Studentenproteste

  • Hallo an euch alle!


    Da zu diesem Thema noch nix geschrieben wurde und ich dank meines Frankreich-Exils nicht wirklich informiert bin, wollte ich von euch wissen, was in euren Städten an Studentenprotesten los ist und was ihr so davon haltet.
    Ich für meinen Teil ärger mich furchtbar, dass ich nicht dabei sein kann, weil ich hier in Frankreich sitze.


    Also: seid ihr dafür oder dagegen oder was?


    Lelaina

    Give me a simple life
    With a book by the fire
    A stool to rest my feet on
    And a cushion for my head.

  • Hi!
    Also, bei uns hier in der ältesten Stadt Deutschlands wird nicht gestreikt. Und das ist meiner Meinung nach gut so. Beim ersten Streik, den ich mal mitmachen durfte, sah es nämlich so aus, dass einige Leute sich engagiert haben, einige mehr die Demo durch die Stadt genutzt haben, um die örtlichen Kneipen nochmal abzuchecken, und die meisten schlicht und einfach zu Hause geblieben sind. Ich persönlich gehörte zu den Deppen, die nachts 2 Stunden Mahnwache am Bahnhof gehalten und sich die Finger abgefroren haben (den Sinn habe ich bis heute nicht verstanden, aber damals als Zweitsemestlerin fand ich, ich müsste unbedingt mitmachen), und letztendlich wie alle anderen auch ein Semester verloren haben. Geändert hat sich nichts.
    Außer dass wir Studenten unseren Ruf als faules, saufendes Pack unfreiwillig bestätigt haben.
    Sinnvoller wäre es meiner Meinung nach irgendwie zu zeigen, dass wir wirklich studieren wollen.
    Viel, viel gestreikt wird in Berlin und Hessen, wenn mich nicht alles täscht. Aber davon kommt bei uns hier nicht wirklich viel an.
    Die Franzosen sind streiktechnisch viel erfahrener. Wenn da gestreikt wird, steht das ganze Land still...



    Genieß Deine Zeit!


    sylvie

    Leben ist ein Hund, mal schwarz, mal weiß mal kunterbunt. Es bellt, es beißt, es frisst und sch***t und manchmal reibt's sich an Dein Bein... (Wizo)

  • Hallo Lelaina,


    du meinst die Studiengebühren, oder (lebe im Moment in einer relativ nachrichtenfreien Zone)? Von Studentenprotesten hab ich außer der Debatte bei Sabine Christiansen noch nix mitgekriegt, was allerdings meine Meinung dazu angeht: Es gibt etliche Studien, die belegen, dass ein kostenloses Studium vor allem einer Oberschicht zu Gute kommt, die eh schon genug Geld hat (und ich nehm mich da nicht aus). Will sagen, die Leute, die nicht studieren durften, zahlen den Leuten, die studieren, dafür Geld, dass sie später von ihnen herumgeschubst werden, was ich sozial nicht gerecht finde. Ich fände es besser, wenn es für alle ein Studiendarlehen gäbe, das nachwirkend, wenn man dann in Amt und Würden ist, zurückgezahlt werden muss. Du hast den Effekt, dass alle dies in Anspruch nehmen können, gleichzeitig hast du den Druck, dass du "dein Geld" verstudierst und deshalb die Sache auch ernst nimmst.


    Gegenmeinungen?
    w.

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  • Hmm, leider neige ich dazu, zu politischen Dingen Sachen zu sagen, die mir hinterher ganz einfach als "dumm" vorgehalten werden (kenne mich da nämlich nicht wirklich aus). Trotzdem meine Meinung:
    Studienkonten, -darlehen, etc. halte ich für kompliziert. Keiner versteht sie, und deshalb will sie keiner. Viel einfacher wäre es doch, wenn die Uni besser wirtschaften würden. Bei uns zum Beispiel sind verschiedene Bibliothekseingänge geschlossen wg. Personalmangel, Lateinkurse finden nicht statt (obwohl für viele Fächer Latinum vorgeschrieben ist), pensionierte Sekretärinnen werden nicht ersetzt, so dass ausnahmsweise mal engagierte Profs plötzlich gar nicht mehr wissen, wo ihnen der Kopf steht, usw.usf.
    Seit letzter Woche haben wir aber an der ganzen Uni ni(e)gelnagelneue Mülleimer, überall Raucherstationen mit Entlüfter, Projekte, die gegen Ende des Jahres ihr Restgeld schnell noch zum Fenster rausschmeißen, weil es sonst nächstes Jahr weniger gibt, etc.


    Läuft da nicht irgendwas falsch?


    Ich denke, dass es an vielen Uni so geht...


