1. Klasse - schriftlich Rechnen statt Kopfrechnen?

  • Hallo,
    ich habe ein Problem mit einer Schülerin (1. Klasse) bzw deren förderwütiger Mutter. Die Mutter fördert ihre Tochter schon lange, so dass diese jetzt alles bis Ende 2. Klasse rechnen kann. Mir ist irgendwann aufgefallen, dass sie aber kaum im Kopf rechnen kann. Bei plus gehts noch, bei minus kommen die abenteuerlichsten Ergebnisse heraus. Sie hat absolut keine Idee von dem, was sie macht. Wenn man es ihr aufschreibt hat sie ruck zuck das Ergebnis. Jetzt hat sie mir gesagt wie sie es macht: Sie geht vor wie beim schriftlichen Rechnen z. B. bei 53 - 25. 3 - 5 geht nicht, also 13 - 5= 8, dann merkt sie sich 1 und tut es zur 2 (von 25) dazu. Daher muss sie noch 5 - 3 = 2 rechnen - Ergebnis: 28. Die Ergebnisse stimmen eigentlich immer, sie kann aber absolut nicht erklären, wieso sie das so macht - "hat mir mein Papa gezeigt". Ich habe mit der Mutter gesprochen, dass ich es wichtig finde, dass ihre Tochter versteht, wie sie rechnet und daher die Aufgaben auf die "herkömmliche" Art lernt. Ich weiß nicht, ob das Mädchen überhaupt eine Vorstellung über die Zahlen bis 100 hat. Ihre Mutter reagierte völlig verständnislos und meinte ich würde ihre Tochter verunsichern, indem ich ihr vermittle, sie rechne falsch. Ich bin mir sicher, dass sie beim Kopfrechnen im höheren Zahlenraum an ihre Grenzen stoßen wird mit dieser Methode. Man kann nur hoffen, dass sie sich den Zahlenraum trotzdem strukturiert. Ich muss jetzt nochmal mit der Mutter sprechen und wäre sehr dankbar, wenn jemand einen Tipp hätte, wie ich das Thema Zahlraumerfassung und die damit zusammenhängende Einführung schriftlicher Rechenverfahren erst ab der dritten Klasse mit Fachwissen untermauern kann. Meine Ausführungen ohne "Beweis" waren ihr nicht genug. Sie meint, das Ergebnis stimmt doch, also ist es egal wie man rechnet. :uebel:
    Vielen Dank schon mal !!

  • Ich denke, du liegst mit deiner Vermutung, dass dieses Mädchen den Zahlenraum bis 100 gar nicht kennt oder wirklich verstanden hat und auch nicht, was Addition wirklich ist, völlig richtig. In der 1. klasse ist das, was sie da macht bzw. machen soll ja noch nicht gefordert. Insofern wäre nun gerade eine gute Zeit zurückzugehen und den Zahlenraum bis 10 und dann bis 20 oder gleich 100 zu erarbeiten.
    Was mich etwas verwundert ist, dass du sagst, du weißt nicht, ob ... Es ist doch in 5 min herauszukriegen, ob sie den Zahlenraum kennt oder nicht? Gib ihr eine Kiste Steckwürfel und bitte sie, dir 57 darzustellen. Dann noch zwei weitere Zahlen. Dann soll sie dir mal die O.g. aufgabe mit Steckwürfeln darstellen. Da müsste sie ja dann von der Ausgangsmenge einige wegnehmen. Viele Kinder legen dann aber neue Häufchen oder Stangen und zeichnen ein imaginäres minus dazwischen. Das ist schon ein sicheres Zeichen dafür, dass die Operation gar nicht verstanden wurde. Und dann würde ich persönlich noch zwei drei solche Aufgaben legen lassen, danach würde ich noch bitten, eine Rechengeschichte zu 2+4=6 erzählen lassen und danach ist der Knackpunkt oft zu erkennen. Der Mutter würde ich klarmachen, dass ihr Kind das Kopfrechnen erlernen muss und vor allem verstehen muss, was es da tut. Wenn ihr Kind erfolgreich Ma erlernen soll, ist die Basis das Kopfrechnen. Warum rechnet sie das überhaupt in Klasse 1 so scheinbar zwingend? Stell ihr Sachaufgaben zur Operation. Frag die Mutter mal, ob sie im Supermarkt ihren Einkauf im Kopf überschlägt oder tatsächlich einen Zettel und einen Stift dazu nutzt, ob sie möchte, dass ihre Tochter im Kopf berechnen kann, ob das Wechselgeld stimmt oder nicht. Letztendlich wird das Mädel nicht zwingend an der Methode scheitern, damit können rechenschwache Kinder ganz fix bis in Millionenbereiche formal rechnen. Nur die Fehlerwahrscheinlichkeit nimmt zu und das merken die Kinder nicht, weil sie eben keinerlei Vorstellung haben und das Verständnis fehlt. Sie wird in vielen anderen Bereichen der Mathematik scheitern, weil dieses unverstandene Abarbeiten eines Algorithmus eben auch bloß eine Ersatzstrategie eines rechenschwachen Kindes ist. Aber ich wiederhol nochmal meine Frage, ist es zwingend nötig, in diesem Zahlenraum in Klasse 1 zu rechnen oder macht sie das privat in Mutters Förderunterricht?


    Du kannst dich hier belesen http://www.ztr-rechenschwaeche.de

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  • Als Mathematiklehrerin einer weiterführenden Schule bin auch entsetzt über das Verhalten der Eltern. Wenn die Schülerin kein ordentliches Zahlenverständnis erlangt, dann sind ihr Probleme im Fach Mathematik über Jahre hinaus sicher. Das müsste den Eltern klar gemacht werden.

    Freundlichkeit ist kostenlos, aber niemals umsonst.

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