Absolute Beginner + Disziplin + Ruhe

  • Hallo,


    bin jetzt seit Mai im Ref am Gymnasialzweig an einer Gesamtschule. Ich habe jetzt schon relativ viel Unterricht in Deutsch in einer 5. Klasse gemacht.
    Vorneweg: ich mag die Kids in der Klasse wirklich gern, vor allem auch gerade weil da sehr viele sehr starke Persönlichkeiten drin sind, auch wenn diese Persönlichkeiten oft genug knallart meine Schwachstellen entdecken und offenlegen. Leider ist auch ein richtiger Problemschüler dabei, der es regelmäßig schafft, die ganze Klasse aufzumischen mit seinen Kommentaren. Er fliegt bei anderen Lehrern so oft aus dem Klassenzimmer, dass das für ihn schon Normalzustand ist.



    Zunächstmal:
    Ich hab jetzt in den paar Monaten schon so einige Höhenflüge erlebt, aber auch Tiefschläge einstecken müssen - fürchte wohl dass das jedem so geht im Ref.
    Geht euch das auch so, dass ihr, wenn was gut geht, ihr die ganze Welt umarmen könntet, wenn es aber mal nicht so toll läuft, ihr gleich anfangt zu katastrophieren, dass ihr es nie schafft?
    So geht es mir nämlich momentan. Mein Stimmungsbarometer hängt nachmittags maßgeblich davon ab, wie ich mich vormittags geschlagen habe.


    Heute dann hatte ich wieder so eine Stunde wo ich hinterher einfach nur hätte heulen können - und ich frage mich dann immer wie ich es abstellen kann, dass mich das "Versagen" dann so in Mark und Bein trifft.


    Ich trau mich ja kaum es zuzugeben - aber ich bin da echt nah am Wasser gebaut und komme mir schon vor wie der letzte Depp, wenn es mich so trifft dass es mal nicht klappt.


    Auch wenn ich schon viel schönes Feedback bekommen habe von meiner EG- Leiterin - z.B. dass sie merkt, dass ich die Schüler mag und ihnen das auch zeige, dass ich mittlerweile schon sehr selbstversändlich vor der Klasse stehe, dass die "Dramaturgie" bei meinen Stunden schon gut ist und dass ich offenbar auch begabt bin was das Unterrichtsgespräch angeht...
    auch wenn ich dieses positive Feedback habe hab ich ne Höllenangst, dass ich wegen Disziplinproblemen untergehen könnte.


    Momentan ist es einfach so, dass ich - und ich unterrichte ja nur in dieser einen Klasse - wahnsinnig Angst habe, dass ich die Disziplinprobleme generell nicht in den Griff bekomme.
    Ich bekomme von allen Seiten gesagt dass es sich dabei um eine sehr schwierige Klasse handelt, auch der Klassenlehrer bekommt sie wohl nicht richtig ruhig und hat nicht das beste Verhältnis zu der Klasse.
    Ich tröste mich zwar immer damit, dass ich mir sage, wenn ich es da schaffe, dann schaffe ich es überall *g



    Naja, ich weiss, hinzu kommt gerade jetzt gegen Ende des Schuljahres dass die Kids eh keine Lust mehr haben, dass es keine Noten mehr gibt und dass die meisten Lehrer leider gar keinen richtigen Unterricht mehr machen.....



    Trotzdem:


    - Wie habt ihr an euerer "Präsenz" gearbeitet? -Ich denke dass ist ein zentrales Thema für alle Refis....
    - Was habt ihr für Methoden, wenn ihr Ruhe einfordert?
    - Ich komme mir total doof vor, wenn ich Striche verteile und Sonderaufgaben und wünsche mir nix sehnliche, als dass es ohne geht - wie handhabt ihr Unruhe und Störung?
    - Was habt ihr für Rituale, die man im 5. und 6. Schuljahr einführen kann um Ruhe und Konzentration zu fordern?


    -Ich bin eher ein ruhiger Mensch, fröhlich und offen und ich sehe von Natur aus eher aus wie eine liebes nettes Mädel und nicht wie eine Drache.. Hinzu kommt auch noch, dass ich sehr jung aussehe ... Habt ihr Tipps was man tun kann ohne sich zu verbiegen oder zu verstellen?



    Wäre toll von euch zu hören!!!


    Alles Liebe Jez

    Lernen
    ist herausfinden, was du bereits weißt.
    Handeln
    ist zeigen, dass du es weißt.
    Lehren
    ist andere wissen lassen, dass sie es genauso gut wissen wie du selbst.
    (Richard Bach, Illusionen)

    Einmal editiert, zuletzt von Jezabel76 ()

  • Liebe Jez,


    du hast ja von deiner EG-Leiterin positives Feedback bekommen, daher würde ich ganz ruhig an die Sachen rangehen, an denen du noch arbeiten musst.


