniger Gedanken zu machen ;)


    Gruß
    Mattes

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