Und dass viele andere tolle Aktivitäten stattfinden ist sicher unbestritten, es denkt niemand Ernstzunehmendes, dass GS-Lehrkräfte nicht genug machen. Die Frage ist, ob man inhaltlich etwas dagegen steuern sollte (kein Englisch mehr, weniger Projekte mit neuen Medien o.ä.)
Ich gebe dir recht, dass man sich überlegen sollte, welche Projekte und Wettbewerbe!!! unnötig sind. Leider wird das öfter so gesehen, dass diese Projekte gut für die Außendarstellung sind. Alles nimmt Zeit von der Unterrichtszeit weg.
Ich schreibe jetzt schwerpunktmäßig von 3/4: Vor 2000 konnte man sich vielleicht besser dem Lesen bzw. der Lesetechnik widmen. Dann kamen folgende notwendige Aspekte dazu:
Vertiefte Sprachförderung: die Schüler lernen jetzt schon in der Grundschule, wie man Referate vorträgt, wie man sich vor die Klasse stellt und präsentiert, erklären anderen mathematische Zusammenhänge usw. Das kostet Zeit.
Außerdem trainieren wir seit einigen Jahren das systematische Zuhören ähnlich wie es bei der Vergleicharbeiten verlangt wird. Auch das kam dazu.
Apropos Zuhören: Es ist die Frage, ob das so gut ist, dass man sich bei einigen digitalen Übungsprogrammen die Aufgaben vorlesen lassen kann.
Die Erkenntnis, dass zum Lesen nicht nur das Textverständnis gehört, sondern auch auf die Lesetechnik Wert gelegt werden muss, die kam erst wieder im letzten Jahrzehnt zum Vorschein. Ich finde es super, dass mit dem LehrplanPLUS alle Aspekte des Lesens wieder gut berücksichtigt werden.
Meine Erfahrung mit dem Lesen ab dem 3. Schuljahr ist: Für wen Lesen mühsam ist, der kommt schnell in die Vermeidungshaltung. So hat man dann in der Konsequenz immer mehr Probleme mit dem Lesen.
Hat das Kind aber einmal über einen steinigen Weg ein gewisses Niveau erreicht, kann das Lesen durchaus Spaß machen. Die Erfahrung machte ich mit einigen Kindern, denen zuerst eine Lesestörung bescheinigt wurde, da sie sehr schlecht lasen. Durch regelmäßige Übungen zuhause ( im Schnitt 10 min pro Tag) konnten sie nach ca. einem Schuljahr so gut wie andere lesen und lasen jetzt auch für sich Bücher.
Prinzipiell konnte man ab dem 3. Schuljahr bei allen Schülern deutlich beobachten, wie sich Lesefortschritte abhängig von der angepassten Übungshäufigkeit (gute Leser brauchten eben wenig Übung, schlechte Leser regelmäßige) einstellten. Diejenigen, die im 3./4. Schuljahr schon dicke Bücher lasen und wie Erwachsene vorlasen, die brauchten natürlich keine Übung mehr. Ich hatte noch nie ein Kind, das überhaupt nicht lesen lernte.
Wichtig finde ich beide Arten des Lesens: Das laute, richtige Lesen, wo man den Text bzw. die Sätze mehrmals wiederholt, bis sie flüssig gehen und das leise, gerne auch überfliegende Lesen, wo man sich in Geschichten reinvertieft und im Kopf miterlebt. Diesen Unterschied habe ich öfter Eltern erklärt, denn wenn man sich nur mit lauten Leseübungen quält, findet man keinen Spaß am Lesen.
In der Schule fand ich die Methode des Tandemlesens für die Lesetechnik am erfolgreichsten. Wer ein gewisses Leseniveau hat, der hat in der Regel auch ein besseres Textverständnis.
Nicht zu vergessen: In anderen Fächern liest man auch, allerdings nicht methodisch. Aber zumindest geht es um das Textverständnis. Sachkunde kommt dem da am nächsten. (Da bin ich auch mal zum "Chorlesen" übergegangen, damit jeder gezwungen war, laut mitzulesen.)