Also doch kein Lehrer ... aber was dann?

  • Hallo!


    Ich wäre dankbar, wenn Ihr Euch das mal durchlest und mir schreibt, was Ihr denkt ...


    Ich bin jetzt 32, lebe in NRW. Nach Abi und Zivildienst wäre mir erstmal nicht in den Sinn gekommen, Lehrer zu werden. So habe ich Kommunikationswissenschaft und Philosophie studiert und auch mit dem Magister abgeschlossen. Während dieses Studiums hat sich für mich aber immer mehr abgezeichnet, dass Lehrer doch ein toller Job für mich wäre und wohl auch einer der Jobs, in die ich meine Stärken am besten einbringen kann. Also habe ich noch während des Erstststudiums ein zweites angefangen, diesmal Bachelor of Arts mit den Fächern Musik und Philosophie. Auch das habe ich abgeschlossen und könnte ins Referendariat gehen, wenn ich mit dem Master of Education noch einen dritten Abschluss draufsetzen würde.


    Die Möglichkeit dazu hatte ich aber aus finanziellen Gründen nicht, und so arbeite ich jetzt seit bald zwei Jahren auf einer Vertretungsstelle an einer Gesamtschule und unterrichte viel Musik und ein wenig Praktische Philosophie. Es ist eine Teilzeitstelle und ich bin natürlich mit Stufe 1 gestartet - ich konnte und kann gut davon leben, es hat aber nicht dazu gereicht, tausende € zurückzulegen. Dazu kommen Schulden aus meinem ersten und zweiten Studium. Ein Masterstudium ist daher auch jetzt keine Option.


    Die letzten zwei Jahre habe ich auf den Seiteneinstieg gesetzt. Wann und wen auch immer ich gefragt habe, wurde ich darin aufgrund meiner Fächer bzw. meines einen Fachs Musik bestärkt. Erste Bedenken meldete dann im Februar meine jetzige Schulleiterin an. Als ich dann weiter nachgehakt habe, wurde langsam klar, dass es mit dem Seiteneinstieg zum nächsten Schuljahr wohl doch nicht so einfach wird. Jetzt gehe ich davon aus, dass ich keine OBAS-Stelle bekommen werde.


    Wäre es sinnvoll, weiter auf einer Vertretungsstelle zu arbeiten? Die Möglichkeit dazu hätte ich wohl, aber was ist, wenn ich auch im nächsten und übernächsten Schuljahr keine OBAS-Stelle bekomme (und danach sieht es ja aus). Habe ich dann nicht weitere Jahre verschenkt?


    Ich denke daher, dass es sinnvoller wäre, nach Alternativen zu suchen. Das fällt mir schwer, weil ich gar nicht nach Alternativen suchen will und weil ich nicht weiß, wo ich anfangen soll. Ich bin, was Interessen und Fähigkeiten angeht, ziemlich breit aufgestellt. Eine besondere Neigung besteht zur Musik, zum Unterrichten und dann zum Journalismus, besonders Hörfunkjournalismus. Ich bin Schulmusiker und daher breit aufgestellt, für die Bühne, das Tonstudio und die Musikschule gibt es Spezialisten, mit denen ich nicht mithalten kann. Was das Unterrichten angeht, sind allgemeinbildende Schulen eigentlich mein einzig möglicher Arbeitgeber. Und Hörfunkjournalismus ist ein hartes Geschäft, selbst dann, wenn ich nicht seit 2007 in einer ganz anderen Richtung unterwegs gewesen wäre. So scheint mir ein Einstieg aber ziemlich unmöglich (ich traue mir zu, das zu beurteilen, weil ich bereits ein Praktikum und eine kurze Zeit als freier Mitarbeiter in dem Bereich hinter mir habe).


    Unterm Strich denke ich zurzeit, dass meine Lage trotz zweier sehr guter Abschlüsse und zwei Jahren Berufserfahrung - in einem Beruf, in den ich aber nicht dauerhaft reinkomme - ziemlich beschissen ist.


    Was denkt Ihr?


    Thorsten

  • Ich schätze mal, dass es langfristig schwierig wird, wenn man weder das 1. Staatsexamen (=Master of Education), noch das 2. Staatsexamen hat. Nur darauf zu hoffen, dass es mal mit dem Seiteneinstieg klappen wird, ist doch immer mit Unsicherheit verbunden.

