Rat für einen Unentschlossenen

  • Hallo liebe Lehrergemeinde,


    ich studiere aktuell in München Anglistik im 5. Semester und spiele mit dem Gedanken, auf Lehramt (Gymnasium) umzusatteln. Während meines bisherigen Studiums habe ich festgestellt, dass mir das Aufbereiten und Vermitteln von Wissen großen Spaß bereitet und wohl auch liegt, denn ich habe von meinen Kursen und Dozenten immer positive Rückmeldung erhalten. Mir wurde schon früher oft von Freunden und Bekannten gesagt, dass sie sich mich sehr gut als Lehrer vorstellen können. Damals war ich dem Gedanken aber noch abgeneigt, ich wollte - überspitzt ausgedrückt - nicht vor einem Haufen Pubertierender stehen, die meine Arbeit nicht zu schätzen wissen und nur darauf aus sind, meine Nerven zu strapazieren.


    Aber der Beruf beinhaltet ja auch sehr viele schöne und ehrenwerte Aufgaben. Als ehemaliger Schüler weiß man, dass es immer Unbelehrbare gibt, die überwiegende Mehrheit weiß es aber zu schätzen, wenn der Lehrer seine Arbeit gut macht. Ich stelle es mir schon schön vor zu sehen, dass die Schüler gerne in meinen Unterricht kommen und Spaß am Lernen haben. Dazu kommen noch die vielschichtigen pädagogischen Aufgaben eines Lehrers, der die Jugendlichen beim erwachsen werden begleitet und im Idealfall als Ansprechpartner für private Themen akzeptiert ist. Das alles sind Dinge, die ich mir gut als "Lebensaufgabe" vorstellen kann, aber mir ist auch klar, dass Idealbild und Realität immer auseinanderliegen, mal mehr und mal weniger.


    Man liest sehr viel über Stress und Überlastung im Lehrerberuf. Angeblich ist es mit die Burnout-risikoreichste Berufsgruppe überhaupt. Das hat mich schon ein wenig abgeschreckt, denn ich halte mich nicht für die stressresistenteste Person. Ich würde nicht sagen ich bin psychisch labil, aber Dinge schlagen mir schnell auf's Gemüt. Ich habe zwar wie ich denke ein großes Einfühlungsvermögen, bin freundlich und biete so wenig Angriffsfläche, aber wenn es wirklich mal einen Konflikt mit Schülern gäbe oder ich einen Streit zu schlichten hätte, wüsste ich nicht ob ich der Situation gewachsen wäre. Nicht dass ich sonderlich introvertiert wäre oder dergleichen, ich bin einfach konfliktscheu und leide schnell unter Spannungen in meinem sozialen Umfeld. Wenn ich mir dann noch vorstelle, zu Hause warten zwei Sätze Klausuren und Stundenvorbereitungen auf mich und ich darf mich nach fünf Stunden Schlaf wieder vor eine Klasse Pubertierender stellen...


    Ich hoffe das alles klingt nicht zu extrem, ich will mich nur mit allen Eventualitäten und Risiken auseinandersetzen, bevor ich eine überstürzte Entscheidung treffe. Ein paar Dokumentationen über den Arbeitsalltag von Lehrern habe ich mir schon angesehen; bald treffe ich mich mit dem Vater eines Freundes, der Studiendirektor ist und meiner alten Englisch-LK-Lehrerin und erhoffe mir aufschlussreiche Gespräche. Und ich hoffe auch ihr (irgendwie seltsam, ihr seid alle Lehrer und ich bin es eigentlich gewohnt euch zu siezen, naja...) wollt mir ein bisschen was erzählen:


    Wie seht ihr euren Beruf? Hat er eure idealistischen Vorstellungen enttäuscht oder seid ihr nach wie vor mit Überzeugung dabei? Ist das Gehalt für die Arbeitszeit angemessen (Ich kenne die Besoldungstabellen, aber die tatsächlich aufgewendeten Stunden lassen sich ja schwer beziffern)? Wie habt ihr euer Referendariat erlebt? Wie verbringt ihr die Schulferien? Ist der Faktor Stress wirklich als so schwerwiegend einzustufen? Würdet ihr es wieder so machen? Und, und, und...

    • Offizieller Beitrag

    zu deinen Fragen gibt es bereits sehr viele Threads hier, angefangen beim Thema Burn Out und lange nicht endend in immer wieder auftauchenden Diskussionen um die Angemessenheit des Gehalts.


    Zu mir persönlich:


    ich hatte keine idealistischen Vorstellungen.
    Ich bin/war begeistert von meinen Fächern und wollte den Spaß daran weiterreichen. Falls du das idealistisch nennst, dann war DAS mein idealistisches Ziel. Mir war bewusst, dass das lange nicght bei jedem Schüler klappt, und ja, mir war auch bewusst, dass ich täglich vor einem Haufen Pubertierender stehen würde, die sich um Schule und meine Fächer teils einen feuchten Kehrricht scheren würden.
    Dass ich von ihnen als Helfer in der persönlichen Not angerufen würde, hatte ich nicht erwartet, denn ich kannte aus meinem eigenen Erleben wirklich NIEMANDEN, der das als Jugendlicher gewollt hätte. Im Gegenteil, mir waren aus meiner eigenen Schulzeit die stets lächelnden, Gitarre schwenkenden, Bequemschuh tragenden "ich-verstehe-euch-denn-ich bin-insgeheim-auch-so-wie-ihr" Lehrer höchst suspekt. (Sorry, falls mein Klischee irgendjemanden jetzt kränkt :troest: ).
    Für den Beruf brauchst du auch eine Portion Begeisterung. Wohl für jeden höher qualifizierten und besonders bei sozialen Berufen. Aber du brauchst auch eine Riesenportion Egoismus, insofern, dass du auf dich selbst achten kannst, dass du dich abgrenzen kannst von Schülern, Eltern, Kollegen, Schulleitung, Arbeitseifer.
    Du brauchst Stressmanagement und Stressresistenz.
    Du brauchst ein sehr gutes Zeitmanagement und Selbstdisziplin.
    Du brauchst Flexibilität, Lernbereitschaft, die Fähigkeit zur Selbstkririk und Umgangsstrategien bei Problemen mit Eltern.
    Du brauchst Gelassenheit und HUMOR, oft genug auch Galgenhumor.


    Soweit meine Sicht.


    Vielleicht kannst du ja mal an einer Schule ein Praktikum mit mehreren selbst gehaltenen Stunden machen? Möglichst auch ohne dass ein Kollege hinten zuschaut. Dann bekommst du ein bisschen mehr Einsicht. :wink2:

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