    Verwirrt und aufgebracht,


    sylvie

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  • Hallo Sylvie,


    das Problem ist ja, dass man den Unis nicht ohne Weiteres reinreden kann, wie sie ihr Geld ausgeben, und es gibt mit Sicherheit völlig unsinnige Investitionen - trotzdem ist insgesamt zu wenig Geld im System, und times being what they are, soll alles durch Konkurenz unter den unis besser werden. Ich hab das in Holland gesehen, das funktionierte überraschend gut: Der Staat gibt das Geld nicht direkt an die Unis, sondern an die Studenten, und die tragen das Geld zu den Unis, bei denen sie sich gut betreut fühlen. (Bin mir grad nicht sicher, ob in Holland zurückgezahlt werden muss, ich mein aber schon.) Und so kompliziert finde ich ein Studienkonto nicht, wenn man ab 8 schon sein Handykonto verwaltet hat. Staat zahlt Geld, man zahlt Studiengebühren von dem Konto, wenn man mehr als 1500 € im Monat verdient, zahlt man 50 € im Monat ab. Man könnte sogar Anreize schaffen, etwa für besonders gute und/ oder schnelle Abschlüsse einen Teil der Summe erlassen, Arbeitgeber könnten Werkstudenten einen Teil der Summe zuschießen usw. Fänd ich gar nicht schlecht...
    w.

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  • Nein, so wie Du das da grad schilderst, hört es sich tatsächlich sehr plausibel an... (ich sag ja, ich bin da sehr lernfähig). Allerdings kriegt es ja keiner gebacken! Bei Christiansen sagte einer von den ganzen Leutchen, dass die KMK ja schon für den kleinsten Mist jahrelang berät. Ich muss zugeben, ich weiss nicht, ob die KMK für die Unis zuständig ist, oder irgendwelche Minister...
    Aber dieses lange Gerede und Debattieren geht dann auf die Kosten der Studis.
    Man müsste erst mal da sparen und handeln, wo es sofort geht (also bei Mülleimern, z.B.), denn so kann man die Zeit bis zu einer gescheiten Lösung wenigstens sinnvoll nutzen, und es bis dahin nicht noch schlimmer werden lassen.
    Mal eine Frage: unsere Uni hat versucht, durch Werbung auf der Homepage Geld reinzubekommen. Das ist leider rein technisch voll in die Hose gegangen. Aber davon mal abgesehen: Wäre Sponsoring nicht eine gute Lösung? Warum geht bei diesem Thema immer ein Aufschrei durch die Massen? Wir werden doch sowieso immer und überall von Werbung erschlagen... Was genau spricht an der Uni dagegen?


    Gruß,


    sylvie

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  • Erst mal Danke für eure Meinungen!


    Ja, das mit dem Studiendarlehen fänd ich auch eine gute Sache. Es ist ja nun wirklich nicht sinnvoll, dass die Uni umsonst, Kinderkrippenplätze aber schweineteuer sind... Obwohl ich selber Studentin bin, wär ich echt bereit, da mitzuzahlen. Was mich im Moment aufregt ist, dass die so einfach Kürzungen beschließen, ohne eine Gegenfinanzierung (z.B. durch Studiengebühren) im Ärmel zu haben.


    Silvie: Der Aufschrei bei dem Sponsoring ist deshalb ja immer so groß, weil eine Einflußnahme der Firmen auf die Bildung befürchtet wird. Jetzt wird aber von den gleichen Leuten so viel von Wirtschaftsnähe in den Schulen gefaselt, dass ich mich manchmal frage, ob denn keiner den Widerspruch da drin sieht...

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  • Hallihallo,


    für die Unis sind die Wissenschaftsminister zuständig. Das ist zwar manchmal die selbe Person wie der Kultusminister (z.B. Willi Lemke in Bremen), in den meisten Bundesländern sind das aber verschiedene Ministerien. Nebenbei spielt bei der Finanzierung von Hochschulbauten auch noch der Bund ne Rolle. Das macht die Sache mindestens genauso kompliziert, als hätte es was mit der KMK zu tun...
    Studiengebühren machen meiner Meinung nach nur Sinn, wenn das Geld erst nach dem Studium zu zahlen ist. (Das von Wolkenstein beschriebene Modell hat da sicher potential, kenne mich in Holland nicht so aus). Es stimmt zwar, dass wir in Deutschland eine starke Oberschichtsbeteiligung am Studium haben, dass ändert sich aber nicht, wenn man noch mehr Zahlen muss (Studiengebühren in begrenzter Höhe gibts ja eh schon.)
    Um weitere Schichten an Bildungzu beteiligen, muss man weiter "unten" anfangen. Schließlich haben wir eine frühe und starke soziale Selektion...


    Ende der virtuellen Bleiwüste,
    Tschüss, Murphy!

  • Hm, bei Sponsoring an der Uni hätte ich genau wie in der Schule auch meine Probleme - das Problem entsteht in dem Moment, in dem die Wissenschaft von der Wirtschaft finanziell abhängig wird - und z.B. nicht mehr untersuchen kann, ob der Vitamin B Anteil im Muttermilchersatz von Nestle ausreicht, weil Nestle sonst die Unibibliothek nicht mehr bezahlt. Punktuelle Zusammenarbeit und Wirtschaftsorientierung sind ok, solang sie eine unabhängige Lern- und Lehranstalt voraussetzen, danach hört's auf. Deshalb hab ich Probleme mit dem Sponsoring. Was nichts dran ändert, dass es faktisch eh schon so läuft...