  • kannst du nicht den master machen und in teilzeit wie bisher als vertretung weiter unterrichten nebenher? das sollte doch für den lebensunterhalt reichen, wenn kein anhang/nachwuchs dranhängt. danach ins referendariat, ggf. sogar verkürzt, da du ja reichlich erfahrung hast?!

  • kannst du nicht den master machen und in teilzeit wie bisher als vertretung weiter unterrichten nebenher? das sollte doch für den lebensunterhalt reichen, wenn kein anhang/nachwuchs dranhängt. danach ins referendariat, ggf. sogar verkürzt, da du ja reichlich erfahrung hast?!


    Stimmt, ist naheliegend und ich hab´s deshalb auch schon durch"gerechnet". Aber unter drei Tagen je Woche in der Schule komme ich nicht auf das Geld, das ich brauche. (Tatsächlich bin ich auch am vierten und fünften Tag immer wieder mal da, wenn z. B. Konferenzen anstehen oder Schüler was aufführen und meine Hilfe brauchen.) Wenn ich mir an den zwei verbleibenden Tagen den Stundenplan in der Uni frei zusammenstellen könnte, hätte ich das gemacht und versucht, das Ganze in drei Semestern durchzuziehen! Aber so läuft das ja nicht. Da ist die Pflichtvorlesung in Musik am Montag um 10 Uhr und am Dienstag um 12 die in Philosophie, am Mittwoch Cellounterricht, am Donnerstag die große Pädagogik-Vorlesung und am Freitag Klavierunterricht. Irgendwo dazwischen Gesangsunterricht, Orchesterleitung ... Du siehst, worauf ich hinaus will. Mit z. B. Deutsch und Philosophie wäre es schon reichlich schwierig. Durch die hohen Präsenzzeiten, die Musik erfordert, aber wohl nicht möglich.


    OK, es sei denn, man nimmt sich sieben oder acht oder neun Semester für den Master. Nachdem ich von einem relativ hohen Vertreter des Schulministeriums deutlich darauf hingewiesen wurde, dass man mir mit meinen Fächern ja auch mit 2. Staatsexamen keine Garantie auf eine Stelle geben könne, möchte ich nun aber nicht nach nochmal drei bis vier Jahren Studium und eineinhalb Jahren Referendariat mit dann 37 oder 38 Jahren genau da stehen, wo ich jetzt bin ...


    Manche würden es vielleicht trotzdem machen. Aber mir fehlt dazu der Mut. Und wie gesagt, die zwei sehr guten Abschlüsse sind da und auch die habe ich mir schon zu einem großen Teil selbst neben dem Studium erarbeitet. Ich würde jetzt so gerne auch mal ein Ergebnis meiner Arbeit sehen. Wenn die Schulen so toll besetzt sind, dass man mich nicht braucht oder wenn mir ohne den Master wirklich entscheidende Qualifikationen für die Schule fehlen ... OK, dann ist das eben so. Ich will nicht darüber meckern, sondern frage mich, was ich anstelle von Schule machen könnte. Es gibt doch bestimmt den einen oder anderen mit einer ähnlichen Geschichte oder Leute, die im Referendariat gemerkt haben, dass Schule nicht das Richtige ist. Was habt Ihr stattdessen gemacht?

  • ...ich kenne mehrere, die das nebenher gemacht haben (1. staatsexamen nach abgeschlossenem fachstudium nachgeholt, während parallel teilzeit in der schule gearbeitet wurde). im prinzip kann man mit vielen dozenten reden. du musst nicht immer anwesend sein. manchmal reicht es auch, nur das referat zu halten und die hausarbeit abzugeben/die klausur zu schreiben, um den schein/die creditpoints zu bekommen. viele vorlesungen stehen online (zumindest bei vielen unis). es gibt meistens auch parallelkurse bei terminproblemen. man kann sich leidensgenossen suchen, die für einen mitschreiben. du bist in vielem schneller und flexibler als die leute, die ihr erststudium durchziehen. oft reicht die lektüre der literatur, um durch die klausur zu kommen. manchmal reicht der besuch der übung, statt der übung+vorlesung; kulante dozenten erlauben mehr als 2x fehlen usw. vieles wird auch angerechnet!