    Zum Thema Disziplin hatten wir schon einige Threads, einfach mal auf die Suchfunktion gehen.
    Allgemein würde ich sagen, dass du selber ruhig sein musste, damit du Ruhe in die Klasse bekommst. Vielleicht ein akustisches Signal nutzen und dann warten, auch wenn es lange dauern kann.


    LG Silja

  • Hallo Jez,


    lass dich nicht durcheinander bringen, warte mal ab, bis die Ferien um sind! Die Kinder sind "reif für die Insel", und du auch! Überlege dir während der Ferien ein System, das du konsequent durchführen kannst. Dazu findest du hier eine Menge an guten Ideen. Suche das aus, was zu dir passt!
    Nach den Ferien geht es besser. Wetten?
    Gruß venti :)

  • Hallo Jez,


    zur Disziplinfrage:
    in der Unterstufe habe ich auch einiges ausprobiert und mittlerweile mit folgendem System großen Erfolg:
    (Vorab: Es ist nicht von mir, sondern ein Tipp von Remus, den ich hier gelesen und etwas abgewandelt habe)
    Wenn mir die Unruhe zu groß wird, setze ich mich so halb auf's Pult (ich unterrichte sonst immer stehend), schaue demonstrativ auf die Uhr und gucke dann den größten Unruheherd an. Freundlich. Normalerweise fragen die Schüler sehr schnell was denn los sei, wenn nicht, "markiere" ich "Körnchen unter den Fingernägeln vorpulen". Nun fragen sie normalerweise spätestens, was denn los sei. Dann schaue ich nochmals auf die Uhr und sage, dass ich eigentlich 3 Minuten früher Schluss machen wollte, es aber im Moment ganz danach aussieht, als müsse ich sogar überziehen, weil ich nicht weitermachen kann, denn es ist ja viel zu laut. Wenn es dann immer noch nicht leiser wird, gebe ich laut "Überziehungszeiten" im aktuellen Stand durch, grinse und verkünde, dass ICH jede Menge Zeit habe. Sie fangen dann sehr schnell an, sich gegenseitig zur Ruhe zu bringen.
    Wenn man es ein paar Mal tatsächlich durchgezogen hat, braucht man das nie wieder, die Drohung allein reicht schon.
    Ansonsten, wenn alles nichts hilft: Die Klasse hart arbeiten lassen (diktieren, etc.) bringt die chaotischste Klasse zur Ruhe. Und bei den ganz harten Fällen (die ich allerdings nur in der Mittelstufe finde) hilft auch mal das ernsthafte Gespräch nach dem Unterricht unter vier Augen, wenn man denjenigen fragt, was er eigentlich für seine "mündliche Leistung" an Noten so erwartet und dass man eigentlich keine Lust hat, einem derart intelligenten Schüler solch schlechte Noten einzutragen, er aber sicherlich selbst einsieht, dass die heutige Leistung einfach nicht stimmt für Besseres. Ist mir schon klar, dass es das eigentlich nicht sein kann, wenn man nur noch mit Notendruck Erfolg hat, aber es gibt leider Fälle, die es anders nicht kapieren.


    Zur Präsenz:
    Unterrichten mit vollem Körpereinsatz, Stimmeinsatz, kurz: Theaterspielen. Macht Spaß, manchmal halten die Schüler einem für ein bisschen bekloppt, aber gerade in der Unterstufe freuen sie sich extrem darüber, wenn sich der Lehrer für sie "aufführt". Klar, man darf es nicht übertreiben und muss die Klasse dafür gut im Griff haben, sonst hat man schnell das oben genannte Problem.


    Noch ein genereller Tipp:
    Meiner Erfahrung nach ist jede Klasse ein Spiegel meiner eigenen Stimmung. Wenn du ihnen etwas Interessantes bietest und es geschafft hast, sie emotional für dich zu gewinnen (ein richtig platziertes und formuliertes Lob wirkt da Wunder!), dann kannst du mit der chaotischsten Klasse wunderbar arbeiten. Aber bis dahin ist es oft auch für alte Hasen ein hartes Stück Arbeit und immer wieder ein harter Kampf. Die Gefühlsschwankungen kenne ich und wahrscheinlich jeder andere hier auch. Das ist normal, nur nimmt man es sich mit der Zeit nicht mehr so zu Herzen, wenn man gemerkt hat, dass man nie so perfekt sein kann, wie man es gerne wäre.


    Und wenn deine EG-Leiterin (was auch immer das sein mag) die angesprochenen Dinge lobt, dann würde ich mir an deiner Stelle auch nicht allzu viele Sorgen machen, denn die genannten Punkte sind sehr zentral, darauf kann man doch gut aufbauen! Am Anfang ist es für jeden stressig, das gibt sich mit der Zeit.


    LG

    ***
    Es hat keinen Sinn, Kinder erziehen zu wollen - sie machen uns doch alles nach...

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