DIdakt. Methoden & Sozialformen in Deutsch

  • Nur Steigbügelhalter einer herannahenden Papierdiktatur diskreditieren den Frontalunterricht.


    Sorry, aber bei solchen Over-the-top-Sätzen stocke ich immer und frage mich, ob das von dir hier wirklich ernst gemeint ist?! Bist du vielleicht ein eloquenter Schüler, der sich hier eingeschlichen hat, um die Online-Selbsthilfe seiner Pauker zu infiltrieren?

  • Und das ist wo genau noch mal wissenschaftlich nachgewiesen worden?

    In sämtlichen Untersuchungen der empirischen Unterrichtsforschung, in denen die Wahl der Unterrichtsmethode - eben etwa der "Direct Instruction" - auf Leistung und Lernzuwachs ("achievement") untersucht worden ist.

  • Zitat Meike :


    Zitat

    In China u.a. fordern die großen Firmen übrigens mittlerweile anderen,
    deutlich weniger einengenden Unterricht, weil sie junge, kreative
    Mitarbeiter brauchen, die selber denken können.

    Dann möchte ich einfach mal den Begriff Kreativität, so wie ich ihn in der Schule im Zusammenhang mit den kooperativen Unterrichtsformen erlebe (Ich bin da ein scharfer Beobachter), konkretisieren :
    - Herumrennende und lärmende Schüler in den Klassenräumen sowie in den Fluren, die den Unterricht anderer Kollegen beeinträchtigen
    - Etliche Schüler, die herumhängen und irgendwo herumflezen
    - Etliche Schüler, die sowieso nie Materialien für den Gruppenunterricht mitbringen (Die Lehrerin ist ja auch nicht so präsent)
    - Etliche Schüler, die mit null Lernzuwachs aus solchen Stunden gehen
    - Inhaltlich platte und absolut anspruchslose Vorträge, die aber von einigen (unkritischen) Fachlehrern als ach so toll und besonders kreativ hochgelobt werden
    (Man merkt, wie oft der Kreativitätsbegriff in unseren Schulen missbraucht wird)


    Als Ertrag erntet man bei Klassen, die häufig kreativ gearbeitet haben :
    - Undiszipliniertes Verhalten. Solche Klassen haben ein großes Problem mit dem Zuhören und elementarem Benehmen
    - Zu wenig Fachwissen und fachmethodisches Können (Auf sich allein gestellt sind etliche Schüler z.B. nur sehr schwer in der Lage selbst anspruchslose Texte zu erfassen.
    In der Gruppe haben das ja einige wenige Schüler gemacht, was nicht weiter auffiel)
    - Für die zentralen Abschlussprüfungen, wo jeder allein (!) die Aufgaben lösen muss, mangelnde fachliche Voraussetzungen


    Mit andern Worten : Kooperative Unterrichtsformen setzen den Super-Schüler voraus, der von sich aus die Selbstdisziplin und Ehrgeiz mitbringt, um in der Schulkarriere wirklich weiterzukommen. Ob wir wirklich in der Schulstube eine solche Mehrheit von Schülern vorfinden, möge bitte jeder selbst entscheiden.


    Mit dem selber denken können, wie Meike es ausdrückt, ist es natürlich so eine Sache. Da bin ich der Meinung, dass es in den unteren und mittleren Klassen, ich denke da besonders an Haupt- und Realschulen, einer kräftigen Lehrerzentrierung bedarf, um überhaupt Schüler-Gehirnzellen in Bewegung zu bringen. Wie ich Meike verstanden habe, ist sie sie ja auch nicht an einer Schule beschäftigt, aus der künftige Harvard-Absolventen hervorgehen.


    In der gymnasialen Oberstufe sehe ich das natürlich etwas anders. Da können Schüler ab der 11. Klasse, wenn an der Schule nach Klasse 10 gut ausselektiert wurde, sofort die Kooperativen Unterrichtsmethoden effizient umsetzen, auch wenn sie vorher nur lehrerzentriert gearbeitet haben.-So jedenfalls meine Erfahrungen als Teilabgeordneter im Fach Musik an einem Gymnasium. 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

    • Offizieller Beitrag

    Wie ich Meike verstanden habe, ist sie sie ja auch nicht an einer Schule beschäftigt, aus der künftige Harvard-Absolventen hervorgehen.