    will heißen, man kann mit drei tagen schule wirklich das zweitstudium nebenher abschließen. gerade, wenn man älter und fachlich gut ist (das bist du ja). natürlich ist vieles daran ermüdend und eher lästig bis ärgerlich, aber hey - danach wirst du besser bezahlt als auf vertretungsstellen (in bayern 1/3 mehr geld für dieselbe arbeit!), du hast schon belastbare kontakte zu schulen, die echte anfänger nicht haben (bist ein dort geschätzter kollege), du wirst u.u. verbeamtet... ich würd's machen.


    was man sonst so machen kann: promovieren, wenn man in die forschung will (ist allerdings nicht eben lukrativ). freie selbstständige arbeit im bildungsbereich (musikkurse anbieten, alles im bereich kulturelle bildung... als anbieter an schulen gehen, z.b. oft im rahmen von ganztagsbetreuungen gebraucht). klassiker wäre sonst auch noch der verlagsbereich oder ein eigenes nachhilfeinstitut aufziehen (deutsch, hier aber eher daz/daf hilfreich). mehr fällt mir grade nicht ein.

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  • Thorsten, wie darf man deine Formulierung "breit aufgestellt" verstehen? Bist du das nun oder bist du es nicht? Wenn du noch mehr Interessen hast als Unterrichten, warum stehst du dir dann selbst im Weg, indem du jede andere Möglichkeit als irgendwie zu hart und unmöglich auszuschließt?


    Deine Einschätzung, dass ein erneutes Studieren plus Referendariat teuer und riskant wären, teile ich. Kann klappen, muss aber nicht. Wenn du unbedingt willst, tu es, aber da stolpere ich halt über deine Formulierung, siehe oben: Interessieren dich die anderen Wege oder nicht?


    Ich bin selbst auf diversen Umwegen im Lehramt gelandet. Einige Jahre lang habe ich als Vertretung unterrichtet, nebenher aber andere Dinge gemacht. Dann habe ich den Seiteneinstieg gemacht - nicht, weil ich unbedingt wollte, sondern, weil ich dazu mehr oder weniger gedrängt wurde. Aber gerade die Zeiten, in denen ich Teilzeit gearbeitet habe, habe ich genutzt, um meinen anderen Neigungen nachzugehen. Die ließen sich nur leider nicht so gut zu Geld machen. Aber das hätte auch anders laufen können.


    Was ich sagen will: Eine Vertretungsstelle zu behalten, um die Brötchen zu verdienen und zu hoffen, dass sich später ein Weg auftut, ist doch nicht verkehrt. Bist du nach wie vor auf Teilzeit? Das ist doch eine gute Basis, um sich nebenher Kontakte aufzubauen, den ein oder anderen Nebenjob an Land zu ziehen und ein zweites berufliches Standbein aufzubauen. Oder eben einfach einen anderen Job zu suchen, ohne Zeitdruck. Was spricht dagegen?


    Was genau du da machen kannst, weiß ich nicht, ich kenne mich mit deinen Fächern nicht aus, aber du hast ja selbst schon die Bereiche aufgezählt, die in Frage kommen. Mit welcher Absicht hast du denn dein erstes Studium angefangen? Da musst du doch auch eine Idee gehabt haben. Und dein zweites Studium? Wieso hast du nicht gleich bis zum Master geplant, denn das wäre ja für das Berufsziel Lehrer der naheliegende Weg gewesen?


    Ich habe nach dem, was ich hier im Forum so lese, oft den Eindruck, dass das mit dem Seiteneinstieg falsch kommuniziert wurde. Das ist eigentlich ein Angebot für *Berufswechsler* (die dann mit einer hohen Erfahrungsstufe einsteigen) und nicht für Leute, die ohne Lehramtsausbildung Lehrer werden wollen. Den Beruf zu wechseln heißt halt, dass man vorher schon einen anderen Beruf ausgeübt hat. Wie oft Leute schon während des Studiums einen Quereinstieg ins Lehramt planen, finde ich schon eigenartig. Nun gut, die Zeiten sind ja allmählich eh vorbei. Es ist schon sinnvoll, wenn du dir Alternativen überlegst. Viel Erfolg dabei!

  • Danke für Euren Input! Ich merke, dass das Thema für einen richtigen Austausch hier im Forum doch ziemlich komplex ist.