    Idealistisch,
    w.

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  • Lelaina: Ich versuch noch mal kurz das jetzige Streikbild in Deutschland darzulegen: Berlin ist besonders aktiv, darüber kommt auch mal ein Bericht in den Nachrichten, in Hessen haben vor Kurzen ALLE Unis gestreikt, jetzt bröckelt das ein bißchen ab, aber Frankfurt ist recht aktiv. Niedersachsen ist auch noch zu den aktiven Bundesländern zu rechnen. In Göttingen (Niedersachsen) und Kassel (Hessen) habe ich einiges vom Streik mitbekommen. Es wurden viele witzige Aktionen gestartet (Bettelstudenten-hast du mal 500 Euro, Chöre auf Weihnachtsmärkten, 24-Stunden-Läufe, Veranstaltungen/Seminare in der Innenstadt oder in der S-Bahn-auch um die Überfüllung der Seminare zu verdeutlichen, Medizin-Studenten, die an roten Ampeln Fenster putzen mit Desinfektionsmitteln-zu mehr sind wir nicht mehr nutze,Sargträger durch die Innenstadt-Wir tragen die Bildung zu Grabe etc.). Es gab auch viele Demos (In Wiesbaden zum Beispiel die Größte in Hessen seit 22 Jahren). Es gab auch schon teilweise Besetzungen von CDU-Zentralen oder Uni-Gebäuden, die wegen Hausfriedensbruchsgründen dann doch schnell abgebrochen wurden. Die Realität an den Unis ist so, dass in der 1. Woche keine Veranstaltungen besucht werden, aber nun auch Streikbefürworter wieder zu Veranstaltungen gehen, um kein Semester zu verlieren. Nach Außen bleibt der Streik bestehen und es laufen weiter Aktionen. Manche sind total aktiv (24 Stunden mit Schlafsack im Streikbüro), manche symphatisieren und laufen bei Demos mit, manche sehen es als Gelegenheit zu schwänzen (doch eher wenige, das ist gut), wieder andere sehen eine große neue Bewegung entstehen, wie die 68er-Bewegung.
    Viele Erstsemester streiken (die spüren gerade schmerzlich die Stellenstreichungen, haben megaüberfüllte Hörsaale, kommen nicht in ihre benötigten Kurse, werden ausgelost, sitzen auf dem Fußboden....) und dann die eher links eingestellten.
    Manche Profs solidarisieren sich, dürfen sie aber nicht offiziell.
    In Göttingen gibt es wegen einer Besetzung jetzt eine erhöhte Polizei-Präsenz, in Kassel haben die Polzisten intern gesagt, wenn sie können, demonstrieren sie nächtes mal in Zivil mit.
    Es ist also alles ziemlich unterschiedlich, aber es ist doch einiges los.
    Wollte dir noch mal so einen Erlebnis-Bericht schreiben, damit du einen besseren Eindruck bekommst.
    Ich selber stecke im Zwiespalt zwischen Streikbefürwortung und dennoch Teilnahme an Veranstaltungen zwecks Anrechenbarkeit des Semesters. Deswegen planen jetzt einige Unis Aktionstage, an denen Aktionen laufen, an allen anderen Tagen soll das Studium weiterlaufen. So entsteht auch nicht das Bild des faulen Studenten-aus dem gleichen Zweck werden Seminare öffentlich gehalten, denn es geht nicht um im Bett liegen bleiben , sondern um sinnvolle Aktionen. Leider war die Medienpräsez anfangs niedrig, nur sowas kam , wenn Koch wegen Lärm und Demo eine Rede nicht halten konnte, die Hintergründe wurden wenig propagiert. Das ändert sich jetzt langsam. Allerdings wird auch bald abgestimmt (über erste Schritte Richtung Studiengebühr, in Hessen z. B. 50 Euro Studiengebühren pro Semster fürs Haushaltsloch, NICHT für die Unis, die es nötig hätten. Zusätzlich müssen alle, die schon mal irgendwo ein Semster studiert haben hohe Zwweitstudiumsgebühren zahlen) Angst haben viele vor den Klagen, die Niedersacsen und Hessen und andere Länder gegen die Verfassung erheben. Wenn die durchkommen sind reguläre, hohe Studiengebühren , z.B. von 500 Euro pro Monat, schon für Erstsemester rechtlich erlaubt. Ist also alles nur der Anfang. Puh, was wohl werden wird? Gegen VERNÜNFTIGE Konzepte wär ja nicht zu sagen, doch davon ist nichts zu sehen, de Unis bessern sich nicht, wir müssen zahlen. Viele -auch ich-arbeiten jetzt schon nebenbei, wie das dann für solche Fälle aussehen wird ist unklar.
    Soweit so gut, bald kommen die Abstimmungen, ich hoffe die Demos drumherum eskalieren nicht.
    Achja: Gewerkschaften fangen an sich zu solidariesieren, schleßlich sind auch Beamte betroffen und andere. Besonders schlimm sind im Zuge des Sozialabbaus Schließungen von grundlegenen Institutionen wie pro familia in Hessen. Wird einfach weggestrichen!!

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