Rat gesucht Bayern

  • Hallo
    ich überlege im Moment ein Lehramtsstudium zu beginnen und zwar für Gymnasium in Bayern
    mit der Fächerverbindung Latein/Deutsch.
    Wie werden die Einstellungschancen in sieben Jahren aussehen?
    Kann es sein, dass man trotz erfolgreich abgeschlossenem Referendariat nicht eingestellt wird?
    Kennt hier jemand Leute, denen das passiert ist und die sich in der freien Wirtschaft eine
    Stelle suchen mussten?
    Sollte man lieber Fächer studieren, die auch bei einer Bewerbung bei einem Unternehmen
    relevant sein könnten?
    Welche Fähigkeiten, abgesehen vom fachlichen, sollte man als Lehrer auf jeden Fall haben?
    Muss man kommunikativ, unkompliziert und extrovertiert sein?

  • ...ad 1: weiß niemand. schweinezyklus.
    ad 2: ja, natürlich, aber sehr unwahrscheinlich, wenn du mobil und flexibel bist, was die schulart angeht.
    ad 3: ja, natürlich. geht alles. üblich ist aber eher der wechsel in andere schulformen oder bundeslandwechsel.
    ad 4: ja mei. auch germanistik und altphilologie können verdammt relevant sein, wenn du gut bist und dich frühzeitg um standbein b neben dem lehramt kümmerst. stichwort werkstudent, praktika, freie mitarbeit...
    ad 5: menschenfreundlichkeit.
    ad 6: a) und b) sind von vorteil, aber kein muss. unterrichten ist eine rolle. extrovertiertheit ist nicht wichtig. auch introvertierte leute können tolle lehrer sein und umgekehrt extrovertierte ganz schreckliche.

  • Wie werden die Einstellungschancen in sieben Jahren aussehen?

    Hier sind zwar lauter Weise aus dem Ältestenrat unterwegs, aber hellsehen kann leider niemand ;-)



    Sollte man lieber Fächer studieren, die auch bei einer Bewerbung bei einem Unternehmen


    relevant sein könnten?

    Ja, klar, sicher ist sicher. Informatik dürfte das Sicherste sein.


    Muss man kommunikativ, unkompliziert und extrovertiert sein?

    Unkompliziert zu sein, ist in jeder Situation hilfreich. Leider wüsste ich nicht, wie man das nachträglich zu seiner Sozialisation noch erwerben könnte. Wenn ich so überlege, kenne ich auch niemanden, der wirklich unkompliziert ist- mag daran liegen, dass ich nur Menschen kenne.


    Bereitschaft zur Kommunikation sollte man in einem Beruf, der ausschließlich auf Kommunikation setzt, aber schon mitbringen. Und Geduld. Und Humor. Und Reflexionsvermögen. Und Lust, sich mit Jugendlichen auseinanderzusetzen. Und die Fähigkeit, auch außerhalb von Schule Erfüllung zu finden.

    Einmal editiert, zuletzt von Krabappel ()

  • ich überlege im Moment ein Lehramtsstudium zu beginnen und zwar für Gymnasium in Bayern
    mit der Fächerverbindung Latein/Deutsch.
    Wie werden die Einstellungschancen in sieben Jahren aussehen?

    Dir kann Niemand zu 100% vorhersagen, wie die Einstellungschancen in sieben Jahren sein werden. Nach der Prognose werden sie günstig sein, besonders in 6 Jahren wegen der neuen 13 Klasse des G9. Du musst aber bedenken, dass du gerade das Studium, mit einer guten Prognose anfängst, was bedeutet, das du nicht der Einzige sein wirst, wenn du verstehst was ich meine.

    Kennt hier jemand Leute, denen das passiert ist und die sich in der freien Wirtschaft eine
    Stelle suchen mussten?

    Persönlich nur wenige, aber es gab sehr viele Nachrichten über arbeitslose Gymnasiallehrer in Bayern, da musst du nur kurz googeln.

    Kann es sein, dass man trotz erfolgreich abgeschlossenem Referendariat nicht eingestellt wird?

    Ja, man wird nicht bedarfsgerecht ausgebildet, es gibt also keine Einstellungsgarantie.

    Sollte man lieber Fächer studieren, die auch bei einer Bewerbung bei einem Unternehmen
    relevant sein könnten?

    Ja, wenn man sich dafür interessiert, ansonsten bringt das nichts.


    Zu deinen letzten zwei Fragen, würde ich dir raten, ein Praktikum zu machen.

  • Wenn Bayern dann die Lehrkräfte nicht benötigt, werden womöglich in anderen Ländern Lehrkräfte händeringend gesucht, wie zurzeit in Niedersachsen und etlichen anderen Bundesländern.