    In der gymnasialen Oberstufe sehe ich das natürlich etwas anders.


    *lach* Ich unterrichte an einer reinen gymnasialen Oberstufe. Harvard besuchen ggf. nur die Schüler, die ins Ausland gehen...
    Ich war aber auch lange genug an einer Mittelstufe und kann dir versichern, Elternschreck, dass das

    Zitat

    - Herumrennende und lärmende Schüler in den Klassenräumen sowie in den Fluren, die den Unterricht anderer Kollegen beeinträchtigen
    - Etliche Schüler, die herumhängen und irgendwo herumflezen
    - Etliche Schüler, die sowieso nie Materialien für den Gruppenunterricht mitbringen (Die Lehrerin ist ja auch nicht so präsent)
    - Etliche Schüler, die mit null Lernzuwachs aus solchen Stunden gehen

    ausschließlich bei den Kollegen der Fall war, die von kooperativen Unterrichtsformen wirklich keine Ahnung hatten und die nichts anderes konnten, als dauerfrontal Lernprozesse zu behindern.


    Zitat

    In sämtlichen Untersuchungen der empirischen Unterrichtsforschung, in denen die Wahl der Unterrichtsmethode - eben etwa der "Direct Instruction" - auf Leistung und Lernzuwachs ("achievement") untersucht worden ist.

    Wohl kingend formuliert ;) - kannst du mal so eine verlinken?

  • Zitat

    kannst du mal so eine verlinken?


    Eine Übersicht über die verschiedenen Untersuchungen, die die hohe Effektivität von "direct instruction" (und damit auch Frontalunterricht) belegen, findet sich etwa hier:


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    Allerdings enthält das Buch auch eine Übersicht über die Untersuchungen, die Vorteile kooperativer Methoden nachweisen. Das Problem besteht - laut Terhart - schlicht darin, dass man sich nicht einigen kann, was "erfolgreiches Lernen" eigentlich ausmacht und dass man deshalb je nach gesetztem Schwerpunkt zu stets unterschiedlichen, eigentlich unvereinbaren Studienergebnissen kommt.


    Fakt ist, dass gerade in der grundlegenden Wissensvermittlung eine hohe Effektivität des Frontalunterrichts nachgewiesen ist, der im Übrigen - wie aktuelle Studien wenigstens andeuten - auch in mancherlei Hinsicht weniger sozial selektiv ist als kooperative Arbeitsformen.


    Dass kooperative Arbeitsformen ihrerseits auch Vorteil haben, steht aber außer Frage - nur ihre absolute Überlegenheit ist "wissenschaftlich" wohl nicht nachweisbar und eher gefühlte Realität von Lehrern (und gewünschte Realität von Didaktikern). Dabei werden die Probleme dieser Arbeitsformen meist zu rasch vom Tisch gewischt (Probleme, die übrigens viele Schüler kennen - auch unter Schülern gibt es ja nicht ohne Grund Freunde und Feinde der Gruppenarbeit).

  • Zitat Meike :

    Zitat

    *lach* Ich unterrichte an einer reinen gymnasialen Oberstufe.

    Wundert mich jetzt ein wenig, zumal ich mich an einige Beiträge von Dir erinnere, die eher nach Brennpunktschule klingen. Asche auf mein Haupt, wenn ich Dich mit jemandem verwechsle !



    Zitat Elternschreck :


    Dazu Zitat Meike :

    Zitat

    ausschließlich bei den Kollegen der Fall war, die von
    kooperativen Unterrichtsformen wirklich keine Ahnung hatten und die
    nichts anderes konnten, als dauerfrontal Lernprozesse zu behindern.

    Na klar, wird dann mal von den veblendeten Anhängern eines papierzentrierten Unterrichts immer wieder gerne behauptet.