    Nur soviel. Kecks, ich habe mir über die Möglichkeit wirklich Gedanken gemacht. Aber bei mir ginge es nicht um den (in NRW bis 2011 möglichen) Weg einer Anerkennung als 1. Staatsexamen. Da kenne ich Leute, die bei einer vollen Anerkennung der beiden Fachwissenschaften nur die Fachdidaktik und den Pädagogik-, Psychologie- usw.-bereich nachstudieren mussten. Bei mir käme zumindest die volle Fachwissenschaft Musik dazu, die die jeweilige Prüfungsordnung für den Master vorschreibt. Dazu kommt die Besonderheit des Fachs Musik: Klavier-, Cello-, Gesangsunterricht, Chor- und Orchesterleitung, Spielen in diversen Besetzungen - all das geht nicht von zu Hause aus und kann nicht durch Referate und schriftliche Arbeiten abgedeckt werden. Schließlich weiß ich auch nicht, ob Deine Bekannten das Ganze mit 26 oder 28 im Anschluss an ein Erststudium durchgezogen haben oder mit 32 schon zwei Mal studiert hatten. EDIT: Und dann müsste ich neben der Arbeit in der Schule und dem "eigentlichen Studium" auch noch jede Woche mindestens zehn, zwölf Stunden üben.


    Soviel zu den Bedenken. Trotzdem habe ich gerade einen Termin mit dem Studienberater an der Uni vereinbart, an der das Ganze in Frage käme.


    Piksieben, was ich wirklich kann und viel gemacht habe ist zum einen, als Geisteswissenschaftler Texte zu lesen, zu schreiben und mich über abstrakte Themen auszutauschen. Zum anderen die Arbeit als Schulmusiker. Beide Bereiche - ich klaue eine Formulierung von Dir - lassenn sich nur leider nicht so gut zu Geld machen. Es sei denn eben als Lehrer. Bei der Suche nach Alternativen schließe ich erstmal gar nichts kategorisch aus, aber ich nehme halt auch die Realitäten wahr: Ich kann Webseiten machen - aber nur bis zu einer gewissen, eher niedrigen, Komplexitätsstufe. Ich kann mich nicht mit ausgebildeten Webdesignern messen. Mein Englisch ist sehr gut. Aber nicht so gut wie das von Muttersprachlern, gelernten Übersetzern oder Fremdsprachenkorrespondenten. Ich beherrsche Audio- und Videobearbeitung bis zu einem gewissen Grad, aber jeder Mediengestalter Bild und Ton lächelt darüber nur müde.


    Es gibt diese Tests, zum Beispiel den Situativen Interessentest, die einem sagen sollen, in welche Bereiche man gut passen könnte. Bei mir fallen solche Tests immer sehr ausgeglichen aus, mit einem leicht erhöhten Bereich: Unterrichten/Erziehen. Nun möchte ich aber auch nicht als ungelernter Erzieher mit 1800 € brutto anfangen ;)


    Im Freundeskreis hatten wir die Vision einer Musik-, Sprach- und Tanzschule. Aber eigentlich erst mit 50 und so ganz ernst war das auch nicht gemeint. Vielleicht machen wir daraus Ernst und ziehen es um 20 Jahre vor ;)

    Einmal editiert, zuletzt von Th0r5ten ()

  • Thorsten, du bist hier in einem Lehrerforum, es wird hier wohl niemand mit deinem Traumjob um die Ecke kommen, sorry.


    Für mein Empfinden gehst du da zu analytisch heran. Die Phase der Selbstfindung ist vorbei. Es geht darum, dass du einen Job findest und deinen Lebensunterhalt bestreiten kannst. Es nutzt dir nichts, genau zu wissen, was du möchtest, wenn für diesen Berufswunsch nun mal kein Job da ist. Auch akademische Abschlüsse sind keine Garantie für irgendwas. Es wäre für dich wichtiger zu gucken, wo du unterkommen kannst, sprich: Stellenanzeigen lesen, Bewerbungen schreiben, den eigenen Marktwert testen. Wenn du Glück hast, kommst du ja doch noch an der Schule unter, aber wie es im Moment aussieht, solltest du auf jeden Fall einen Plan B in der Tasche haben.


    Sich mit einer privaten Musikschule selbstständig machen wäre ja so einer. Wieso bis 50 warten?

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