    Gymnasiallehrkräfte werden über Bedarf eingestellt, um für G9 gerüstet zu sein und den Lehrermangel in anderen Schulformen ein wenig abzumildern.
    Sie werden derzeit auch abgeordnet, auch an Grundschulen und auch mit Latein oder Französisch als Fach.

  • Zu deiner Frage nach den Fähigkeiten, hatte ich mal was sehr treffendes in einem Buch für angehende Lehrer gelesen und es mir mal stichpunktartig notiert.
    - Schule ist nichts für Perfektionisten - nie ist etwas fertig, nie ist alles bedacht, nie machen alle das, was ich möchte, nie sind alle Hefter ordentlich, Zwischenmenschliches ist immer in Bewegung und nicht selten im Chaos. --> so etwas muss man also gut aushalten können, das Prozesshafte, Offene


    Für mich als Introvertierte finde ich es doch schon etwas schwieriger an der Schule, als für Extrovertierte, die sich ja angeblich im "Bad der Menge erfrischen" sollen.
    Eine gewisse Freude an der Selbstdarstellung finde ich auch wichtig (bitte nicht verstehen als "sich verstellen" - das meine ich nicht) - immerhin stehst du vor ca. 25-30 Heranwachsenden. Ein Mensch, der immer schon gern allein für sich gearbeitet hat ohne Störungen - egal wie fit in seinem Fach - wird sich an einer Schule glaube ich gar nicht wohlfühlen.
    Des Weiteren brauchst du ein hohes Maß an Konfliktfähigkeit (ist dein täglich Brot, auch mal mit Kollegen, SL, Eltern usw.) und an sich ein großes Kommunikationsbedürfnis oder Sendungsbewusstsein :-) Du musst kommunizieren können und generell das Bedürfnis haben dich mitzuteilen - und nicht nur, weil du das hohe ideal hast, Bildung zu teilen. Das darfst du ruhig haben, aber erwarte nicht, dass alle deiner "Kunden" dieses Ideal teilen :-)

  • Das mit dem intro - und extrovertiert würde ich gar nicht so eng sehen. Authentisch sollte man sein. Es gibt unterschiedliche "Lehrerpersönlichkeiten", die "gut" sind.

  • ... und nicht nur, weil du das hohe ideal hast, Bildung zu teilen. Das darfst du ruhig haben, aber erwarte nicht, dass alle deiner "Kunden" dieses Ideal teilen :-)

    Wobei der Anteil derer, die es teilen, bei Gymnasiasten am Altsprachlichen doch recht hoch sein dürfte.


    Ich glaube, dass man alle Fähigkeiten verbessern kann. Auch wenn es natürlich Eigenschaften gibt, die einem das Leben an der Schule erleichtern. Die erleichtern einem das Leben aber überall.


    Wer aber schon zögert, ob er gern mit Menschen zu tun hat und ob er lieber gleich was studiert, das woanders bessere Zukunftsaussichten hat, der sollte sich vielleicht besser auch gleich nach was anderem umsehen. Nicht weil er kein guter Lehrer werden könnte, sondern weil er wahrscheinlich kein zufriedener werden wird.

  • Also, zum Thema Arbeitslosigkeit und Lehrer, da ist sehr viel Gejammer bei. Die ganzen arbeitslosen Lehrer (so viele sind es denke ich gar nicht, nur das Gejammer ist halt sehr laut) möchten eine feste Beamtenstelle an ihrem eigenen Wohnort. Ein Umzug ist absolut unzumutbar. Andere Schulform (bei A13) geht natürlich auch nicht, anderes Bundesland ist weiter weg als der Mond.


    Von daher, wenn du flexibel bist (was arbeitslose Lehrer halt nicht sind), dann studier die Fächer, die dir am meisten Spaß machen. Wenn nicht, würde ich mir einen guten Plan B zurechtlegen.

  • Die ganzen arbeitslosen Lehrer (so viele sind es denke ich gar nicht, nur das Gejammer ist halt sehr laut) möchten eine feste Beamtenstelle an ihrem eigenen Wohnort.