    Zitat unter uns :

    Und genau dieser Dogmatismus ist das Problem ind der aktuellen Diskussion um Lehrmethoden. Es ist da mittlerweile (bewusst) eine Atmosphäre aufgebaut worden, in der kritische Denker, die die Schwächen der kooperativen Unterrichtsformen schonungslos aufdecken würden, mundtot gemacht werden. 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

    • Offizieller Beitrag

    Ich kenne das Buch und es belegt keineswegs eindeutig den Vorteil des Frontalunterrichts, sondern zeigt die Vor(-und Nachteile) einer jeden Methode in bestimmten Lernzusammenhängen auf. Soviel ich weiß, gibt es nur eine Sache, die wirklich nachgewiesen ist: nämlich dass Methodenvielfalt wichtig ist um möglichst viele Schüler zu erreichen und möglichst viele Fähigkeiten zu trainieren. Im Übrigen gibt es auch bei mir lehrerzentrierte Unterrichtsgespräche - aber eben nicht dauernd und nicht als Methdoe der Wahl - sondern nur dann, wenn es passt.

  • Zitat

    Ich kenne das Buch und es belegt keineswegs eindeutig den Vorteil des Frontalunterrichts,

    Schrieb ich etwas anderes? Nein.

    Zitat


    sondern zeigt die Vor(-und Nachteile) einer jeden Methode in bestimmten Lernzusammenhängen auf


    Es listet die Nachweise jener empirischen Studien auf, die sehr gute Effekte von "direct instruction" (und damit Frontalunterricht) nachgewiesen haben. Diese Effekte - vor allem übrigens am Primarschulbereich ermittelt - belegen tatsächlich eine hohe Effektivität von "direct instruction" in der raschen (!) Vermittlung von Wissen (!). Hier dürfte der Frontalunterricht kooperativen Arbeitsformen auch überlegen sein. Ich denke, darauf bezogen sich die bisherigen Aussagen, für die Du empirische Belege wolltest.

    • Offizieller Beitrag

    Mir ging es ja auch nicht um hinlänglich bekannte Forschungen zu dem Effekt hinsichtlich der kurzfristigen Effektivität frontaler Wissensvermittlung, sondern eher um die fragwürdige Aussage, dass diese Unterrichtsform generell und ausschließlich effizienter und dies empirisch bewiesen sei. Tatsächlich ist das gerade bei der Nachhaltigkeitsfrage sehr umstritten. Und bei der Frage von Kompetenzentwicklung erst recht. Aber für bulimisches Lernen eignet sich der Frotalunterricht, das stimmt. Wenn es mir drum geht, dass nur ein paar Fakten auf den nächsten Testbogen "erbrochen" werden, wende ich das auch an :D;) ....

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Wohl kingend formuliert ;) - kannst du mal so eine verlinken?

    Die m. E. beste (und aktuellste sowie umfassendste) Übersicht von etwa 130 Einflussfaktoren auf die Leistung bietet die 2009 von John Hattie herausgegebene Meta-Studie "Visible Learning" (ob es im Internet dazu gute Zusammenfassungen o. ä. gibt, weiß ich nicht). Es hat im angloamerikanischen Raum bereits Verbreitung gefunden und wird hoffentlich hier auch bald rezepiert, wenngleich ich mir unsicher bin, ob es geschehen wird; die Studie räumt nämlich mit so manchem auf, was hier an den Studienseminaren und den Uni-Seminaren so verkündet wird.


    Im Übrigen ist Hattie niemand, der für einen ansonsten besonders konservativen Standpunkt bekannt wäre (wohl eher das Gegenteil).

  • Zitat

    die 2009 von John Hattie herausgegebene Meta-Studie "Visible Learning"


    Danke für den interessanten Hinweis, ist bestellt.



    Zitat

    Mir ging es ja auch nicht um hinlänglich bekannte Forschungen zu dem Effekt hinsichtlich der kurzfristigen Effektivität frontaler Wissensvermittlung


    Nun, das ist natürlich die übliche Rückzugsposition. Langzeiteffekte sind eben schwer diagnostizierbar, aber das gilt auf beiden Seiten. Ich weiß nun nicht, ob die Studien zur "direct instruction" wirklich nur kurzfristige Effekte dokumentieren - aber vielleicht hast DU einen Link, der Deine Aussagen belegt.

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