    Ist in Bayern gar nicht möglich, da die Stellen zentral von den Behörden verteilt werden und man überall hinkommen kann. Darauf muss man sich in Bayern grundsätzlich bei einem Lehramtsstudium einstellen. Nach dem Studium macht man erst einmal irgendwo in Bayern das Referendariat, wenn man Glück hat, noch im größeren Einflussgebiet der Uni, wo man studiert hat, danach bleibt man meistens wenigstens im Regierungsbezirk. Regierungsbezirke sind in Bayern sehr groß.
    Wenn man auf die Einstellungsstatistik bei meinem Link in Beitrag 2 klickt, sieht man, wie wenig fertige Gymnasiallehrer in den letzten Jahren wirklich eingestellt wurden. Im Gegensatz dazu haben wir einen eklatanten Lehrermangel an Grund- unnd Mittelschulen. Einige machen Umschulungsmaßnahmen in Richtung Mittelschule oder Grundschule, da die Warteliste sehr lang ist.
    Wer in Bayern bleiben möchte und im Gymnasium unterrichten möchte - mit Latein ist das zwangsläufig so - hat im Augenblick statistisch gesehen eher weniger Erfolgsaussichten, mit Latein ist man sehr auf eine Schulart fixiert.

  • die arbeitslosen bayerischen gym-lehrer jammern nicht, sondern beschweren sich zurecht (wie auch ihre kollegen und die sus und die eltern), dass diese refis während ihres einsatzjahres und teils noch während der prüfungsphase (!) für bedarfsdeckenden unterricht zum billigtarif (sogar ohne sozialabgaben für den freistaat) mit 17 wochenstunden ausgebeutet werden (vorgesehen sind eigentlich 10 oder 11), nur um dann entlassen zu werden nach dem zweiten examen, weil viel zuwenige leute eingestellt werden. der bedarf wäre da, die kollegien arbeiten am limit und viele auch drüber. im prinzip werden die leute gezwungen, sich selbst die arbeit wegzunehmen.

  • Zitat

    Ist in Bayern gar nicht möglich, da die Stellen zentral von den Behörden verteilt werden und man überall hinkommen kann.


    In anderen Bundesländern läuft es aber ganz anders.


    In Niedersachsen gibt es zwar noch einzelne Bezirksstellen, die meisten Stellen sind jedoch schulscharf ausgeschrieben.
    Die Schule kann bzw. muss die Einstellungsgespräche führen und eine Auswahl treffen, die Bezirksregierung entscheidet letztlich.


    Vorteil wäre, dass man im Rahmen der Vorgaben jemanden wählen könnte, der zu den Vorstellungen/ dem Team passt.
    Vorteil für die Bewerber ist jetzt, dass sie sich die Schule quasi aussuchen können.


    Das verschärft den Lehrermangel in den ländlichen Gebieten, da die Bewerber zumeist die Uni-Städte bevorzugen.


    Wer dort keine Stelle annehmen möchte, kann 2 Monate warten und dann eine Vertretungsstelle übernehmen. Diese wird in BY wohl eher über die Mobile Reserve abgedeckt. In Nds. müssen Vertretungen für länger Erkrankte, Schwangere oder auch unbesetzte Stellen umständlich beantragt und dann auch von der Schule besetzt werden. Auch da hat man in Uni-Nähe mehr Möglichkeiten, Studierende oder Studierte zu finden, als auf dem Land.


    Auch die Vorgaben aus BY, dass man eine Weiterqualifizierung für andere Schulformen (GY-->GS) benötigt, kenne ich so nicht. Vermutlich wird sich da in den nächsten Jahren auch noch mehr Flexibilität ergeben.


    Der Lehrermangel war abzusehen und hat sich seit 2000 zunehmend verschärft.
    Obwohl in den 90ern kaum Lehrkräfte eingestellt wurden und entsprechend weniger pensioniert werden, kann ich mir kaum vorstellen, dass in den nächsten Jahren eine Lehrerschwemme herrschen wird.
    Das kann nur erreicht werden, wenn in allen Bundesländern genügend neue Lehrkräfte ausgebildet weden, wofür es Bewerber, Studien- und Referendariatsplätze braucht.

  • bayern hat die studien- und die refplätze für gym. das km hat die einführung eines eignungsfestellungsverfahrens vor studienaufnahme, wie für manche gym-fächer von manchen unis im zuge des bolohnaprozesses damals gefordert, aktiv verweigert. man hatte angst, zu wenig refis zu produzieren. der überschuss hier ist hausgemacht. auch aktuell nehmen sie immer noch jeden (!) mit irgendeinem halbwegs passendem ersten lehramtsabschluss und passenden fächern, der sich fürs ref bewirbt. und nein, das g9 wird diesen lehrerüberschuss mit seiner rückkehr kaum auffangen können. das ist einfach der übliche schweinezyklus, der immer entsteht, wenn menschen meinen, komplexe (soziale) systeme steuern zu können, kombiniert mit einer sehr, sehr konsequenten sparpolitik, zumindest was den öffentlichen dienst angeht (polizei, bildungswesen; die polizei hat hier teils unbesetzte planstellen, lächerliche bezüge für die geforderte leistung, kaum brauchbare ausrüstung, und dann wird geld in einsatztechnisch fast völlig wirkungslose populistische schamrrn projekte wie die "bayerische grenzpolizei" gestopft, oder in das raumfahrtprogramm, oder in die lufttaxis. ohne worte.)


    es ist angeblich geplant, den zugang zum ref zu begrenzen, meines wissens ist das aber immer noch nicht passiert. man darf gespannt sein.

  • Ist es in Bayern nicht auch so, dass die Gymnasialreferendare alle halbe Jahre die Schule wechseln müssen? Und das nicht mal so um die Ecke, sondern z.B. 130 km weiter? Schikane? Oder was?

  • quer durch den freistaat bis zu 3x im ref, wobei es im letzten abschnitt zurück an die ursprüngliche seminarschule geht. schikane würde ich das nicht nennen. eher eine sehr sinnvolle maßnahme, damit die jungen kolleginnen und kollegen auch mal andere schulen von innen und andere teile bayerns von außen sehen. bayern ist ja als flächenstaat schon sehr verschieden, je nach region (stell einen allgäuer neben einen oberpfälzer, die verstehen sich gegenseitig vermutlich nicht) auch sehr, und die schulen unterscheiden sich schon auch. und es ist ja nicht für ewig, sechs monate sind dann auch bald vorbei.


    viel problematischer ist wie gesagt, dass fast niemand eingestellt wird nach dem ref. das ref selber passt schon, wenn nur die 17 stunden im einsatz nicht wären und der bedarfsdeckende unterricht im prüfungsabschnitt. zudem darf das stammpersonal die leute dann ausbilden ("betreuen" im einsatz), das macht je nach refi u.u. auch eine menge extraarbeit, manche/viele sind keine selbstläufer.

  • Da finde ich ehrlich gesagt die 17 Stunden im Einsatz sinnvoller, als die verschiedenen bayrischen Mentalitäten kennenlernen zu müssen. Alle halbe Jahre umzuziehen und sich an eine neue Schule mit ihren Eigenheiten zu gewöhnen, stelle ich mir stressiger vor. 14 Stunden eigenverantwortlicher Unterricht waren zu meiner Zeit im Ref. in By (Grundschule) schon normal. Heute sind die Grundschulreferendare in Bayern im 2. Jahr schon Klassenlehrer mit Einrichtung des Klassenzimmers, Elternabenden, Elterngesprächen und allen anderen Aufgaben eines Grundschulklassenlehrers. Finde ich ebenfalls ganz schön viel (Arbeit und Verantwortung).


    Dass fast niemand eingestellt wird nach dem Ref. bzw. Jahresverträge bekommt, das ist wirklich schlimm und demotivierend.

  • 17 stunden = ausbeutung. es gibt in dieen 17 stunden wirklich nichts, was der ref nicht auch in 10 oder 11 lernen könnte. stattdessen wird er/sie gezwungen, sich selbst den job wegzunehmen (wenn er/sie annehmbare noten hat).


    umziehen: super. es ist sehr, sehr wichtig, dass ein künftiger planstelleninhaber mehr als ein gymnasium als lehrer kennengelernt hat. je mehr, desto besser. das dürfte auch der einzig gute nebeneffekt der unsäglichen jahresverträge sein: die jungen kollegen sehen verschiedene arten und weisen, in bayern gymnasium zu machen, live und in farbe. das prägt schon und verhindert dieses dumpfe "haben wir schon immer gemacht" wenigstens in den köpfen. es gibt soviele möglichkeiten, in bayern gymnasium zu gestalten, auch innerhalb der doch recht strikten und von oben "durchregierten" vorgaben - aber man muss sie erstmal sehen, um überhaupt drauf zu kommen. allein die "best practice"-ideen, die man da so mitbekommt in sachen schulorga: sehr, sehr, sehr viel wert. von der horizonterweiterung mancher provinzleute oder stadteulen von provinz- oder stadtunis mal gar nicht zu reden. die lehramtsklientel ist in bayern auch am gym oft sehr heimatverbunden und dementsprechend geeicht im blick. sie studieren heimatnah und wollen da auch unbedingt wieder hin. da ist es nur gut, wenigstens im ref mal den rest des bundeslandes zu erleben.

  • Da hast du auch wieder Recht. Ich war damals 450 km von zu Hause entfernt, während des Studiums und des Refs, während die Kommilitoninnen im Ref noch zu Hause wohnten. Von daher schon eine sinnvolle aufgezwungene Maßnahme....

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